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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 13.10.2014 (Vorschau)

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Unternehmen&Märkte<br />

Fahrt ins Blaue Tengelmann-Chef Haub<br />

droht mit dem Verlust von 16 000 Jobs<br />

Die Schlecker-Keule<br />

TENGELMANN | Der Verkauf der Supermarktsparte wird<br />

zum Duell zwischen Unternehmenschef Karl-Erivan Haub<br />

und Wettbewerbshüter Andreas Mundt.<br />

Umden Widrigkeiten des deutschen<br />

Wettbewerbsrechts zu trotzen,<br />

schwört Karl-Erivan Haub auf ein<br />

einfaches Mittel: rein in die Laufschuhe,<br />

raus in die Natur und los. „Wie oft standen<br />

wir in den Verhandlungen mit dem Kartellamt<br />

in einer Sackgasse“, sinnierte der Tengelmann-Chef<br />

vor einem Jahr in einem Interview<br />

über den Verkauf der Discounttochter<br />

Plus. „Beim Laufen habe ich darüber<br />

nachgedacht:Wie kommen wir da weiter?<br />

Da ist mir im Wald ziemlich häufig etwas<br />

eingefallen.“<br />

Der Tengelmann-Chef wird auch in den<br />

kommenden Monaten wieder reichlich<br />

Zeit an der frischen Luft verbringen müssen.<br />

Er will die Supermarktsparte seines<br />

Konzerns verkaufen. Bis Sommer 2015 soll<br />

der Hamburger Handelsriese Edeka die<br />

451 Kaiser’s-Tengelmann-Märkte übernehmen.<br />

Die Verträge sind unterzeichnet, der<br />

Deal ist eigentlich perfekt – wären da nicht<br />

nicht die Beamten um Bundeskartellamtschef<br />

Andreas Mundt, die bereits Widerstand<br />

signalisiert haben.<br />

Die Konfliktlinien sind klar: Wettbewerb<br />

gegen Marktmacht, Prinzipien contra Arbeitsplätze,<br />

Kartellamtspräsident Mundt<br />

versus Unternehmenspatron Haub. Der Fall<br />

Tengelmann hat das Zeug, zur Machtprobe<br />

zwischen Konzern und Amt zu werden. Ein<br />

Fernduell bahnt sich an, das die Handelszunft<br />

über Monate in Atem halten wird.<br />

ÄRGER MIT ANSAGE<br />

Für seinen Eröffnungszug wählte Haub das<br />

vertraute Terrain der Konzernzentrale in<br />

Mülheim an der Ruhr. In einem holzgetäfelten<br />

Saal aus der Wirtschaftswunder-Ära<br />

erklärte er am Dienstag seine Sicht der<br />

Dinge. Wuchtige Kronleuchter illuminieren<br />

den Raum. An den Wänden prangen<br />

Kupferstiche italienischer Bauten. In einem<br />

Regal im Vorraum reihen sich ein paar<br />

Marktmacht im Blick Behördenchef Mundt<br />

muss Gegenwind der Öffentlichkeit fürchten<br />

ledergebundene Klassiker. „Dramen in<br />

Versen“, steht auf einem Einband. Das<br />

passt zum Mülheimer Trauerspiel.<br />

Vorn im Saal saß Haub im schwarzen<br />

Anzug und fühlte sich nach eigenem Bekunden<br />

„ein bisschen wie bei einer Beerdigung“.<br />

Trotzdem, seine Entscheidung stehe<br />

fest, sagte Haub. 15 Jahre habe der Konzern<br />

die Supermärkte alimentiert. Nun sei<br />

Schluss. Die Läden würden verkauft.<br />

Und das Kartellamt?<br />

Der drahtige 54-Jährige nickt kurz, als<br />

wolle er sich für das Stichwort bedanken,<br />

und antwortet: „Es muss eine Lösung geben.“<br />

Im Zweifel riskiere er auch Ärger mit<br />

dem Bonner Amt.<br />

Der kam prompt. Während Haub in<br />

Mülheim noch Fragen beantwortete, vermeldeten<br />

die Nachrichtenagenturen schon<br />

die erste Reaktion der Behörde. Die Nachfragemacht<br />

des Lebensmitteleinzelhandels<br />

sei bereits heute ein Problem, gab Kartellamtschef<br />

Mundt zu Protokoll. Das Kartellamt<br />

werde den Tengelmann-Verkauf daher<br />

„intensiv prüfen“.<br />

Was nach Amtsroutine klingt, ist in<br />

Wahrheit eine Kampfansage. Nur selten<br />

äußert der Chef einer Bundesbehörde<br />

öffentlich seine Bedenken zu einem Verfahren,<br />

das gerade erst begonnen hat.<br />

Dabei gilt Mundt nicht als Mann, der sich<br />

allzu forsch aus der Deckung wagt. Seit fünf<br />

Jahren residiert der Jurist im Chefbüro eines<br />

strahlend weißen, landschlossartigen Gebäudekomplexes<br />

in Bonn. Ein nobles Umfeld<br />

– das färbt ab. Durchaus eitel genießt<br />

der 54-Jährige die öffentlichen Auftritte und<br />

die Machtfülle seines Amtes. Mundt ist ein<br />

Karrierebeamter, der auch eine große Stadtsparkasse<br />

oder eine Industrie- und Handelskammer<br />

leiten könnte, nicht aber Unternehmer<br />

sein, der auf eigenes Risiko investiert.<br />

Der Mittfünfziger braucht im Gegenteil den<br />

zuverlässigen Handlungsrahmen, um damit<br />

Handlungsspielräumen von Unternehmern<br />

Grenzen zu setzen. Das ist sein Job.<br />

Gleichwohl weiß Mundt, dass er sich –<br />

wie jetzt auch bei Tengelmann – nicht im<br />

politikfreien Raum bewegt. Er habe verstanden,<br />

dass er bei heiklen Themen auch<br />

die Öffentlichkeit auf seine Seite ziehen<br />

muss, sagt ein Berliner Kartellrechtler.<br />

Im Fall Tengelmann gilt das ganz besonders.<br />

Sollten Mundts Beamte den Deal<br />

stoppen, droht Haub unverhohlen mit der<br />

Schlecker-Keule. Die Pleite der Drogeriekette<br />

hatte zum Verlust von 23 000 Jobs ge-<br />

FOTOS: WAZ FOTOPOOL/MATTHIAS GRABEN, COLOURBOX, CARO/ZENSEN<br />

62 Nr. 42 <strong>13.10.2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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