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Personenverkehr <strong>1975</strong>: 110 506 mit D 614 (in „Pop-Farben“) in Bingerbrück (l.) und ein 430 im Ruhrgebiets-Nahverkehr (r.)<br />
J. A. Bock (l.), L. Rotthowe (r.)<br />
ZUM THEMA DAMPFLOK <strong>1975</strong>: DER ABSCHIED NAHT<br />
Der Wirtschaftsaufschwung der frühen<br />
sich Ende des Jahres von den Gleisen. Damit<br />
70er-Jahre war <strong>1975</strong> längst vorbei, so waren dampfgeführte Reisezüge zur absoluten<br />
Rarität geworden und beschränkten sich<br />
dass die DB die schwarzen Rösser nicht mehr<br />
als Reserve brauchte. Vielmehr konnte sie bei auf Kurzstrecken. Während die Bestände der<br />
der Ausmusterung von Dampfloks nun zunehmend<br />
aus dem Vollen schöpfen. So mussten blieben, reichten bei den „Massenbaureihen“<br />
Baureihen 042 und 043 weitgehend stabil<br />
die Rheiner 012 als letzte Schnellzugloks im 044 und 050-053 schon kleine Schäden für<br />
Mai <strong>1975</strong> den im Schwarzwald arbeitslos gewordenen<br />
220 weichen, und die 023 als<br />
wann die Fristen abliefen. Die Emslandstre-<br />
die Abstellung – ganz unabhängig davon,<br />
letzte Nachkriegs-Neubaulok verabschiedete cke, das Ruhrgebiet mit seinem weit verzweig-<br />
ten Streckennetz, Teile des Saarlandes, Ulm<br />
und Crailsheim sowie die Einsatzgebiete der<br />
niedersächsischen Bahnbetriebswerke Lehrte<br />
und Ottbergen waren die letzten Hochburgen<br />
der Dampftraktion und zogen die Fotografen<br />
an. Und mancherorts entstanden Sammelplätze<br />
für die ausgedienten Maschinen – von<br />
dort gab es nur noch ein Fahrtziel, den Ort,<br />
wo Männer mit Schweißbrennern warteten ...<br />
MARTIN WELTNER<br />
Da ist die 023 noch im Einsatz: Am 14. März <strong>1975</strong> wendet 023 018<br />
auf der ländlich platzierten Drehscheibe in Lauda Ludwig Rotthowe<br />
In Jerxheim warten im August <strong>1975</strong> abgestellte 023 und 050 aus<br />
Crailsheim auf die Verschrottung in Braunschweig Martin Weltner<br />
querbahn Mayen – Daun – Gerolstein (also<br />
nicht betroffen?), aber die Hauptstrecke Euskirchen<br />
– Gerolstein – Ehrang war dabei …<br />
Überhaupt schienen zum Thema „betriebswirtschaftlich<br />
optimales Bahnnetz“ gar keine<br />
sinnvollen Definitionen zu bestehen. Es wurden<br />
nicht selten recht fragwürdig einzelne Streckenabschnitte<br />
untersucht, ohne in irgendeiner<br />
Form deren Netzwirkung zu berücksichtigen.<br />
So fiel der 18 Kilometer lange Hauptbahnabschnitt<br />
Wiesau – Marktredwitz (einzige Zwischenstation<br />
dort: Bahnhof Pechbrunn) zumindest<br />
zeitweise aus dem betriebswirtschaftlich<br />
optimalen Netz heraus mit der hanebüchenen<br />
Begründung, Schnellzüge Regensburg – Hof<br />
könnten auch über den Umweg Nürnberg –<br />
Bayreuth geleitet werden. Und noch ein pikantes<br />
Detail am Rande: Von <strong>1975</strong> bis 1977 war im<br />
mit derartigen Berechnungen befassten Bundesfinanzministerium<br />
unter anderem ein aufstrebender<br />
höherer Beamter tätig. Ach ja, sein<br />
Name fehlt noch: Thilo Sarrazin …<br />
Die weitere Entwicklung<br />
So düster die Aussichten <strong>1975</strong> schienen (und<br />
sich manche Befürchtung in der Folge bewahrheitete),<br />
nicht alles wurde letztlich verwirklicht.<br />
Die Netzreduzierung – insbesondere<br />
in der Fläche – ging wie bisher weiter, ein<br />
Kahlschlag im Sinne des „betriebswirtschaftlich<br />
optimalen Bahnnetzes“ kam aber doch<br />
nicht. Die <strong>Bundesbahn</strong> blieb auf schwierigem<br />
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Kurs und kämpfte weiterhin mit Verlusten.<br />
Wer andererseits aus der heutigen Situation<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Bahn AG heraus den Vergleich<br />
zum Bahnbetrieb <strong>1975</strong> zieht, dürfte sich wohl<br />
mehrfach verwundert die Augen reiben. Vieles,<br />
was seinerzeit im Zugverkehr und im Betriebsgeschehen<br />
alltäglich war, ist in späteren<br />
Jahren und erst recht seit der Bahnreform verschwunden.<br />
Es hat moderneren Entwicklungen<br />
und neuen Reisetrends Platz gemacht,<br />
nicht immer zum Vorteil der Schiene.<br />
Denn auch die durchrationalisierte Bahn AG<br />
der Gegenwart läuft nahezu chancenlos den anderen<br />
Verkehrsträgern hinterher. Insofern ist der<br />
Blick zurück oftmals ein Blick mit Wehmut.<br />
Zum einen, weil selbst die gebeutelte <strong>Bundesbahn</strong><br />
von damals dem aktuellen Bahnwesen<br />
manches voraus hat – und sei es nur die hier und<br />
da beschaulicher anmutende Art des Betriebs.<br />
Zum anderen, weil manche seinerzeit stillgelegte<br />
Strecke inzwischen mit Erfolg reaktiviert wurde.<br />
Da stellt sich im nachhinein schon die Frage,<br />
ob der Sparkurs der Mitt-Siebziger und der<br />
Folgejahre tatsächlich die einzig richtige Option<br />
für das Verkehrsmittel Bahn gewesen ist.<br />
Ulrich Rockelmann/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
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