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Der Arztvertrag, insbesondere die Haftung des Arztes

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94 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Der</strong> <strong>Arztvertrag</strong>, <strong>insbesondere</strong> <strong>die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong><br />

Verstoss <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> den Eltern <strong>die</strong> Möglichkeit einer Abtreibung verwehrt<br />

habe. Dies impliziert einen zunächst verdeckten Vorwurf, der den Gerichten<br />

jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereitete: Eine <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> kommt<br />

nämlich nur dann in Betracht, wenn man ihn für verpflichtet hält, Untersuchungen<br />

durchzuführen und über Möglichkeiten aufzuklären, deren Endergebnis<br />

eine Abtreibung darstellt. Verallgemeinert kann man <strong>die</strong> Frage dahin<br />

formulieren, ob überhaupt eine vertragliche Verpflichtung zur Aufklärung<br />

über <strong>die</strong> Möglichkeit, zur Vorbereitung, Mitwirkung oder Durchführung einer<br />

Abtreibung wirksam begründet werden kann. <strong>Der</strong> deutsche Bun<strong>des</strong>gerichtshof<br />

hat <strong>die</strong> Frage bejaht - nicht zuletzt <strong>des</strong>halb, weil andernfalls zwischen<br />

Arzt und Patient ein vertragsloser Zustand bestünde und damit Regelungen<br />

<strong>des</strong> Deliktsrechts zur Anwendung kommen könnten. Für <strong>die</strong> Schweiz<br />

wird man im Ergebnis <strong>die</strong>ser Auffassung zustimmen müssen 18 .<br />

<strong>Der</strong> deutsche Bun<strong>des</strong>gerichtshof ist jedoch nicht dabei stehengeblieben,<br />

sondern einen Schritt weitergegangen: Als nächstes ergibt sich nämlich <strong>die</strong><br />

Frage, ob bei anderem Verhalten <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> eine Abtreibung überhaupt<br />

durchgeführt worden wäre. <strong>Der</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshof auferlegt dem Arzt <strong>die</strong> Beweislast<br />

dafür, dass <strong>die</strong> Patientin auch bei rechtzeitiger Information über <strong>die</strong><br />

Fehlentwicklung der Leibesfrucht keine Abtreibung hätte vornehmen lassen 1 ' 1 .<br />

Es geht hier nicht darum, <strong>die</strong>se Wertungen wiederum zu bewerten oder zu<br />

kritisieren, sodern darum aufzuzeigen, dass es sich um Wertungen handelt,<br />

noch dazu um Wertungen, <strong>die</strong> den Grenzbereich der Jurisprudenz berühren<br />

oder gar überschreiten.<br />

Noch deutlicher wird <strong>die</strong>se Problematik, wenn man nach Bejahung der<br />

vorausgegangenen Schritte zum eigentlichen Kernpunkt gelangt: der Frage<br />

nach dem Schaden. Wer ist durch <strong>die</strong> Geburt eines kranken Kin<strong>des</strong> geschädigt?<br />

In Betracht kommen <strong>die</strong> Eltern und das Kind selbst. Für <strong>die</strong> Eltern<br />

kann man <strong>die</strong> Frage noch relativ leicht beantworten. Das Aufziehen eines<br />

Kin<strong>des</strong> wird auch in anderen Lebensbereichen, etwa bei Scheidungen und<br />

Unterhaltsverfahren, in Franken und Rappen berechnet und damit kommerzialisiert.<br />

Infolge<strong>des</strong>sen ist es nichts Ungewöhnliches, wenn <strong>die</strong> Gerichte in<br />

den hier zur Diskussion stehenden Fällen etwa einen Schadensersatz in Höhe<br />

<strong>des</strong> Unterhalts oder wenigstens <strong>des</strong> Mehraufwands zubilligen. <strong>Der</strong> Schadensersatzanspruch<br />

<strong>des</strong> missgebildeten Kin<strong>des</strong> selbst macht dagegen mit aller<br />

Deutlichkeit <strong>die</strong> Ratlosigkeit der Juristen in <strong>die</strong>sen Grenzbereichen sichtbar.<br />

Es geht hier nicht darum, <strong>die</strong> weltweit geführte Diskussion um das soge-<br />

18 Das bedeutet nur. dass ein entsprechender Vertrag nicht gemäss Art. 20 OR {wegen Sittenoder<br />

Rechtswidrigkeit) nichtig ist. so dass aus <strong>die</strong>sem Vertrag Pflichten zur Abklärung. Vorbereitung<br />

oder Durchführung einer Abtreibung entstehen. Selbstverständlich kann der Arzt (aus ethischen<br />

oder sonstigen Motiven) das Auftragsverhältnis gemäss Art.404 OR durch Widerruf auflösen<br />

oder von vornherein je<strong>des</strong> Tätigwerden im Hinblick auf eine Abtreibung verweigern.<br />

" Siehe dazu unten S. 113 ff.

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