3611S70005 - DORIS - Bundesamt für Strahlenschutz
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44 [EMF SPEKTRUM: LITERATUR ZU WAHRNEHMUNG UND KOMMUNIKATION] <br />
2004). Deutlich wird, das der Nuklear-‐Industrie zwar eine technische Kompetenz zugespro-chen<br />
wird, sie aber in Bezug auf die Orientierung am Gemeinwohl (der Wille, die Gesundheit <br />
der Bevölkerung zu schützen) und bezüglich ihrer Integrität negativ bewertet wird. <br />
Allerdings erlauben die Studien -‐ wegen ihres nicht-‐experimentellen Designs -‐ keine Aussa-gen<br />
über kausale Beziehungen. Es lässt sich nicht sagen, ob Risiko-‐Wahrnehmung das Ver-trauen<br />
beeinflusst oder umgekehrt. Die von Slovic (1993) herausgestellte Vertrauens-‐<br />
Asymmetrie (Vertrauen ist leichter verloren als gewonnen) konnten White und Eiser (2006) <br />
nicht bestätigen. Sie konnten <strong>für</strong> das nukleare Risiko-‐Management zeigen, dass hier die Spe-zifität,<br />
mit der über vertrauensrelevante Sachverhalte berichtet wird, einen signifikanten <br />
Einfluss hat. Auf den Punkt gebracht: Geht es um allgemeine Grundsätze und Vorgehenswei-sen,<br />
so haben positive und negative Botschaften einen vergleichbaren Einfluss auf Vertrau-en.<br />
Differenzen zeigen sich erst, wenn es sich um ganz konkrete (und damit besser beurteil-bare)<br />
Ereignisse handelt. Erst dann setzt sich die Vertrauens-‐Asymmetrie durch. <br />
Risiko-‐Wahrnehmung <br />
Untersuchungen zur Risiko-‐Wahrnehmung von ionisierender Strahlung beziehen sich zu-meist<br />
auf Kernkraftwerke, radioaktiven Abfall sowie Endlager (Slovic et al. 1991) An zweiter <br />
Stelle steht Radon (Lee 1992). Studien zur Bewertung von Strahlungs-‐Risiken medizinischer <br />
Anwendungen sind ausgesprochen selten (Baumann 2011). <br />
Viele psychometrische Studien, die sich an der von Slovic (1987) entwickelten Methodik zur <br />
Erhebung von Risiko-‐Wahrnehmung orientieren, haben auch die Wahrnehmung des “Atom-kraft”-‐<br />
Risikos im Vergleich mit anderen Risiko-‐Quellen untersucht. In diesen Studien zeigt <br />
sich konsistent, dass Atomkraft zu den dominanten Risiken gezählt wird (siehe dazu Rohr-mann<br />
1998). Dabei wurden immer wieder auch Differenzen zwischen Experten und Laien <br />
gefunden. So haben Höpp und von Kries (2004) Eltern, Politiker und Experten befragt, wie sie <br />
das Risiko <strong>für</strong> an die 40 unterschiedliche Umwelt-‐Einflüsse bewerten. Eltern sprachen hier <br />
der Strahlung durch Atomkraftwerke ein weit größeres Risiko zu, als das die befragten Ärzte. <br />
Außerdem zeigen Studien, dass nukleare Technologien ein negatives Stigma aufweisen, d.h. <br />
sie sind eng mit negativen Emotionen assoziiert (Flynn et al. 1993, Slovic et al. 1993). Bei-spielsweise<br />
fanden Slovic et al. (1991), dass mit dem Begriff „nukleares Endlager“ (nuclear-waste<br />
storage facility) vor allem „Tod“, „Verschmutzung“ oder „schlecht“ verbunden wur-den.<br />
Mit Hilfe von Struktur-‐Gleichungs-‐Modellen haben Peters, Burraston & Mertz (2004) <br />
aufgezeigt, dass das Ausmaß der Stigmatisierung vor allem von den negativen Emotionen <br />
abhängt, die diese Strahlenquellen auslösen. Stigmatisierung führt dabei zu einer erhöhten <br />
Risiko-‐Wahrnehmung. Radon hat sich in Deutschland bislang nicht als eigenständiges Thema <br />
<strong>für</strong> Risiko-‐Wahrnehmungs-‐Studien etablieren können, ganz im Gegensatz zu den USA, wo <br />
dieses Thema nach wie vor eine hohe Aufmerksamkeit besitzt (Hill et al. 2004). <br />
Obwohl empirische Untersuchungen keinen systematischen Zusammenhang zwischen dem <br />
(Fakten-‐) Wissen über ein Risiko und der Risiko-‐Beurteilung aufzeigen konnten, sind die Vor-stellungen<br />
und Überzeugungen, die Menschen in Bezug auf ein Risiko haben, sehr wohl von <br />
Bedeutung, wenn es um die Risiko-‐Kommunikation geht. <br />
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