Wirtschaftswoche Ausgabe vom 13.10.2014 (Vorschau)
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Technik&Wissen<br />
Meister des Augenblicks<br />
FOTOGRAFIE | Sie sind schnell, lichtstark und extrem kompakt. Mit einer neuen<br />
Generation von High-End-Kameras gewinnen Nikon, Canon und Co.<br />
neue Käufer – und finden endlich eine Antwort auf den Boom der Smartphones.<br />
Elf Stunden war Bernd Ritschel<br />
Anfang Oktober auf dem Oltroggeweg<br />
überm Tiroler Ötztal unterwegs<br />
– seine Kamera ständig<br />
im Anschlag. Was den Profifotografen<br />
durch die steilen Bergflanken in bis<br />
zu 3000 Meter Höhe trieb, war nicht Lust an<br />
herbstlichen Alpenpanoramen, sondern<br />
der Auftrag eines Kunden: Für den lokalen<br />
Tourismusverband sollte der 50-jährige<br />
Bayer eine Bilderserie übers hochalpine<br />
Bergwandern und Bergsteigen schießen.<br />
„Mit den üblichen Profikameras wäre die<br />
Zwölf-Kilometer-Tour ein echter Kraftakt<br />
geworden“, sagt Ritschel, der statt zur klassischen<br />
Spiegelreflex zur handlichen Fujifilm<br />
X-T1 griff. „Die liefert selbst für Werbeposter<br />
eine vergleichbare Qualität wie eine<br />
Große – und ist nicht mal halb so schwer.“<br />
Klein, aber fein, dieser Trend erfasst<br />
nicht nur Profis. Auch Amateure begeistern<br />
sich für die Kombi aus erstklassiger Bildqualität<br />
und handlichem Kameraformat.<br />
Sie sind der mitunter lausigen Ergebnisse<br />
klassischer Kompakter überdrüssig – und<br />
haben zugleich keine Lust, sich bei kreativen<br />
Fototouren die Schulter an klobigen<br />
Spiegelreflex-Boliden zu verheben.<br />
Deshalb greifen immer mehr Fotofreunde<br />
zu einer neuen Produktgattung, für die<br />
weder Handel noch Hersteller bisher einen<br />
griffigen Namen gefunden haben: Sie sprechen<br />
von Edel-Kompakten, Kreativkameras<br />
oder schlicht von der neuen Ein-Zoll-<br />
Klasse. Sie ist benannt nach ihren Fotosensoren,<br />
die mit meist einem Zoll Diagonale –<br />
gut zweieinhalb Zentimetern – vier- bis<br />
fünfmal größer sind als die bisher üblicherweise<br />
in Kompaktknipsen verbauten Bildchips<br />
(siehe Grafik).<br />
1,2<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
Lieber kleiner<br />
In der Oberklasse wächst die Nachfrage nach<br />
handlichen Kameratypen (in Mio. Stück)<br />
1,2<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
Klasse statt Masse<br />
Die Umsätze mit hochwertigen Kameratypen<br />
steigen (in Mrd. Euro)<br />
0<br />
0<br />
Spiegelreflex, Systemkameras<br />
Systemkameras<br />
2010<br />
Optische Sensibelchen<br />
Größenvergleich aktueller Fotosensoren<br />
(typische Kameraklassen)<br />
Profikameras<br />
Spiegelreflex<br />
Systemkameras<br />
Edel-Kompakte<br />
Kompaktkameras<br />
Top-Smartphones<br />
Spiegelreflex<br />
2011 2012 2013 2014*<br />
Vollformat<br />
Ein Zoll<br />
* Prognose; Quelle: GfK, ProPhoto, eigene Berechnung<br />
Kompaktkameras<br />
2010 2011 2012 2013 2014*<br />
Ob Canon, Nikon oder Sony – fast jeder<br />
wichtige Hersteller startet in diesen Tagen<br />
mit einer entsprechenden Kamera ins umsatzstarke<br />
Weihnachtsquartal. Und fast alle<br />
neuen Modelle vereint – neben den deutlich<br />
empfindlicheren Sensoren und der<br />
kompakten Bauform –, dass sie in der Regel<br />
mit wesentlich lichtstärkeren Objektiven<br />
ausgerüstet sind (siehe Seite 88).<br />
Weil sich zudem von der Blende übers<br />
Scharfstellen bis zur Belichtungszeit sämtliche<br />
Einstellungen auch per Hand steuern<br />
lassen, eröffnen die Kameras alle Möglichkeiten<br />
kreativer Bildgestaltung.<br />
WACHSTUM IN DER NEUEN MITTE<br />
Die neue High-End-Kompaktklasse ist ein<br />
Lichtblick für die von sinkenden Umsatzund<br />
Stückzahlen gebeutelte Fotobranche:<br />
Denn während der Boom der Smartphones<br />
das Geschäft mit traditionellen<br />
Kompaktkameras hat kollabieren lassen<br />
und die Nachfrage nach Spiegelreflexkameras<br />
sinkt, entpuppen sich die Edel-<br />
Kompakten als neuer Wachstumsmarkt.<br />
Trotz ihrer, verglichen mit klassischen<br />
Kompakten, merklich höheren Preise von<br />
500 bis 1000 Euro zieht deren Absatz an<br />
(siehe Grafiken). Und das, obwohl so mancher<br />
Händler fürs gleiche Geld auch respektable<br />
Spiegelreflexmodelle offeriert.<br />
„Die Käufer sind inzwischen offenbar<br />
bereit, auch bei Kompaktkameras für langlebigere<br />
und höherwertige Modelle tiefer<br />
in die Tasche zu greifen“, freut sich Sun<br />
Hong Lim, Kamera-Vertriebschef beim koreanischen<br />
Elektronikriesen Samsung.<br />
„Die Verkaufszahlen der edlen Kompakten<br />
haben im Vergleich zum Vorjahr um rund<br />
die Hälfte zugelegt.“<br />
FOTO: CORBIS IMAGES/OCEAN/CHRIS TOBIN<br />
86 Nr. 42 <strong>13.10.2014</strong> WirtschaftsWoche<br />
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