Der Arztvertrag, insbesondere die Haftung des Arztes

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WOLFGANG WIEGAND: Der Arztvertrag, insbesondere die Haftung des Arztes 91 oder aufheben. Unter diesen Umständen erscheint es mir angemessen, wie folgt vorzugehen: Der aufbewahrungspflichtige Arzt muss von den Unterlagen Fotokopien oder sonstige Duplikate erstellen und diese dem Patienten herausgeben. Die Kosten hat der Patient, gegebenenfalls die Krankenkasse zu tragen. Dieses Vorgehen halte ich für die einzige Möglichkeit, den Konflikt zu lösen, der sich aus der Aufbewahrungspflicht des Arztes einerseits und dem Herausgaberecht des Patienten andererseits ergibt. Dadurch entschärft sich auch die heikle sachenrechtliche Problematik, wer Eigentümer der Unterlagen sei. Es ist nämlich zumindest fraglich, ob die verbreitete Praxis grosser Spitäler und medizinischer Institute einer Überprüfung standhält, wonach etwa durch den Aufdruck auf Röntgenaufnahmen «Eigentum des X-Spitals» die sachenrechtliche Lage geklärt werden soll. Eine eigentliche Lösung des Problems kann auch gar nicht von einem sachenrechtlichen Ansatz her erfolgen. Vielmehr ist nach dem hier skizzierten Modell vorzugehen. 4. Zusammenfassung Ich komme damit zu dem eigentlichen Hauptpunkt, nämlich dem Inhalt des Arztvertrages, zurück und fasse wie folgt zusammen: Der Arztvertrag ist als Auftrag im Sinne des Obligationenrechts mit allen damit verbundenen Konsequenzen zu qualifizieren. Im Mittelpunkt dieses Rechtsverhältnisses steht der Behandlungsauftrag des Patienten an den Arzt. Dieser ist, sofern er nicht ganz individuell konkretisiert wird, gemäss den berufsspezifischen Standards auszuführen. Das heisst nichts anderes, als dass die ärztlichen Handlungen nach medizinischen Regeln und Massstäben zu erfolgen haben, dass darüber hinaus aber die allgemeine Sorgfaltspflicht und die vertragstypischen Pflichten die vom Arzt geschuldete vertragsgemässe Leistung umreissen; weicht er in irgendeinem Punkt von diesen Pflichten ab, so stellt sich die Frage seiner Haftung, der ich mich nunmehr zuwende. II. Die Haftung des Arztes A. Die Problematik ärztlicher Haftung Die Frage nach der Haftung des Arztes erweist sich als überaus komplex. Diese Komplexität hat ihre Ursache in der immer wieder hervorgehobenen Besonderheit des Arzt/Patienten-Verhältnisses und der unterschiedlichen Perspektive, aus der Juristen und Mediziner dieses Verhältnis betrachten. In-
92 WOLFGANG WIEGAND: Der Arztvertrag, insbesondere die Haftung des Arztes folgedessen löst die Problematik der ärztlichen Haftung bei Medizinern und Juristen ganz unterschiedliche Reaktionen aus. 1. Die Sorge der Mediziner Ärzte betrachten ihr Verhältnis zum Patienten in erster Linie als ein Vertrauensverhältnis. Sie befürchten, dass die Arzt/Patienten-Beziehung in zunehmendem Masse in den Hintergrund tritt und durch rechtliche Gesichtspunkte überlagert wird. Es geht bei diesen Befürchtungen nicht nur um die Verrechtlichung des Vertrauensverhältnisses, sondern auch darum, dass der Arzt die Gefahr der Haftung wie ein Damoklesschwert über sich spürt und sein Verhalten gewollt oder ungewollt dadurch beeinflusst wird. Das kann dazu führen, dass sich der Arzt aus Angst vor Fehlern und ihren möglichen Folgen nicht mehr für diejenigen Massnahmen entscheidet, die er an sich für geboten hält. Diesen Zusammenhang umschreibt man üblicherweise mit dem (heute verbreiteten) Schlagwort von der defensiven Medizin. Eine derartige Zurückhaltung der Ärzte kann aber weder im Interesse des individuellen Patienten noch im Interesse der Allgemeinheit liegen, da sie sowohl die Risikobereitschaft des Arztes bei der Heilung des einzelnen Patienten als auch die Entwicklung der medizinischen Wissenschaft als Ganzes beeinträchtigt. Diese Bedenken bedürfen jedoch ihrerseits wiederum der Relativierung. Es gehört nämlich zu den selbstverständlichen und gerade beabsichtigten Konsequenzen von Haftungsregeln, dass die davon Betroffenen ihr Verhalten entsprechend regulieren. Haftungsregeln haben im juristischen System zumindest auch die Funktion, die Betroffenen zur Beachtung der gebotenen Sorgfalt anzuhalten 13 . Infolgedessen stellt die Reaktion der Ärzte für den Juristen an sich keine Überraschung dar; sie ist vielmehr typisch und anderen Reaktionen ähnlich, die in vergleichbaren Situationen entstehen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Arzthaftung im Zusammenhang mit der generellen Ausbreitung des Konsumentenschutzes gesehen werden muss l4 . Gewissermassen als Symbol dieses Konsumentenschutzes gilt die Produktehaftpflicht. Die zunehmende Anerkennung und Ausdehnung der Produktehaftpflicht hat bei der Industrie Reaktionen ausgelöst, die denen der Ärzte durchaus gleichen. Auch hier wurde die Besorgnis geäussert, dass die sich ständig verschärfende Produktehaftpflicht die Risikobereitschaft hemmen und die Innovation praktisch ersticken würde. Die rasante Entwicklung gerade der amerikanischen Wirtschaft in den letzten Jahren hat jedoch derar- " Vgl. dazu mit umfassenden Nachweisen: ADAMS. Ökonomische Analyse der Gefährdungsund Verschuldenshaftung. (Heidelberg 1985). S. 1 ff. 14 Vgl. Tagungseröffnung. oben S. 14.
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