100 Tage Regierung - Österreich Journal
100 Tage Regierung - Österreich Journal
100 Tage Regierung - Österreich Journal
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 70 / 31. 03. 2009<br />
Wirtschaft<br />
»Ärmel aufkrempeln angesagt«<br />
WK-Präsident Christoph Leitl: EU und G20 müssen gemeinsam handeln –<br />
EZB ist mit weiterer Zinssenkung um 50 Basispunkte in der Ziehung<br />
29<br />
Daß nun auch Wifo und IHS die Konjunkturprognose<br />
für <strong>Österreich</strong> abermals<br />
deutlich nach unten korrigiert haben,<br />
kommt nicht weiter überraschend. Doch statt<br />
wegen der weiteren Verschärfung der Rezession<br />
Trübsal zu blasen, ist weltweit Ärmelaufkrempeln<br />
angesagt“, sagt Christoph Leitl,<br />
Präsident der Wirtschaftskammer <strong>Österreich</strong><br />
(WKÖ). „Auch in <strong>Österreich</strong> müssen alle ihr<br />
Scherflein beitragen, damit sich die Nebelschwaden<br />
bald lichten und wir 2010 zumindest<br />
eine schwarze Null erreichen.“<br />
Die Voraussetzungen seien nicht schlecht,<br />
denn mit den Konjunkturprogrammen 1 und<br />
2, dem Bankenpaket und der vorgezogenen<br />
Steuerreform 2009 habe die <strong>Regierung</strong> gute<br />
Arbeit geleistet und wichtige Akzente im<br />
Hinblick auf verbesserte Finanzierungsbedingungen<br />
für die Unternehmen und die Stärkung<br />
der Kaufkraft gesetzt. Nun müsse alles<br />
getan werden, damit die Mittel rasch fließen<br />
und positiv wirken können, „denn selbst das<br />
beste Konjunkturprogramm nützt erst dann<br />
etwas, wenn die Gelder unter die Leute kommen<br />
und nicht nur am Papier stehen“.<br />
Foto: WKO / Stabsabteilung Presse<br />
Zusätzliche Investitionen durch<br />
thermische Gebäudesanierung<br />
Allein das <strong>100</strong>-Millionen-Euro-Paket für<br />
die thermische Gebäudesanierung, das „die<br />
volle Rückendeckung der Wirtschaft hat,<br />
weil es gut für die Umwelt, die Konjunktur<br />
und die Arbeitsplätze ist“, wird nach Schätzung<br />
der WKÖ zusätzliche Investitionen von<br />
bis zu einer Milliarde Euro auslösen.<br />
Auf internationaler Ebene liege es am<br />
G20-Gipfel Anfang April, durch Einigkeit<br />
und konkrete Maßnahmen das Vertrauen in<br />
die wirtschaftliche Zukunft zurückzugewinnen.<br />
„Wer versucht, Europäer und Amerikaner<br />
auseinander zu dividieren, tut der Weltwirtschaft<br />
nichts Gutes. Entweder wir ziehen<br />
alle an einem Strang und handeln oder wir<br />
bleiben alle gemeinsam im Schlamassel“,<br />
warnt Leitl.<br />
Auch auf EU-Ebene sei eine bessere Abstimmung<br />
der Maßnahmen zur Konjunkturbelebung<br />
notwendig. „Viele europäische<br />
<strong>Regierung</strong>en tun Richtiges, aber jeder kocht<br />
sein eigenes Süppchen. Wenn wir uns besser<br />
abstimmen, haben alle einen Vorteil.“ Nicht<br />
nur die EU-<strong>Regierung</strong>en, auch die Europäische<br />
Zentralbank sei weiter in der Ziehung.<br />
„Alles andere als eine weitere deutliche Zinssenkung<br />
um 50 Basispunkte kommende Woche<br />
wäre falsch und fatal“, so Leitl. Außerdem<br />
sollte die EZB durch den Ankauf von<br />
Unternehmensanleihen ein Zeichen des Vertrauens<br />
setzen.<br />
Christoph Leitl, Präsident der<br />
Wirtschaftskammer <strong>Österreich</strong> (WKÖ)<br />
Kein Verständnis hat Leitl für jene, die<br />
meinen, der jetzigen schwierigen Situation<br />
mit neuem Protektionismus oder dem gegenseitigen<br />
Ausspielen von Arbeitnehmern und<br />
Arbeitgebern beikommen zu können. Leitl:<br />
„In der jetzigen Situation gibt es nur eine<br />
Priorität: Wir müssen alles tun, damit die<br />
Wirtschaft wieder in Gang kommt und es in<br />
Europa keine Massenarbeitslosigkeit gibt. Da<br />
muß jeder einen Beitrag leisten, damit wir<br />
gemeinsam die beste Lösung finden und die<br />
dann auch umsetzen können.“<br />
EU-Gipfel: Aufstockung<br />
der Zahlungsbilanzhilfen<br />
„Mit dem grünen Licht für die Nabucco-<br />
Gasleitung und mit der heute beschlossenen<br />
Aufstockung der Zahlungsbilanzhilfen für<br />
Osteuropa sendet der EU-Gipfel ein starkes<br />
Signal der Solidarität an die Mitglieder in<br />
Mittel- und Osteuropa. Die EU demonstriert<br />
damit, dass sie in guten und in schlechten<br />
Zeiten an deren Seite steht“, betont Leitl als<br />
Präsident auch in seinen europäischen Funktionen.<br />
„Das ist auch ein Erfolg für Länder<br />
wie <strong>Österreich</strong>, die sich im Vorfeld dafür<br />
eingesetzt hatten, daß Brüssel einspringen<br />
muß, wenn in einem der Mitgliedsstaaten<br />
Not am Mann ist.“<br />
Die nunmehrige Aufstockung der Hilfe<br />
bedeute nicht, wie manche suggeriert hatten,<br />
dass alle Staaten der Region über einen<br />
Kamm geschoren werden: „Diese Hilfe ist<br />
eine Versicherungspolizze, falls es zu weiteren<br />
Problemen in einzelnen Ländern kommt.<br />
Denn Hilfe für Osteuropa ist auch Hilfe für<br />
Gesamteuropa. Diese Region war, ist und<br />
bleibt ein wichtiger Markt nicht nur für <strong>Österreich</strong>,<br />
sondern für die gesamte EU.“<br />
Ein konkretes Beispiel für den Mehrwert<br />
gemeinsamer europäischer Maßnahmen sei<br />
auch die erzielte Einigung auf das Energiepaket<br />
im Umfang von fünf Milliarden Euro.<br />
Es sieht Investitionen in Energie-, Breitband-<br />
und ländliche Entwicklungsprojekte<br />
vor. „Damit werden Projekte unterstützt, die<br />
für die Zukunft wichtig sind und die der<br />
gesamten EU etwas bringen, nicht nur einzelnen<br />
Staaten“, so Leitl. Auch <strong>Österreich</strong><br />
wird hier profitieren: Die Pipeline „Nabucco“,<br />
die Erdgas aus der Kaspischen<br />
Region nach Europa liefern soll, wird mit<br />
200 Millionen Euro unterstützt. „Dieses<br />
Projekt trägt zu einer besseren Versorgungssicherheit<br />
der gesamten EU bei und verringert<br />
einseitige Abhängigkeiten.“<br />
Leitl betonte jedoch auch, daß die EU<br />
trotz der Beschlüsse im Falle des Falles weitere<br />
Maßnahmen setzen müsse, um die europäische<br />
Wirtschaft wieder in ruhigere Fahrwasser<br />
zu bringen: „Entwarnung kann noch<br />
nicht gegeben werden, es heißt weiter wachsam<br />
sein.“<br />
EU muß mit einer Stimme sprechen<br />
Zudem sei es wichtig, daß die EU beim<br />
G-20-Gipfel Ende März in London mit einer<br />
Stimme spreche. Dort müßten neben der Wiederbelebung<br />
der Weltwirtschaft auch eine<br />
effizientere Aufsicht der Finanzmärkte und<br />
Maßnahmen gegen die prozyklischen Effekte<br />
von Regulierungen wie Basel II angesprochen<br />
werden. „Die besten Konjunkturmaßnahmen<br />
helfen nichts, wenn zugleich Regulierungen<br />
wie Basel II die Krise noch verschärfen“,<br />
so Leitl abschließend. •<br />
»<strong>Österreich</strong> <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at