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Strecken und Fahrten<br />
Der letzte dampflokbespannte Schnellzug der <strong>Bundesbahn</strong><br />
Abschied mit 012<br />
Am 31. Mai <strong>1975</strong> endete bei der DB eine Ära: Zwischen Rheine und Norddeich-<br />
Mole verkehrte der letzte, planmäßig mit einer Dampflok bespannte Schnellzug.<br />
012 081 schloss mit D 714 das Kapitel ab<br />
Norddeich Mole den letzten dampfgeführten<br />
Schnellzug der DB überhaupt zu führen. Von<br />
Eisenbahnfreunden mit Schriftzügen dekoriert,<br />
bespannte sie den Zug.<br />
Der D 714<br />
Wer heute von München nach Norddeich<br />
Mole fahren will, besteigt in der bayerischen<br />
Landeshauptstadt einen ICE nach Bremen und<br />
steigt dort in einen Regionalexpress um, der an<br />
der Norddeicher Mole endet. Rund achteinhalb<br />
Stunden dauert die Fahrt über Nürnberg,<br />
Würzburg und Hannover. <strong>1975</strong> war das noch<br />
ganz anders. Die Reisezeit betrug knapp zwölf<br />
Stunden. Der D 714 war ein für die <strong>Bundesbahn</strong><br />
typischer Tagesschnellzug, der auf einer<br />
ganz anderen Trasse Deutschland durchquerte.<br />
Kurz nach 7 Uhr morgens ging es in München<br />
los, über Ulm, Stuttgart und Heidelberg<br />
wurde gegen 12 Uhr Frankfurt (Main) erreicht.<br />
Mit einem Schnellzug<br />
fährt 012 075 in<br />
den Bahnhof Lingen<br />
(Ems) ein und liefert<br />
sich ein Rennen mit<br />
einem Fiat 850 Coupé.<br />
Anders als beim<br />
D 714 sind in diesem<br />
Schnellzug noch<br />
ein Vorkriegspackwagen<br />
und ein<br />
„Verstärkungs-Silberling“<br />
eingereiht<br />
Martin Weltner (3)<br />
Zuletzt fuhren die 012 nur zwischen Rheine und<br />
Norddeich Mole – aber auch mit einem D-Zug!<br />
Als das Bahnbetriebswerk Hamburg-Altona<br />
zum Ende des Sommerfahrplans 1972<br />
seine 012er nach Rheine abgab, dürfte es<br />
manchem Eisenbahner (und Eisenbahnfreund)<br />
schon gedämmert haben. Das Bahnbetriebswerk<br />
in Westfalen konnte selten mit neuen Loks<br />
dienen. Vielmehr wurden hier nicht mehr benötigte<br />
Maschinen anderer Standorte „abgefahren“.<br />
Und nun traf dieses Los also diese<br />
wuchtigen Schnellzug-Dampfloks. Auch wenn<br />
die ölgefeuerten 012 in Rheine erst einmal die<br />
kohlegefeuerten Schwestern 011 ersetzten, ihr<br />
Ende ließ sich nun mehr oder weniger absehen.<br />
Schließlich war das westfälische Bw zur letzten<br />
Heimat der hochrädrigen Renner geworden.<br />
Der Grundbedarf betrug während der Wintermonate<br />
fünf Loks, im Sommer wurden einige<br />
weitere Maschinen benötigt. Während der<br />
Sommermonate absolvierten die Rheiner 012<br />
rund 500 Kilometer täglich; Eil- und Schnellzüge<br />
auf der Emslandstrecke, auf der nicht schneller<br />
als 120 km/h gefahren werden durfte, waren<br />
ihr täglich Brot. Probleme bereitete aber die steigende<br />
Schadanfälligkeit der Loks, hervorgerufen<br />
durch die jahrelange hohe Belastung und gleichzeitig<br />
nur noch leidliche Unterhaltung – wie gesagt,<br />
Rheine war „nurmehr“ Auslaufstelle.<br />
Der letzte Umlaufplan<br />
Zum Winterfahrplan 1974/75 wurde der letzte<br />
012-Plan aufgestellt: Ausschließlich zwischen<br />
Rheine und Norddeich Mole unterwegs,<br />
kamen noch fünf Loks planmäßig zum Einsatz,<br />
die durchschnittlich 458 Kilometer pro<br />
Tag abspulten. Neben zahlreichen Eilzügen<br />
waren auch noch die beiden Schnellzugpaare<br />
D 714/715 und D 734/735 im Plan enthalten.<br />
Der Traktionswechsel, sprich, der Abschied<br />
von der Dampftraktion, lief bei der <strong>Bundesbahn</strong><br />
unterdessen unentwegt weiter. Anfang<br />
<strong>1975</strong> wurde bekannt, dass die DB den folgenden<br />
Sommerfahrplan ohne 012 plane:<br />
Schon bald tauchten erste Dieselloks in den<br />
012-Umläufen auf, um das Personal zu schulen.<br />
Am 31. Mai war der offiziell letzte Betriebstag<br />
für die mächtigen Dreizylinder-<br />
Dampfloks. Einsatzfähig waren noch 012 061,<br />
063, 066, 075, 081 und 100. Die 012 081<br />
hatte an diesem Tag die Ehre, mit D 714 nach<br />
Weiter führte die Fahrt nach Gießen, wo mit einer<br />
Ellok 103 die damalige „creme de la creme“<br />
des DB-Lokparks den Zug übernahm. Sie<br />
brachte ihn über Siegen, Schwerte, Hamm und<br />
Münster nach Rheine. Dort kam die Rheiner<br />
012 ins Spiel, die für die Zugförderung auf den<br />
restlichen 176 Kilometern über die noch nicht<br />
elektrifizierte und für maximal 120 km/h zugelassene<br />
Emslandstrecke nach Norddeich<br />
Mole zuständig war. Nach dem Lokwechsel, bei<br />
dem die Stars der Schiene von einst und jetzt<br />
auch kurzzeitig nebeneinander standen, dampfte<br />
die 012 um 16:50 Uhr in Rheine los, um<br />
nach sieben Zwischenhalten um 18:51 Uhr<br />
Norddeich Mole zu erreichen. Das war spät,<br />
aber nicht zu spät: Hier bestand noch Anschluss<br />
an das Schiff zur Ferieninsel Norderney.<br />
Der D 714 war auch in Sachen Zugbildung<br />
ein typischer Schnellzug seiner Zeit: Er bestand<br />
nur aus 26,4-Meter-Wagen. Für Koffer und Expressgut<br />
stand ein Halbgepäckwagen zur Verfügung,<br />
bei den planmäßig fünf bis sechs Sitzwagen<br />
handelte es sich um Seitengangwagen<br />
der 1. und 2. Wagenklasse und in einem Büffetwagen<br />
sorgte sich das DSG-Team um das<br />
leibliche Wohl der Reisenden. Und natürlich<br />
führte der Zug auch Kurswagen mit: Von München<br />
aus gab es Wagen nach Trier und Hagen,<br />
und in Ulm wurde ein Kurswagen aus Friedrichshafen<br />
beigestellt, der somit eine Direktverbindung<br />
Bodensee – Nordsee darstellte.<br />
Die 012 081<br />
Die 1940 gebaute 012 081 zählte zu den letzten<br />
012-Neuzugängen des Bw Rheine. Nach<br />
Aufgabe des Dampfbetriebs in Hamburg-Altona<br />
war sie im September 1972 nach Westfalen<br />
gekommen. Sie wurde aber wegen Loküberschusses<br />
nicht gleich in Betrieb genommen,<br />
sondern überwinterte gut konserviert im Bw<br />
Rheine. Erst der Saisonverkehr im Sommer<br />
1973 sorgte für eine Wiederinbetriebnahme der<br />
Schnellzuglok. Nach ihrer Ausmusterung wurde<br />
die Lok in Bad Münster am Stein als Denkmal<br />
aufgestellt, 1988 wechselte sie in den Besitz<br />
der Ulmer Eisenbahnfreunde. Seit 2007 kann<br />
die Lok im Bahnpark Augsburg besichtigt werden.<br />
Eine gebührende Ehre, nachdem sie doch<br />
<strong>1975</strong> ein großes Kapitel deutscher Eisenbahngeschichte<br />
beendet hatte. Oder auch: hatte beenden<br />
müssen. Martin Weltner<br />
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