Wirtschaftswoche Ausgabe vom 13.10.2014 (Vorschau)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Geld&Börse<br />
Plötzlich musste es<br />
schnell gehen: Nachdem<br />
das Amtsgericht<br />
das Testament für ungültig<br />
erklärt hatte, das sie zur<br />
Haupterbin ernannte, räumte<br />
eine Witwe das Schwarzgeldkonto<br />
ihres verstorbenen<br />
Gatten leer. „Mithilfe<br />
von Vollmachten und persönlichen<br />
Beziehungen zu<br />
Schweizer Bankern hat sie<br />
Nach Begräbnis<br />
abgeräumt<br />
ERBSCHAFTSSTREIT | Wie geprellte Erben Konten und<br />
verborgene Investments von Verstorbenen<br />
aufspüren. Eine Anleitung in vier Schritten.<br />
mehrere Hunderttausend<br />
Euro eingestrichen – zulasten<br />
der rechtmäßigen Erben“,<br />
berichtet Herbert Notz. Der<br />
Inhaber der Firma Internationale<br />
Vermögensrecherche<br />
in Zürich ist darauf spezialisiert,<br />
Vermögen im Ausland<br />
aufzuspüren, und beschäftigt<br />
sich bereits seit mehreren<br />
Jahren mit dem Fall.<br />
Die Rechtslage ist eindeutig:<br />
Der Verstorbene – ein<br />
Berliner Unternehmer – hatte<br />
mit seiner ersten Frau ein<br />
„Berliner Testament“ verfasst,<br />
demzufolge zunächst<br />
der überlebende Partner und<br />
am Ende die beiden gemeinsamen<br />
Kinder erben sollten.<br />
„Daran blieb der Mann gebunden“,<br />
sagt Notz. Das<br />
zweite Testament zugunsten<br />
der zweiten Gattin sei deshalb<br />
ungültig.<br />
Trotzdem haben Tochter<br />
und Sohn aus erster Ehe noch keinen Cent<br />
des Erbes gesehen. Denn während die Witwe<br />
das Vermögen in der Schweiz einstrich,<br />
erwiesen sich Immobilien und Firmenanteile<br />
in Deutschland wegen hoher Schulden<br />
als wertlos. Die Tochter schlug das Erbe<br />
aus Angst vor Forderungen der Gläubiger<br />
sogar aus. Doch der Sohn ließ es darauf<br />
ankommen – und engagierte Vermögensfahnder<br />
Notz, der bei Schweizer Geldhäusern<br />
nachhakte und dabei die illegalen<br />
Transaktionen der Witwe aufdeckte. Vor<br />
wenigen Wochen konfrontierte er sie damit<br />
und wartet jetzt auf ein Vergleichsangebot.<br />
Solche Fälle erleben Erbrechtsexperten<br />
immer wieder. Auslöser für erbitterte Streitigkeiten<br />
ist dabei meist eine neue Ehe des<br />
Verstorbenen. Denn mangels familiärer<br />
Bindung wird in solchen Fällen oft besonders<br />
erbittert ums Erbe gekämpft. Es sei<br />
aber bisweilen schwierig, nachzuweisen,<br />
dass Stiefmutter oder Stiefvater hohe Summen<br />
beiseitegeschafft haben, berichtet<br />
Notz. Chancenlos sind Betroffene aber<br />
nicht – wenn sie die Spielregeln kennen. Eine<br />
Anleitung in vier Schritten.<br />
1<br />
Gründlich nach<br />
Hinweisen suchen<br />
Bei Geldanlagen in Deutschland kann<br />
theoretisch nicht viel passieren: Im Todesfall<br />
informieren Banken das Finanzamt<br />
über Konten und Depots; das Vermögen,<br />
so scheint es, wird lückenlos erfasst.<br />
Das Problem: „Bisweilen erfahren die Institute<br />
nicht <strong>vom</strong> Tod ihres Kunden“, berichtet<br />
Claus-Henrik Horn, Fachanwalt für<br />
Erbrecht in Düsseldorf. Es komme vor, dass<br />
Ehepartner das Ableben des Besitzers verschweigen<br />
und Konten oder Depots mithilfe<br />
einer Vollmacht oder schlicht einer<br />
EC-Karte am Geldautomaten plündern.<br />
Und damit können sie sogar durchkom-<br />
men. Denn wenn niemand<br />
sonst von dem Konto weiß,<br />
erfährt die Bank in der Regel<br />
nur <strong>vom</strong> Tod ihres Kunden,<br />
wenn Briefe zurückkommen<br />
– und das ist nicht der Fall,<br />
wenn der letzte Partner weiter<br />
an derselben Adresse<br />
wohnt und die Post in Empfang<br />
nimmt.<br />
Zudem müssen Banken<br />
auch dann hohe Summen<br />
überweisen oder auszahlen,<br />
wenn lediglich ein Bevollmächtigter<br />
des Kontoinhabers<br />
dies in Auftrag gibt.<br />
„Nur bei offensichtlichem<br />
Missbrauch sind Bankmitarbeiter<br />
verpflichtet, beim<br />
Kontoinhaber nachzufragen“,<br />
sagt Pierre Rosenberger,<br />
Experte für Bankrecht bei<br />
Dornbach Rechtsanwälte in<br />
München. Die Schwelle dafür<br />
sei „sehr hoch“. Einschreiten<br />
muss die Bank, wenn Bevollmächtigte<br />
ein Konto auflösen<br />
oder auf ihren eigenen<br />
Namen umschreiben wollen.<br />
„Das ist von einer Vollmacht<br />
nicht gedeckt“, erklärt Rosenberger.<br />
Aber Bevollmächtigte können<br />
das Konto eben leerräumen.<br />
Misstrauische Erben<br />
sollten deshalb gründlich<br />
nach Hinweisen auf<br />
Bankverbindungen suchen.<br />
Werbegeschenke wie ein Sparkassen-Kugelschreiber<br />
oder Bank-Telefonnummern<br />
in den Anruf- oder Kontaktlisten können<br />
dabei wichtige Indizien sein.<br />
2<br />
Auskünfte bei der<br />
Bank beantragen<br />
Wer fündig wird, sollte umgehend bei der<br />
Bank anfragen, ob der Verstorbene dort<br />
Konten oder Depots hatte. In Deutschland<br />
ist das meist kein Problem – in Steueroasen<br />
wie der Schweiz kann es dagegen mühsam<br />
sein. „Eidgenössische Banken verhalten<br />
sich wenig kooperativ“, sagt Vermögensfahnder<br />
Notz aus Zürich.<br />
Ähnliche Erfahrungen hat Erbrechtler<br />
Horn gemacht. „Es kann vorkommen, dass<br />
Antragsteller keine Antwort bekommen“,<br />
sagt er. Diese Gefahr bestehe zum Beispiel,<br />
wenn sie sich nicht korrekt legitimieren.<br />
Zudem mauern Geldhäuser, wenn Antrag-<br />
ILLUSTRATION: EDEL RODRIGUEZ<br />
108 Nr. 42 <strong>13.10.2014</strong> WirtschaftsWoche<br />
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.