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Der Arztvertrag, insbesondere die Haftung des Arztes

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112 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Der</strong> <strong>Arztvertrag</strong>, <strong>insbesondere</strong> <strong>die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong><br />

der Fahrlässigkeitsbegriff und damit das Tatbestandsmerkmal <strong>des</strong> Verschuldens<br />

den besonderen Bedingungen <strong>des</strong> Arbeitsrechts angepasst. Auch im Arbeitsrecht<br />

ist <strong>die</strong> Sorgfaltspflichtverletzung nach objektiven Massstäben zu<br />

beurteilen, dagegen sind bei der Frage <strong>des</strong> konkreten Verschuldens <strong>des</strong> individuellen<br />

Arbeitnehmers <strong>die</strong> in Art. 321 e aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.<br />

Mit <strong>die</strong>ser Massgabe kann Art. 321 e im Zusammenhang mit der<br />

Bezugnahme in 398 Abs. 1 OR auch für <strong>die</strong> Beurteilung <strong>des</strong> ärztlichen Verschuldens<br />

herangezogen werden.<br />

Daraus ergibt sich, dass bei der Frage, ob der Arzt fahrlässig gehandelt hat,<br />

anders als bei einer gewöhnlichen Vertragsverletzung <strong>die</strong> individuelle Leistungsfähigkeit<br />

und <strong>insbesondere</strong> das Berufsrisiko zu berücksichtigen sind. Auf<br />

<strong>die</strong>se Weise lassen sich gerade jene Aspekte erfassen, <strong>die</strong> in dem oben zitierten<br />

Bun<strong>des</strong>gerichtsentscheid anklingen: So kann es in der Tat sein, dass<br />

durch ein geringfügiges Versehen bei einer Operation ein aussergewöhnhcher<br />

Schaden eintritt, oder es kann sich ein typisches Risiko verwirklichen, das<br />

zwar vermeidbar ist, statistisch aber doch nicht ausgeschlossen werden kann.<br />

Mit dem Übergang zu einer derart individuellen Betrachtungsweise ist es<br />

auch möglich, Situationen zu erfassen, <strong>die</strong> im ärztlichen Leben alltäglich<br />

sind, so <strong>die</strong> Notwendigkeit einer raschen Entscheidung bei Dringlichkeit, <strong>die</strong><br />

Arbeit unter extrem ungünstigen Bedingungen - etwa an einem Unfallort. In<br />

all <strong>die</strong>sen Fällen genügt der Arzt der ihm obliegenden Behauptungs- und Beweislast,<br />

wenn er Umstände vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er in der<br />

konkreten Situation zwar nicht <strong>die</strong> objektiv mögliche Sorgfalt, wohl aber <strong>die</strong> zumutbare<br />

und ihm konkret mögliche Sorgfalt angewendet hat. Die Frage, ob unter<br />

<strong>die</strong>sen Umständen Fahrlässigkeit anzunehmen ist oder nicht, bleibt<br />

Rechtsfrage - sie ist vom Richter zu entscheiden.<br />

Die zuvor dargelegte Modifizierung <strong>des</strong> Fahrlässigkeitsmassstabes darf<br />

freilich nicht dazu führen, dass der Arzt in einer für den Patienten unzumutbaren<br />

Weise von der <strong>Haftung</strong> entlastet wird. Es ist <strong>des</strong>halb darauf hinzuweisen,<br />

dass eine Entlastung nicht in Betracht kommt, wenn der Arzt aufgrund<br />

mangelnder Weiterbildung nicht über den allgemein zugänglichen neuesten<br />

Wissensstand verfügte oder wenn er eine Tätigkeit übernommen hat, zu der<br />

ihm <strong>die</strong> entsprechende Ausbildung fehlte, obwohl <strong>die</strong> Zuziehung eines Spezialisten<br />

möglich gewesen wäre. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang spricht man vom<br />

sogenannten Übernahmeverschulden. Ein derartiges Übernahmeverschulden<br />

liegt auch bei Durchführung von Operationen und sonstigen Heilbehandlungen<br />

im Zustand der Erschöpfung und Übermüdung vor, auch wenn der<br />

Dienstplan eines Spitals das vorsehen sollte. Denn ebensowenig wie wir den<br />

übermüdeten Kraftfahrer von der <strong>Haftung</strong> für eventuelle Unfallfolgen entlasten<br />

können, darf <strong>die</strong>s beim Arzt geschehen - den Notfall immer vorbehalten.

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