100 Tage Regierung - Österreich Journal
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 70 / 31. 03. 2009<br />
Wissenschaft & Technik<br />
Schon als Kleinkind außer Haus?<br />
Erste Professur für Entwicklungspsychologie in <strong>Österreich</strong><br />
mit einer Orientierung auf die Frühe Kindheit<br />
49<br />
Foto: Lieselotte Ahnert privat<br />
Die gebürtige Thüringerin Lieselotte Ahnert ist seit Oktober 2008 Professorin für Angewandte Entwicklungspsychologie sowie<br />
stv. Vorständin des Instituts für Entwicklungspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Fakultät für Psychologie.<br />
Die Entwicklungspsychologie und die<br />
Kinderforschung haben in Wien eine<br />
sehr lange Tradition, man denke nur an Charlotte<br />
Bühler, eine der namhaftesten Psychologinnen,<br />
die in den 1920er Jahren über die<br />
geistigen Leistungen von Kindern forschte.<br />
Daran kann ich mit meiner eigenen Forschung<br />
gut anknüpfen, da ich mich selbst im<br />
Forschungsfeld der Frühen Bildung zu<br />
Hause fühle“, begründet Univ.-Prof. Lieselotte<br />
Ahnert ihre Entscheidung, dem Ruf an<br />
die Universität Wien zu folgen: Die gebürtige<br />
Thüringerin ist seit Oktober 2008 Professorin<br />
für Angewandte Entwicklungspsychologie<br />
sowie stellvertretende Vorständin<br />
des Instituts für Entwicklungspsychologie<br />
und Psychologische Diagnostik an der<br />
Fakultät für Psychologie.<br />
Antworten auf aktuelle Fragen<br />
In der Forschung beschäftigt sich Lieselotte<br />
Ahnert gerne mit aktuellen Fragen der<br />
kindlichen Entwicklung, wie: Wo liegen die<br />
Entwicklungsimpulse, wo die Risiken und<br />
Chancen für kleine Kinder in öffentlichen<br />
Bildungseinrichtungen? Diese und ähnliche<br />
Fragestellungen entfachen schnell öffentliche<br />
Diskussionen, die – je nach politischer<br />
Richtung oder persönlichen Erfahrungen –<br />
sehr kontrovers geführt werden: „Gerade bei<br />
solchen – oft emotionalisierten – Debatten<br />
sind wissenschaftliche Studien wichtig, um<br />
die Argumente mit Fakten untermauern zu<br />
können“, so die Entwicklungspsychologin.<br />
Faszination Kind<br />
„Mich faszinieren die Intelligenz- und<br />
Sozialentwicklung von Kindern“, so Ahnert:<br />
„Früher war es nicht einfach, Kleinkinder<br />
systematisch und tiefgründig zu untersuchen.<br />
Erst mit der Anwendung der Videotechnik<br />
in den 1970er Jahren wurde es möglich,<br />
die Entwicklungsverläufe auch bei sehr<br />
kleinen Kindern aufzuspüren.<br />
Durch Kinderkrippen …<br />
Als es in Westberlin noch kaum Kinderkrippen<br />
gab, hat Lieselotte Ahnert in Ostberlin<br />
bereits Studien mit Krippenkindern<br />
durchgeführt. Diese sollten Antworten darauf<br />
liefern, warum Kleinkinder, die ein volles<br />
Jahr mit ihren Müttern zu Hause verbringen<br />
konnten, nach Krippenaufnahme plötzlich<br />
häufiger erkrankten als Kinder, die viel<br />
früher aufgenommen wurden. „Entgegen<br />
den ursprünglichen Erwartungen, daß das<br />
»<strong>Österreich</strong> <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
etwas besser ausgereifte Immunsystem der<br />
Kinder eine niedrigere Infektgefährdung<br />
nach sich zieht, hat sich damals herauskristallisiert,<br />
daß die Krankheiten der Kinder<br />
mit der Trennungsbelastung und Mutter-<br />
Kind-Bindung im Zusammenhang standen.“<br />
Seither beschäftigt sich Lieselotte Ahnert mit<br />
den Bindungsbeziehungen von Kleinkindern<br />
und ihrer Funktion in Belastungssituationen.<br />
… zur Teamfähigkeit?<br />
Ist eine Gruppenbetreuung gut für ein<br />
Kleinkind? Grundsätzlich hänge dies von<br />
der Qualität der Einrichtung und von der<br />
psychischen Entwicklung des Kindes ab.<br />
Die „Passung“ müsse stimmen. Deshalb wäre<br />
es gut, zu diesem Thema auch psychologische<br />
Beratung für die Eltern anzubieten, so<br />
Lieselotte Ahnert. Aus entwicklungspsychologischer<br />
Perspektive sieht sie in der Gruppenbetreuung<br />
eine gute Entwicklungsressource<br />
für das Kind. Denn in der Interaktion<br />
mit Gleichaltrigen kann das Kind soziale<br />
Techniken lernen – wie Erfahrungen, Gefühle<br />
und Emotionen auszutauschen –, die es in<br />
der Beziehung zu Erwachsenen nicht entwickeln<br />
kann.