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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 13.10.2014 (Vorschau)

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Geld&Börse | Geldwoche<br />

KOMMENTAR | Kreditsicherheiten<br />

für Anleihen sind oft Schrott – so<br />

wie das ZDF-Traumschiff.<br />

Von Annina Reimann<br />

Albtraum-Schiff<br />

Anleger, hört die Signale.<br />

Immer wieder machen<br />

Unternehmen<br />

ihnen den Kauf von<br />

Anleihen mit vermeintlich tollen<br />

Kreditsicherheiten schmackhaft.<br />

So etwa die Pleitebude<br />

Golden Gate, deren Anleihe<br />

durch eine Grundschuld auf eine<br />

Klinik-Immobilie besichert<br />

ist. Leider bleibt schleierhaft,<br />

was die wert ist. Viel wird es<br />

nicht sein, ging doch Golden<br />

Gate in die Insolvenz, weil unter<br />

anderem das Bauwerk nicht<br />

vermarktet werden konnte.<br />

Viel ist auch die MS Deutschland<br />

nicht mehr wert. Das angeschlagene<br />

Traumschiff dient als<br />

Sicherheit für eine 50 Millionen<br />

Euro schwere Anleihe. 2012, als<br />

der Finanzinvestor Aurelius die<br />

Anleihe verkaufte, hieß es noch,<br />

der Kahn sei 100 Millionen Dollar<br />

wert. Kein Problem, dachten<br />

die Anleger, geht etwas schief,<br />

wird das Schiff verkauft, und wir<br />

bekommen unser Geld wieder.<br />

Denkste. Aurelius reichte das<br />

Schiff und die Anleiheschulden<br />

an einen anderen, ganz frisch<br />

gegründeten Finanzinvestor<br />

weiter, an Callista. Ob der überhaupt<br />

etwas dafür bezahlte, ist<br />

unbekannt.<br />

PLEITE REALISTISCH<br />

Callista-Chef Olaf Meier legte<br />

Mitte der Woche vor Anlegern<br />

einen Auftritt hin, der an Dreistigkeit<br />

kaum zu überbieten ist.<br />

Das Schiff könne nicht verkauft<br />

werden, dafür gebe es „keinen<br />

Markt“. Und es zu verschrotten<br />

sei unattraktiv, bringe nach<br />

Abzug der Kosten nur 4,5 Millionen<br />

Euro. Frisches Geld bekomme<br />

er auch nicht rein, die 50<br />

Millionen Anleiheschulden verschreckten<br />

Geldgeber. Anleger<br />

sollten doch bitte die im Dezember<br />

fälligen Zinsen stunden,<br />

sonst sei eine Insolvenz „nicht<br />

unrealistisch“.<br />

Natürlich durfte auch die Tränendrüse<br />

nicht fehlen: „Wir reden<br />

über 350 Arbeitsplätze, die<br />

in unserer Verantwortung stehen“,<br />

rief er den Anleihegläubigern<br />

zu. Ein Glück, dass Meier<br />

bereits mit „Experten“ gesprochen<br />

hat. Eine Lösung sei es, Anleiheschulden<br />

in Aktien zu tauschen.<br />

Anleihegläubiger würden<br />

zu Aktionären, ein cleverer Coup:<br />

Wo keine Anleihe, da müssen weder<br />

Zinsen gezahlt noch Schulden<br />

zurückbezahlt werden. Was<br />

die Anleger aber mit Aktien eines<br />

defizitären Schiffes anfangen sollen,<br />

sagte er nicht.<br />

Auf der nächsten Gläubigerversammlung<br />

sollen Anleger einen<br />

Vertreter wählen, der dann<br />

mit Callista verhandeln soll. Callista<br />

hat Bayerns Ex-Ministerpräsidenten<br />

Günther Beckstein ins<br />

Spiel gebracht. Der hat Erfahrung<br />

mit Pleite-Investments der<br />

BayernLB, aber nach eigenem<br />

Bekunden von der Restrukturierung<br />

von Anleihen keine Ahnung.<br />

Wer seine Interessen wahren<br />

möchte, sollte wählen – notfalls<br />

eben den Gegenkandidaten.<br />

Als Callista im Januar die MS<br />

Deutschland übernahm, war<br />

noch von einer „erfolgreich eingeleiteten<br />

Neuausrichtung“ die<br />

Rede. Doch nun werde ich den<br />

Eindruck nicht los, dass es in<br />

erster Linie darum ging, den Verkäufer<br />

Aurelius aus einer gigantischen<br />

Altlast zu befreien. Callista<br />

macht die Drecksarbeit und<br />

könnte der an der Börse ungemein<br />

erfolgreichen Aurelius<br />

Geld und Ärger sparen.<br />

Anleger lernen aus dem Fall:<br />

Viele Sicherheiten sind nichts<br />

wert, selbst nicht solche aus<br />

Tausenden Tonnen Stahl.<br />

TREND DER WOCHE<br />

Börsen mit Schlagseite<br />

Trübe Konjunkturaussichten machen Gewinnrevisionen<br />

und weitere Kursrückgänge wahrscheinlich.<br />

Wappnen gegen<br />

den Abschwung<br />

Schutzbekleidung<br />

bei Thyssen-Stahl<br />

Industrieproduktion, Exporte,<br />

Auftragseingänge – die deutsche<br />

Wirtschaft erleidet die<br />

stärksten Rückschläge seit fünf<br />

Jahren. Für die Aktienmärkte ist<br />

das ein ernstes Warnsignal. Bisher<br />

gingen die Prognosen davon<br />

aus, dass die Wirtschaft in<br />

Deutschland nach dem schwachen<br />

Frühjahr in der zweiten<br />

Jahreshälfte an Fahrt gewinnt<br />

und 2015 dann rund 1,5 Prozent<br />

Wachstum schafft. Von diesem<br />

positiven Szenario ist die Konjunktur<br />

derzeit weit entfernt.<br />

Führende Industriekonzerne<br />

im Dax bekommen das zu spüren.<br />

Bei Siemens zeichnen sich<br />

niedrigere Margen im Kraftwerksgeschäft<br />

ab, Kunden von<br />

BASF bauen eher Lagerbestände<br />

ab, als neu zu bestellen,<br />

ThyssenKrupp muss seit Jahresanfang<br />

sinkende Stahlpreise<br />

verkraften. Über alle Branchen<br />

hinweg trüben sich die Erwartungen<br />

ein, <strong>vom</strong> ifo-Geschäftsklimaindex<br />

kommen Verkaufssignale<br />

(siehe Seite 120).<br />

Um die optimistischen Gewinnprognosen<br />

der Banken zu<br />

erfüllen, müssten die Dax-Unternehmen<br />

im vierten Quartal<br />

zehn Prozent mehr Gewinn machen<br />

als im gleichen Zeitraum<br />

2013. Das ist kaum noch zu<br />

schaffen, Prognosekürzungen<br />

werden immer wahrscheinlicher.<br />

Das drückt die Kurse.<br />

Auch wenn die Europäische<br />

Notenbank in den nächsten<br />

Monaten mit Staatsanleihenkäufen<br />

gegensteuert – an der<br />

konjunkturellen Schlagseite<br />

für die Börsen wird sie vorerst<br />

nichts mehr ändern.<br />

Trends der Woche<br />

Entwicklung der wichtigsten Finanzmarkt-Indikatoren<br />

Stand: 9.10.2014 / 18.00 Uhr aktuell seit einer Woche 1 seit einem Jahr 1<br />

Dax 30 9005,02 –2,1 +5,7<br />

MDax 15201,89 –2,3 +1,6<br />

Euro Stoxx 50 3042,45 –2,1 +4,7<br />

S&P 500 1942,07 –0,2 +17,2<br />

Euro in Dollar 1,2763 +1,0 –5,6<br />

Bund-Rendite (10 Jahre) 1 0,83 –0,02 2 –0,97 2<br />

US-Rendite (10 Jahre) 1 2,29 –0,12 2 –0,35 2<br />

Rohöl (Brent) 3 91,03 –1,5 –16,0<br />

Gold 4 1226,75 +1,2 –5,9<br />

Kupfer 5 6767,00 +1,1 –5,2<br />

1<br />

in Prozent; 2 in Prozentpunkten; 3 in Dollar pro Barrel; 4 in Dollar pro Feinunze,<br />

umgerechnet 964,96 Euro; 5 in Dollar pro Tonne; Quelle: vwd group<br />

FOTOS: BERT BOSTELMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, REUTERS/FASSBENDER, IMAGO/FOTOARENA<br />

114 Nr. 42 <strong>13.10.2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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