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Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Mitteleinstiegswagen und eine 212 sind das Fahrzeugmaterial, das die Reisenden Richtung<br />
Wangerooge bringt. Ausfahrt aus Carolinensiel, Juli <strong>1975</strong><br />
Jürgen A. Bock<br />
unter der Nummer 905 noch eine richtige<br />
schmalspurige „Festlands-Kleinbahn“ im<br />
Kursbuch finden: Von Amstetten an der<br />
Hauptbahn Stuttgart – Ulm fuhren meterspurige<br />
Triebwagen nach Laichingen. Der<br />
Hintergrund: Hier fuhr die Württembergische<br />
Eisenbahn-Gesellschaft, eine Privatbahn,<br />
deren Züge mit im Kursbuch aufgeführt wurden.<br />
Mit sechs Zugpaaren war das Angebot<br />
gar nicht mal schlecht. Zwischen 40 und<br />
50 Minuten dauerte die 19 Kilometer lange<br />
Fahrt über die beschauliche Schwäbische Alb,<br />
inklusive vier regulären Halten und einem Bedarfshalt.<br />
Noch zehn Jahre sollte eine solche<br />
Fahrt möglich sein, bis am 31. August 1985<br />
der Personenverkehr und wenige Tage später<br />
der Güterverkehr eingestellt wurde. Heute<br />
verkehren auf dem Teilstück Amstetten – Oppingen<br />
Museumszüge mit Dampfloks oder<br />
Triebwagen.<br />
Strecke 10007<br />
Sande – Harle (– Wangerooge)<br />
Zum Abschluss noch ein Blick in den Norden,<br />
auf den Zubringer zur eben erwähnten<br />
Wangerooger Inselbahn. Dabei wies die Strecke<br />
Sande – Harle eine interessante Besonderheit<br />
auf: Die Züge verkehrten im Anschluss<br />
an die Schiffe zur Nordseeinsel<br />
Wangerooge, die in Harle anlanden. Dieser<br />
Schiffsverkehr ist von Ebbe und Flut abhängig,<br />
wobei sich die „Flut“ jeden Tag um etwa<br />
45 Minuten verschiebt. Die Schiffe verkehren<br />
im so genannten Tidefahrplan mit fast täglich<br />
wechselnden Fahrzeiten. Entsprechend wurde<br />
der Fahrplan der Anschlusszüge nach Sande<br />
auf den Schiffsfahrplan ausgerichtet; dies<br />
hatte zur Folge, dass auch die Züge nach Ebbe<br />
und Flut verkehrten. Man sprach hier deshalb<br />
von „Tidezügen“.<br />
Schiffe wie Zubringerzüge<br />
in Harle richteten<br />
sich nach Ebbe und Flut<br />
Den Fahrplan der Züge findet man deshalb<br />
nicht in einer „gewöhnlichen“ Streckentabelle<br />
mit dreistelliger Nummer, sondern<br />
zweckmäßigerweise integriert bei der Fahrplantabelle<br />
des Schiffsfahrplans. Dieser Fahrplan<br />
war im Kursbuch tagesscharf abgebildet<br />
und beanspruchte deshalb auch gleich vier<br />
Seiten nur im Sommerfahrplan. Im doppelt<br />
so langen Winterfahrplan reichten auch vier<br />
Seiten, da die Darstellung aufgrund der geringeren<br />
Bedienungsfrequenz komprimierter<br />
möglich war.<br />
Die Tabelle des Sommerfahrplans beginnt<br />
am 1. Juni <strong>1975</strong> und hier ist für die ersten drei<br />
Tage die Abfahrt des Zuges 7584 in Sande um<br />
16:21 Uhr verzeichnet. Das Anschluss-Schiff<br />
nach Wangerooge verkehrt ab Harle ebenfalls<br />
drei Tage lang unverändert um 17:40 Uhr, ungeachtet<br />
des sich verschiebenden Gezeitenwechsels.<br />
Am 4. Juni gibt es mit Zug 7580<br />
eine weitere Abfahrt um 07:42 Uhr in Sande<br />
mit Anschluss in Harle an ein Schiff um 08:45<br />
Uhr. Dieses Schiff verkehrt am 3. Juni noch<br />
um 07.40 Uhr und war offenbar für einen Anschlusszug<br />
zu früh. Der Nachmittagszug verkehrt<br />
am 4. Juni als 7586 erst um 18:14 Uhr<br />
ab Sande, rund zwei Stunden später als an den<br />
vorherigen drei Tagen. Das gleiche gilt für das<br />
Anschluss-Schiff um 19:30 Uhr ab Harle. Am<br />
5. Juni verschiebt sich die Abfahrt des Frühzuges<br />
auf 08:32 Uhr, während die Nachmittagsfahrt<br />
noch einmal gleich bleibt.<br />
So schiebt sich das ganze fort und am<br />
18. Juni ist man wieder bei der Abfahrt um<br />
16:21 Uhr, am Tag darauf wird wieder um<br />
18:14 Uhr gefahren. Es wurde also versucht,<br />
bestimmte, sich wiederholende Fahrpläne mit<br />
gleichen Zugnummern einzuhalten, die dann<br />
intern mit entsprechenden Verkehrstageregelungen<br />
versehen wurden. Für die Gegenrichtung<br />
gilt das analog. Dadurch konnten in<br />
Sande in der Regel auch gute Anschlüsse von<br />
und nach Bremen hergestellt werden. Die<br />
meisten der Tidezüge verkehrten durchgehend<br />
von/nach Wilhelmshaven, in der Tabelle<br />
an der geraden Darstellung in der Anschlussspalte<br />
erkennbar. Auf eine zusätzliche<br />
Darstellung in der Streckentabelle 215 wurde<br />
aber aus den bereits erwähnten Übersichtlichkeitsgründen<br />
verzichtet.<br />
Insgesamt verkehrten ein bis zwei Züge<br />
pro Tag. Im Herbst – hier ab 22. September<br />
<strong>1975</strong> – wurde der Zugverkehr eingestellt und<br />
es verkehrten Busse zwischen Sande und Harle.<br />
Dieser Busverkehr bestand schließlich über<br />
die ganze Winterfahrplanperiode, wo nur<br />
zwischen Sande und Jever an einzelnen Tagen<br />
Züge verkehrten. Mitte April 1976 verkehrten<br />
wieder Züge an bestimmten Tagen, wohl<br />
aufgrund des höheren Verkehrsaufkommens<br />
an Ostern – ansonsten überwog weiterhin der<br />
Busverkehr. Erst ab Mitte Mai 1976 setzte<br />
wieder der Zugverkehr im vollen Umfang mit<br />
ein bis zwei Zugpaaren je Tag ein.<br />
Das Ende für den Verkehr zwischen Sande<br />
und Harle kam am 27. September 1987.<br />
An diesem Tag verkehrte zum letzten Mal ein<br />
Tidezug auf der Strecke. Ein Jahr später wurde<br />
auch der Güterverkehr eingestellt und die<br />
Strecke stillgelegt, bald darauf wurde sie abgebaut.<br />
Den Zubringerdienst leisten heute<br />
ausschließlich Busse, die so genannten Inselhopper,<br />
die auch einen Anhänger für das Gepäck<br />
mitführen.<br />
Josef Mauerer/Ulrich Rockelmann/<br />
Martin Weltner/Georg Müller<br />
Vier Seiten nehmen<br />
die „Tidezüge“<br />
Sande – Harle mit<br />
Anschluss zu den<br />
Schiffen nach<br />
Wangerooge im<br />
Sommerkursbuch<br />
<strong>1975</strong> ein. Der Zugfahrplan<br />
verschiebt<br />
sich gemäß den<br />
variierenden Gezeiten<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
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