?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...
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<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 18, 2/2005<br />
Christiane Zerfaß<br />
Strategiebildung in Umbruchzeiten<br />
Das Beispiel Deutscher Gewerkschaftsbund<br />
1 Einleitung<br />
Die Bereitschaft in Gewerkschaften nimmt zu,<br />
sich wieder mit Fragen der Strategieentwicklung<br />
zu beschäftigen. Mit der Erfahrung, dass<br />
geübte gewerkschaftliche Durchsetzungsstrategien<br />
und Routinen an Grenzen stoßen, wächst<br />
auch das Wissen, dass Optimierungsprojekte<br />
nicht ausreichen. Notwendig ist eine grundsätzlichere<br />
Reflexion über die gewohnten Abläufe,<br />
die auch die Bedingungen für Strategiebildungsprozesse<br />
einschließt. Beispiele für gestörte Routinen<br />
zeigen sich u.a. bei der Entwicklung politischer<br />
Positionen im Deutschen Gewerkschaftsbund<br />
(DGB): Immer häufiger müssen Stellungnahmen<br />
auf nationaler wie auf europäischer Ebene<br />
rascher entwickelt werden als dies dem Tagungsrhythmus<br />
und der Arbeitsweise der jeweiligen<br />
Gremien entspricht. Ein weiteres Indiz für<br />
Veränderungsbedarf sind Anlaufschwierigkeiten<br />
bei der Integration neuer Standards in gewohnte<br />
Geschäftsprozesse wie z.B. bei den Konsultationsverfahren<br />
der EU via Internet.<br />
Weiteren Reformdruck bringt das politische<br />
Tagesgeschehen für den DGB mit sich. Unter<br />
Gewerkschaftsbeschäftigten wie ehrenamtlichen<br />
Kräften artikuliert sich deutliches Unbehagen<br />
an den laufenden gesellschaftlichen Reformdiskussionen,<br />
die oft als aufgezwungen erlebt werden.<br />
Zugleich wächst der Wunsch nach mehr<br />
Offensive der Gewerkschaften, um die Arbeitnehmerschaft<br />
und ihre Familien wieder besser<br />
zu erreichen. Es geht also um mehr Gestaltung<br />
und um weniger Reaktion – und damit um eine<br />
Trendumkehr. Diese Änderung der Blickrichtung<br />
ist alles andere als trivial. Der Perspektivenwechsel<br />
bedeutet einen Systembruch, eine<br />
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strategische Neuausrichtung für den DGB. Dieser<br />
Veränderungsprozess führt dazu, dass die<br />
bisher vorherrschenden Muster gewerkschaftsinterner<br />
Strategieentwicklung überprüft und die<br />
zumeist um Durchsetzungs- und Machtstrategien<br />
kreisenden Strategiedebatten erweitert werden<br />
müssen.<br />
Es spricht viel dafür, dass die wirtschaftlichen<br />
und gesellschaftlichen Umbrüche der Globalisierung<br />
in ihrem vollen Umfang noch nicht<br />
erkannt geschweige denn akzeptiert worden sind<br />
– von der Gesellschaft im Allgemeinen wie vom<br />
DGB. Bei aller Gefahr, die in Prognosen liegt:<br />
Die Politik wird voraussichtlich auch auf weitere<br />
Verschärfungen der wirtschaftlichen Lage<br />
mit den bereits bekannten Medikamenten reagieren:<br />
Es besteht nur geringe Hoffnung, dass<br />
der Grundfehler aller von der Politik diskutierten<br />
Reformen, nämlich ihre mangelnde Nachhaltigkeit,<br />
korrigiert wird. Zu erwarten ist also<br />
eine Fortsetzung bestehender Politiken, wodurch<br />
sich der Druck gerade auf die Gewerkschaften<br />
weiter verstärken wird.<br />
Für diese Entwicklung müssen sich Gewerkschaften<br />
im wahrsten Sinne des Wortes rüsten.<br />
Zeit loszulegen – über die Strategieentwicklung<br />
im DGB nachzudenken und dabei auch einen<br />
Blick auf ihre Bedingungen zu werfen.<br />
2 Das ‚Geschäftsmodell des DGB‘<br />
Kennzeichnend für den DGB, aber auch für die<br />
Mitgliedsgewerkschaften 1 ist die Parallelität<br />
unterschiedlicher strategischer Ansätze. Aus der<br />
unterschiedlichen Entstehungsgeschichte der<br />
jeweiligen Organisationen ist dies nachvollziehbar,<br />
reflektiert der Strategiebegriff doch immer