100 Tage Regierung - Österreich Journal
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 70 / 31. 03. 2009<br />
Kein »verpflichtender« Ethikunterricht<br />
Die österreichischen Bischöfe plädieren<br />
für ein „gut abgestimmtes Miteinander von<br />
konfessionellem Religionsunterricht und<br />
Ethikunterricht, in dem beide ihren Dienst<br />
an den jungen Menschen leisten können“,<br />
faßte Kardinal Schönborn im Hinblick auf<br />
die neuaufgeflammte Debatte über den<br />
Ethikunterricht die Meinung der österreichischen<br />
Bischöfe zusammen. In diesem Sinn<br />
werde man kirchlicherseits auch bei der<br />
bevorstehenden Parlamentarischen Enquete<br />
über den Ethikunterricht argumentieren. Bei<br />
aller positiven Sicht eines „ergänzenden“<br />
Ethikunterrichts müsse aber festgehalten<br />
werden, daß in einem Land, in dem 90 Prozent<br />
der Bevölkerung einer Religionsgemeinschaft<br />
angehören, der Ethikunterricht nicht<br />
für alle Schüler verpflichtend sein könne.<br />
Denn dies würde eine Relativierung des konfessionellen<br />
Religionsunterrichts bedeuten.<br />
In diesem Zusammenhang erinnerte Kardinal<br />
Schönborn daran, daß der Religionsunterricht<br />
in <strong>Österreich</strong> „gut angenommen“<br />
sei. 95 Prozent aller katholischen Schülerinnen<br />
und Schüler – 730.000 Kinder und Jugendliche<br />
– besuchten den katholischen<br />
Religionsunterricht als Pflichtgegenstand.<br />
Zusätzlich nehmen mehr als 25 Prozent der<br />
Schülerinnen und Schüler ohne religiöses<br />
Bekenntnis am katholischen Religionsunterricht<br />
als Freigegenstand teil.<br />
In einer Gesellschaft, „in der eine nicht<br />
unbedeutende Zahl von Menschen ihre<br />
Werte säkular begründet“, sei es angemessen,<br />
daß es für Schüler, die keinen konfessionellen<br />
Religionsunterricht besuchen,<br />
einen verpflichtenden Ethikunterricht gibt,<br />
halten die österreichischen Bischöfe fest. Es<br />
stelle sich aber die Frage, so Kardinal<br />
Schönborn, wie der sich selbst als „weltanschaulich<br />
neutral“ verstehende Staat den<br />
Ethikunterricht in seine Kompetenz nehmen<br />
soll. Nach Ansicht des deutschen Staatsrechtlers<br />
Ernst-Wolfgang Böckenförde lebe<br />
die Demokratie von Voraussetzungen und<br />
Werten, die sie selbst weder schaffen noch<br />
garantieren könne. Wenn das so ist, dann<br />
stelle sich im Blick auf den Ethikunterricht<br />
die Frage: „Woraus soll das Ethos dieses<br />
Ethikunterrichts bei einem wertneutralen<br />
Selbstverständnis denn gezogen werden?“<br />
Diese Grundsatzfrage müsse noch „umfassend<br />
gesellschaftlich diskutiert“ werden.<br />
Lob für Absetzbarkeit<br />
des Kirchenbeitrags<br />
Kardinal Schönborn betonte bei der<br />
Pressekonferenz den Dank der Bischöfe für<br />
Foto: Henning Klingen / http://www.katholisch.at<br />
Religion und Kirche<br />
die Verdoppelung der Absetzbarkeit des<br />
Kirchenbeitrags. Es handle sich um kein<br />
„Geschenk an die Kirche“, sondern um ein<br />
„unübersehbares Zeichen dafür, daß der<br />
Staat den Beitrag der Katholiken zum<br />
Gemeinwohl würdigt und anerkennt“.<br />
Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn<br />
Die Bischöfe halten in ihrer Erklärung<br />
fest, daß fast 80 Prozent der Einnahmen der<br />
katholischen Kirche in <strong>Österreich</strong> aus dem<br />
Kirchenbeitrag stammen, der die finanzielle<br />
Basis „für ein dichtes Solidarnetz aus mehr<br />
als 4000 Pfarren und Seelsorgestellen“ sei,<br />
„das über ganz <strong>Österreich</strong> gespannt ist“. Gerade<br />
„wenn die großen Netze der Solidarität<br />
brüchig“ werden, seien die „kleinmaschigen<br />
Netze“, wie die Pfarrgemeinden, umso wichtiger,<br />
betonte der Kardinal. 30.000 gewählte<br />
ehrenamtliche Pfarrgemeinderäte würden<br />
Mitverantwortung tragen; mit 60.000 hauptamtlich<br />
Beschäftigten sei die katholische<br />
Kirche zudem einer der größten Arbeitgeber<br />
in <strong>Österreich</strong>.<br />
Kardinal Schönborn würdigte in diesem<br />
Zusammenhang besonders die unzähligen<br />
ehrenamtlichen und freiwilligen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in der Kirche. Ein<br />
wesentlicher Teil der kirchlichen Arbeit<br />
werde von ihnen getragen. Der Kardinal verwies<br />
in diesem Zusammenhang u.a. auf die<br />
Renovierung zahlreicher kirchlicher Gebäude.<br />
Ohne freiwillige Mitarbeit wäre das<br />
kulturelle Erbe <strong>Österreich</strong>s in den Pfarrgemeinden<br />
nicht zu bewahren. Kardinal Schönborn<br />
machte auch darauf aufmerksam, daß<br />
die Kirche für Renovierungsarbeiten immer<br />
noch mehr an Mehrwertsteuer bezahle, als<br />
sie vom Bund an Zuschüssen aus dem Denkmalschutzbudget<br />
erhalte.<br />
Dank an Kirchenbeitragszahler<br />
Die Bischöfe danken in ihrer Erklärung<br />
allen Gläubigen, „die in großer Treue diesen<br />
Solidarbeitrag leisten“, gerade auch in wirtschaftlich<br />
schwierigen Situationen oder<br />
wenn „in der Kirche Situationen entstehen,<br />
die Anlaß zur Kritik geben“.<br />
Wie Kardinal Schönborn weiter ausführte,<br />
bemühe man sich etwa in der Erzdiözese<br />
Wien bereits seit fast 15 Jahren intensiv um<br />
jene Menschen, die aus der Kirche austreten<br />
wollen. Jeder Ausgetretene erhalte ein persönliches<br />
Schreiben mit der Einladung zum<br />
Gespräch. Wenn es Probleme mit dem nicht<br />
bezahlten Kirchenbeitrag gibt, werde immer<br />
zuerst ein persönliches Gespräch geführt,<br />
bevor eine Mahnklage in Betracht komme.<br />
So sei es gelungen, in den letzten Jahren die<br />
Zahl der Klagen in der Erzdiözese Wien auf<br />
ein „äußerstes Minimum“ zu reduzieren,<br />
sagte Kardinal Schönborn.<br />
Europawahlen: Von<br />
Wahlrecht Gebrauch machen<br />
Anläßlich der in <strong>Österreich</strong> am 7. Juni bevorstehenden<br />
Wahl zum Europäischen Parlament<br />
appellieren die Bischöfe an alle Wahlberechtigten,<br />
von ihrem Wahlrecht Gebrauch<br />
zu machen. Die Christen könnten auf diese<br />
Weise ihre Mitverantwortung für den „Bauplatz<br />
Europa“ wahrnehmen. Die Ausübung<br />
des Wahlrechts sei „ein wichtiger Beitrag für<br />
eine weitere friedliche Entwicklung des europäischen<br />
Kontinents“, heißt es wörtlich in<br />
der Erklärung.<br />
Das Europäische Parlament werde sich in<br />
den nächsten Jahren mit einer Reihe bedeutender<br />
Themen auseinandersetzen, die sehr<br />
viele Menschen betreffen. Es gehe vor allem<br />
um die globale Finanz- und Wirtschaftskrise,<br />
durch die zahllose Arbeitsplätze gefährdet<br />
sind. Die Abgeordneten würden aber immer<br />
wieder auch vor grundlegenden Fragen stehen,<br />
die für die Wahlentscheidung eines<br />
Christen von großer Bedeutung sind, halten<br />
die Bischöfe fest. Das betreffe etwa den umfassenden<br />
Schutz des Lebens von der Empfängnis<br />
bis zum natürlichen Ende, den verantwortungsvollen<br />
Umgang mit der Schöpfung,<br />
die Unterstützung der Familien oder<br />
den Umgang mit Asylwerbern. •<br />
http://www.stephanscom.at<br />
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