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?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...

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Auf der Suche nach der Gerechtigkeit<br />

de Grundsatzprogramm in einem „empirischen<br />

Vergleich ähnlicher Länder anhand operationalisierter<br />

Kriterien sozialer Gerechtigkeit“ (Meyer<br />

2004: 181ff). Zu diesem Zweck wird in der<br />

Programmdebatte gegenwärtig vorwiegend auf<br />

einen von Wolfgang Merkel (2002; 2005) erarbeiteten<br />

Kriterienkatalog mit fünf Gerechtigkeitsdimensionen<br />

zurückgegriffen. Diese Kriterien<br />

sind: Armutsquote, Aufwendungen für<br />

Bildung, Inklusion in den Arbeitsmarkt, sozialstaatliche<br />

Aufwendungen und Einkommensungleichheit.<br />

Misst man nun die einschlägigen Elemente<br />

der Agenda-Politik an den Werten dieses<br />

internationalen Vergleichs, so fällt das Urteil zur<br />

Gerechtigkeitsbilanz weitaus vorteilhafter aus<br />

als beim Vergleich mit dem Maßstab der Verteilungsgerechtigkeit.<br />

Thomas Meyer etwa fasst<br />

zusammen, „dass die meisten der in der Agenda<br />

vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der Gerechtigkeitsbilanz der Bundesrepublik<br />

beitragen werden“ (Meyer 2004: 186). Wie<br />

kommt es dann aber dazu, dass die Wähler so<br />

‚uneinsichtig‘ auf eine noch gerechtere Politik<br />

reagieren? In der Diskrepanz zwischen diesem<br />

analytisch fundierten, objektiviertem Messbefund<br />

und der Ablehnung dieses vermeintlichen<br />

Mehr an Gerechtigkeit durch die Wählerschaft<br />

werden genau die Probleme sichtbar, die sich<br />

aus der Nichtberücksichtigung kultureller Deutungsmuster<br />

für die Entwicklung politischer<br />

Strategien wie auch für deren programmatische<br />

Begründung ergeben.<br />

Zunächst ist es ohne jeden Zweifel notwendig,<br />

die philosophischen Annäherungen durch<br />

empirische Abbildungen der Gerechtigkeitsbilanzen<br />

zu ergänzen. Allerdings bewegen sich<br />

die von Merkel vorgeschlagenen Operationalisierungen<br />

der Gerechtigkeit auf hoher Aggregatebene,<br />

eine Forschungskonzession an den<br />

Wunsch, verschiedene Länder vergleichen zu<br />

wollen. Als Messinstrumente für die Wahrscheinlichkeit,<br />

in der jeweiligen nationalen Wählerschaft<br />

Zuspruch für neue Verständnisse von<br />

Gerechtigkeit zu erhalten, sind die hier gewähl-<br />

13<br />

ten Indikatoren jedoch problematisch. Gerechtigkeit,<br />

gemessen in den hier vorgeschlagenen<br />

Kriterien, ist als begriffliches Konzept nämlich<br />

zu weit von der Erfahrungs- und Lebenswelt<br />

derjenigen entfernt, mit denen ein Einverständnis<br />

über neue Gerechtigkeitsdimensionen erzielt<br />

werden muss. Die Akzeptanz der Agenda–Politik<br />

bemisst sich eben nicht oder nur unwesentlich<br />

an der relativen Position Deutschlands im<br />

Vergleich zu anderen Industrieländern, sondern<br />

im Vergleich zu der Distanz zum status quo ante<br />

und an dem Maße der Konsistenz der neuen<br />

Politiken mit den vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen.<br />

Auch ist es notwendig, zwischen<br />

verschiedenen gesellschaftlichen Milieus,<br />

Gruppen und Schichten und ihren ‚belief systems‘<br />

zu differenzieren, um nicht eine Gerechtigkeitsidee<br />

für die ‚falschen‘ Wähler zu entwickeln.<br />

Nötig sind mithin empirisch überprüfbare<br />

Gerechtigkeitskonzepte und – operationalisierungen,<br />

die näher an die historisch gewachsenen<br />

und ‚gefühlten‘ Gerechtigkeitsverständnisse<br />

in Deutschland herankommen. Nur durch<br />

die systematische Einbeziehung der je spezifischen<br />

Deutungsmuster der nationalen politischen<br />

Kulturen wird man frühzeitig Haarrisse im Konsens<br />

erkennen und Entfremdungen vermeiden<br />

können. Die europäischen politischen Kulturen<br />

weisen, dies wird sehr häufig in vergleichenden<br />

Forschungsprojekten ‚übersehen‘ bzw. messtechnisch<br />

nur unzureichend erfasst, zum Teil<br />

höchst unterschiedliche Bewertungsmuster und<br />

Duldungspotenziale auf, was die Thematik der<br />

sozialen Gerechtigkeit angeht. Für eine empirische<br />

Fundierung der Gerechtigkeitsdebatte in<br />

der SPD käme es also vor allem darauf an, die<br />

Begleitforschung an Projekten auszurichten,<br />

wie sie über Jahre hinweg etwa von Edeltraud<br />

Roller oder Michael Vester und seiner Forschungsgruppe<br />

zur sozialen Schichtung oder<br />

zu den Einstellungen zum Sozialstaat bearbeitet<br />

worden sind. Die aus diesen beiden Forschungstraditionen<br />

seit geraumer Zeit konstant vermeldeten<br />

Tendenzen zur sozialen ‚Exklusion und

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