AUDIO TEST Stereo + Surround (Vorschau)
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Die Grafik zeigt eine korrekte Lautsprecheraufstellung, wie sie vom ITU-Kreis vorgegeben wird. Das<br />
9.1-Set besteht aus zusätzlichen Back-<strong>Surround</strong>- und Höhenlautsprechern<br />
Spezielle Kunstkopfaufnahmen bieten noch<br />
mehr Räumlichkeit<br />
räumlichen Tiefe einzuschätzen, als wir es<br />
von der Darstellung direkt vor oder hinter<br />
einem Lautsprecher kennen. Deshalb ist<br />
es mit den bisherigen <strong>Surround</strong>-Systemen<br />
noch nicht möglich, eine exakte 360-Grad-<br />
Darstellung mit gleichbleibender Lokalisations-<br />
und Tiefendarstellung zu erreichen.<br />
Eine Übertragungsform, die dies weitestgehend<br />
ermöglicht, ist die Wellenfeldsynthese,<br />
die aufgrund ihrer hohen Anzahl<br />
an Lautsprechern bisher jedoch nicht auf<br />
das Heimkino übertragbar ist.<br />
<strong>Surround</strong> über Kopfhörer<br />
Wird Musik über Kopfhörer wiedergegeben,<br />
ergibt sich keine Lokalisation des<br />
Schallereignisses neben, vor oder hinter<br />
dem Zuhörer. Dabei spricht man von der<br />
„In-Kopf-Lokalisation“ (IKL). Mit aufgesetztem<br />
Kopfhörer ist unser Hörvermögen<br />
lediglich auf die Parameter links und rechts<br />
beschränkt, da das Hören von vorn, hinten<br />
sowie oben und unten entfällt. Eine<br />
echte Tiefenstaffelung ist somit bereits<br />
aus evolutionären Gründen nicht möglich.<br />
Bereits im <strong>Stereo</strong> betrieb kann<br />
ein Kopfhörer niemals an<br />
eine korrekte lautsprecherbasierte<br />
Schallwandlung<br />
heranreichen<br />
und stößt bei der<br />
<strong>Surround</strong>-Wieder gabe<br />
sogar noch schneller<br />
an seine Gren zen.<br />
Die bei einer <strong>Surround</strong>-Aufnahme<br />
eingefangenen<br />
Details und<br />
räumlichen Verhältnisse<br />
werden dabei zu stark<br />
verfälscht übertragen.<br />
Das gesamte akustische<br />
Geschehen wird auf den<br />
schma len Bereich zwischen<br />
den Ohren komprimiert und<br />
das einst umhüllende Orchester spielt<br />
auf diesem Übertragungsweg direkt im<br />
Kopf. Die aufgezeigten Nachteile stehen<br />
im deutlichen Gegensatz zu der sonst angestrebten<br />
naturgetreuen Wiedergabe.<br />
Trotz der unterschiedlichsten Lösungsansätze<br />
und Technologien bieten die verschiedenen<br />
Bemühungen bislang kein<br />
ausgereiftes Produkt. Auch die technisch<br />
aufwendigsten Kopfhörer schaffen es<br />
nicht, dasselbe Gefühl zu vermitteln, das<br />
in einem Konzertsaal entsteht, wenn man<br />
einzelne Orchesterinstrumente im Raum<br />
einwandfrei lokalisiert. Die Kopfhörerwiedergabe<br />
wird zudem der Natürlichkeit<br />
kaum mehr gerecht. Wird in der Natur ein<br />
Geräusch von nur einer Seite wiedergegeben,<br />
nehmen wir dies stets mit beiden Ohren<br />
wahr. Kommt das über den Kopfhörer<br />
übertragene Signal jedoch nur von links,<br />
entsteht für uns ein ungewohntes Klangbild.<br />
Die bisher realistischste Variante der<br />
Kopfhörer übertragung ist gleichzeitig auch<br />
die aufwendigste und einseitigste. Die<br />
Rede ist von der sogenannten Kunstkopftechnologie.<br />
Während der Tonaufnahmen<br />
kommt eine realistische<br />
Nachbildung des menschlichen<br />
Kopfes zum Einsatz, in<br />
dessen aus Silikon gefertigten<br />
Ohren und Gehörgang<br />
jeweils ein Kugelmikrofon<br />
eingebaut ist. Durch die<br />
genaue Nachbildung des<br />
menschlichen Originals<br />
sollen die gleichen Reflexions-<br />
und Abschattungsverhalten<br />
wie beim Menschen<br />
erreicht werden. Mit dem<br />
Kunstkopf werden sehr realistische<br />
Aufnahmen erlangt,<br />
die bei der Kopfhörerwiedergabe<br />
sehr nah an das Original heranreichen.<br />
Funktioniert bei jenen Aufnahmen<br />
die Links-rechts-Lokalisation sehr<br />
gut, treten die größten Probleme bei der<br />
Vorne-Lokalisation auf, die nur sehr ungenau<br />
wiedergegeben wird. Ein weiterer<br />
Nachteil dieses Verfahrens ist der sehr<br />
hohe Kostenaufwand des Kunstkopfsystems,<br />
dessen Ergebnis zudem lediglich<br />
für die Kopfhörerwiedergabe geeignet ist.<br />
Würde man eine Kunstkopfaufnahme über<br />
ein herkömmliches Lautsprechersystem<br />
wiedergeben, währe das Klangergebnis<br />
unverhältnis mäßig verzerrt.<br />
Eine ganz andere Methode des dreidimensionalen<br />
Hörens stammt von Professor<br />
Edgar Choueiri von der Princeton<br />
School of Engineering. Choueiri bemängelt<br />
die fehlende Lokalisationsschärfe bei<br />
einer herkömmlichen Lautsprecheranordnung,<br />
die sich selbst im <strong>Surround</strong>-Betrieb<br />
nicht wesentlich verbessern würde. Das<br />
Hauptproblem sei das Übersprechen der<br />
beiden Frontkanäle direkt an den Ohren<br />
des Zuhörers. Mit einer speziellen Crosstalk-Cancellation-Technik<br />
(XTC) soll dieses<br />
„Problem“ überwunden und die Lokalisationsschärfe<br />
sowohl in der Breite als auch in<br />
der Tiefe der Abbildung noch realitätsnäher<br />
dargestellt werden. Grundvoraussetzung<br />
für dieses Prinzip ist die Schallaufzeichnung<br />
mittels eines Kunstkopfmikrofons, wie es<br />
bisher ausschließlich bei der binauralen<br />
Kopfhörerstereofonie verwendet wurde.<br />
Mittels spezieller Algorithmen, die Phasenverschiebungen<br />
sowie -auslöschungen<br />
beinhalten, soll die Crosstalk*-Kompensation<br />
soweit gelingen, dass kein Übersprechen<br />
der Kanäle auf das gegenüberliegende<br />
Ohr mehr stattfindet. Die bisher<br />
rein für die Kopfhörerwiedergabe angefertigten<br />
Schallaufnahmen sollen so erstmals<br />
ebenbürtig auf ein <strong>Stereo</strong>lautsprecherpaar<br />
übertragen werden. Die Bewegungsfreiheit,<br />
die ein Kopfhörer bietet, bleibt bei<br />
Choueiris selbst betitelter Pure-<strong>Stereo</strong>-3D-<br />
Bilder: Auerbach Verlag, Dynaudio, Neumann, Sennheiser<br />
24 <strong>AUDIO</strong> <strong>TEST</strong> | 4.2011 | www.audio-test.atww.audio-test.at<br />
* Für hervorgehobene Fachbegriffe finden Sie die Erklärung auf Seite 89