Der Arztvertrag, insbesondere die Haftung des Arztes

WOLFGANG WIEGAND: Der Arztvertrag, insbesondere die Haftung des Arztes 113
D. Schadenersatz wegen fehlender oder ungenügender Aufklärung 57
1. Tendenz in Richtung eines Ausweich- und Auffangtatbestandes
Wenn ich in diesem Zusammenhang auch auf Haftungsansprüche wegen
Verletzung der Aufklärungspflicht eingehe, so geschieht das vor allem deshalb,
weil mit Hilfe dieser juristischen Konstruktion vielfach versucht wird,
den schwierigen Nachweis eines ärztlichen Sorgfaltsverstosses zu umgehen.
In der internationalen Entwicklung zeichnet sich deshalb eine Tendenz in
Richtung eines Ausweich- oder Auffangtatbestandes ab. Das schweizerische
Bundesgericht 58 ist dieser Tendenz gefolgt und hat die Haftung bei unzureichender
Zustimmung des Patienten aufgrund mangelhafter Aufklärung folgendermassen
begründet:
«3. - L'exigence d'un consentement eclaire se deduit directement du droit du patient
ä la liberte personnelle et ä l'integrite corporelle: eile est liee ä l'existence d'un risque
inherent ä tout acte medical, risque qui ne peut etre assume que par celui qui y est expose.
Le medecin donc qui fait une Operation sans informer son patient ni en obtenir
l'accord commet un acte contraire au droit et repond du dommage cause, que Ton voie
dans son attitude la violation de ses obligations de mandataire ou une atteinte ä des
droits absolus et, partant, un delit civil. L'illiceite d'un tel comportement affecte l'ensemble
de l'intervention et rejaillit de la sorte sur chacun des gestes qu'elle comporte.
meme correctement executes du point de vue medical. Le medecin doit donc reparation
pour tout dommage decoulant de l'echec total ou partiel de l'operation, lors meme
qu'il n'aurait viole aucune des regles de l'art (HINDERUNG, Die ärztliche Aufklärungspflicht,
p.74; LOEFFLER, Die Haftung des Arztes aus ärztlicher Behandlung, p. 16 et
96s.; SAVATIER, La responsabilite civile, 2 e ed., n°782: SAVATIER/AUBY/SAVATIER/PE-
QUIGNOT, Traite de droit medical, p.229 et 259; LALFS, Arztrecht, 2 e ed., n°69; STAL-
DINGER, Kommentar zum BGB, 10/1 l e ed. n° 398 ad par.823). Le risque de l'acte medical,
normalement Supporte par le patient, passe au praticien qui intervient sans obtenir
le consentement eclaire qu'il aurait pu et du solliciter (KORNPROBST, Responsabilites du
medecin, p.438; NEY, La responsabilite des medecins, these Lausanne 1979, p. 106s.).»
In der ausführlich wiedergegebenen Begründung des Bundesgerichtes
fliessen dogmatische Elemente aus verschiedenen Rechtsordnungen ineinander,
wie es sich sowohl aus den Literaturnachweisen im Urteil als auch aus
der verwendeten Terminologie ergibt. Dies kann nicht darüber hinwegtäuschen,
dass die Haftung für den sogenannten Aufklärungsschaden'''' als solche
systemwidrig ist, weil sie den im Zusammenhang mit dem Sorgfaltsverstoss
dargelegten Grundvoraussetzungen einer jeden Schadensersatzhaftung in we-
17 Zum folgenden insbes. STÜRNER, SJZ 1984. S. 127 f.
SS BGE 108 U 59 ff., Zitat S. 62.
" Die Begriffsbildung ist uneinheitlich, vielfach wird darunter auch der Schaden verslanden,
der durch Aufklärung (z.B. Schock) entsteht.