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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 13.10.2014 (Vorschau)

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Mit Unterstützung von Deloitte*<br />

»Unternehmen<br />

sollten<br />

sich ein<br />

hässliches<br />

Entlein<br />

zum Aufpolieren<br />

suchen«<br />

China-Experte<br />

Mike Braun von Deloitte<br />

Go east<br />

Firmenübernahmen und<br />

-fusionen deutscher<br />

Unternehmen in Osteuropa<br />

und Asien<br />

(2004–2013)<br />

Osteuropa<br />

(ohne Russland)<br />

Asien<br />

(ohne China)<br />

China<br />

Russland<br />

Quelle: Universität<br />

St. Gallen<br />

53<br />

139<br />

122<br />

102<br />

„Mit einer Akquisition kaufen Sie sich einen Markt, eine<br />

Marke, Kunden und Kontakte“, sagt der Vertreter<br />

des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft in<br />

Polen. „Das geht gerade im Ausland viel schneller, als<br />

selbst zu bauen.“<br />

Doch wie auf die Schnelle ein geeignetes Unternehmen<br />

finden? Im Inland ist das kein Problem, da<br />

kennen Unternehmer wie Faltschachtelproduzent<br />

Schröder Wettbewerber, Zulieferer und Abnehmer.<br />

Aber im Ausland?<br />

Schröders Problem ist Brauns Geschäft. Der Deloitte-Berater<br />

vermittelt Firmen Partner wie Ehestifter<br />

Gatten oder Gattinnen. „Mittelständisches Unternehmen<br />

sucht attraktive chinesische Partnerin“, so und<br />

ähnlich lauten die Kontaktanzeigen in seinem Business.<br />

Braun erzählt von Unternehmern, die ihre<br />

Branche bei Alibaba eingeben – und hoffen, dass die<br />

chinesische Online-Handelsplattform ein passendes<br />

Unternehmen auswirft. Andere Mittelständler suchten<br />

das perfekte Unternehmen zum niedrigsten Preis<br />

– als sei China der Wühltisch im globalen Unternehmenskaufhaus.<br />

Braun geht lieber systematisch vor und beginnt mit<br />

der „Primärdatenerhebung“, wie er sagt. Dazu verlässt<br />

er seinen Schreibtisch, spricht mit Außenhandelskammern,<br />

Verbänden, Lieferanten und Kunden.<br />

„Unternehmen sollten keinen eleganten Schwan suchen,<br />

sondern ein hässliches Entlein, das sie aufpolieren<br />

müssen“, rät Braun. Allerdings gehöre dazu<br />

auch der Blick für faule Eier: Hinterzieht das Unternehmen<br />

Steuern? Gehört ihm tatsächlich der gesamte<br />

Grund? Müssen europäische Sicherheitsstandards<br />

erst teuer umgesetzt werden? Solche Probleme seien<br />

in China Alltag, sagt der Experte.<br />

Unternehmen Wuppermann ist vor drei Jahren<br />

fündig geworden und berichtete vergangenes Jahr auf<br />

dem Mittelstandstag der FOM-Hochschule in Essen<br />

<strong>vom</strong> Geschäftsalltag im Osten. Gemein sei Polen und<br />

China das große Wirtschaftswachstum, dozierte der<br />

Mittelständler, aber sonst trenne sie vieles. Während<br />

Polen etwa Rechtssicherheit biete, zuckten Chinesen<br />

da oft nur mit den Achseln.<br />

So schwärmte Wuppermann auf der einen Seite<br />

davon, wie er das polnische Stahlwerk der insolventen<br />

Alpos-Gruppe in Malomice ersteigerte. Das habe<br />

sich gelohnt, weil das polnische Insolvenzrecht in solchen<br />

Fällen jegliche Folgekosten von vornherein ausschließe.<br />

Andererseits musste Wuppermann viele<br />

Fragen beantworten: Was sollte er mit dem Klärwerk<br />

anfangen, das auch zur Stahlfabrik gehörte? Und wie<br />

sollte er in der polnischen Provinz genügend Fachkräfte<br />

finden?<br />

„Wir hatten einfach Glück“, sagt Wuppermann heute.<br />

Aber er hatte auch ein paar gute Ideen: Schon vor<br />

der Auktion fragte er den ehemaligen Werksleiter, ob<br />

dieser nicht Lust habe, das Werk wieder ans Laufen zu<br />

bringen – der Mann hatte. Schon vor der Auktion verhandelte<br />

Wuppermann mit der Gemeinde, ob sie<br />

nicht das Klärwerk für einen symbolischen Zloty kaufen<br />

wolle – sie wollte. Am Ende brachte die Kommune<br />

auf dem Kopfsteinpflaster sogar eine Teerdecke auf.<br />

Längst nicht so glatt ging es 840 Kilometer westlich,<br />

am Edelmann-Firmensitz in Heidenheim an der<br />

Brenz. Firmenchef Schröder verhandelte mit den Managern<br />

des chinesischen Verpackungsherstellers Beijing<br />

Theis Pharmaceutical Packaging and Printing<br />

aus Peking. Einer der neuralgischen Punkte war die<br />

Frage nach dem in China illegalen Dreischichtbetrieb.<br />

Die chinesischen Manager lächelten freundlich,<br />

auch als sie im Laufe der Verhandlungen einräumen<br />

mussten, dass Teile des Grundstücks dem Unternehmen<br />

gar nicht gehörten.<br />

Als Schröder daraufhin einen Preisnachlass raushandeln<br />

wollte, lächelten die Chinesen nicht mehr.<br />

Sechs Stunden musste er neben dem Kaufpreis über<br />

mögliche Abfindungen für die jetzigen Manager streiten<br />

oder darüber, wer künftig welchen Dienstwagen<br />

fahren darf. Am Ende war Schröder zufrieden und<br />

kam zu seinem Werk für Medikamentenschachteln in<br />

China.<br />

Dabei beherzigte der Schwabe offenbar, was Experten<br />

Mittelständlern bei Übernahmen in Ländern wie<br />

China und Polen empfehlen. Sie sollten sich bei Verhandlungen<br />

auf keinen Fall ausschließlich auf den<br />

Preis konzentrieren, sondern ein umfassendes Paket<br />

schnüren. So empfehle es sich, die persönliche Situation<br />

des veräußernden Eigentümers und der Eigentümerfamilie<br />

zu berücksichtigen, meint Deloitte-Berater<br />

Braun: „Das besondere Verständnis der Situation<br />

außerhalb der rein kaufmännischen Denkweise führt<br />

in diesen Ländern oft erst zu einem Zuschlag und darüber<br />

hinaus zu einem angemessenen Kaufpreis.“<br />

Oft fängt die eigentliche Arbeit erst nach der Einigung<br />

an. „Der Vertragsabschluss ist nicht das Ende einer<br />

Übernahme, sondern der Anfang“, sagt Stahlunternehmer<br />

Wuppermann. Denn es gelte, ein fremdes<br />

Unternehmen in die eigenen Strukturen einzupassen,<br />

den Spagat zwischen Hierarchie und Autonomie<br />

der neuen Tochter zu schaffen und die fremde Belegschaft<br />

mitzunehmen. Seine immerhin 70 neuen Mitarbeiter<br />

in Polen etwa sprachen kaum Deutsch.<br />

Östlich der Neiße wollten die Arbeiter nicht verstehen,<br />

wieso sie unter ihrem neuen Eigentümer schneller<br />

arbeiten sollten. „Sozialistische Altlasten“, vermutet<br />

Wuppermann als Ursache: „Das wird sich schon<br />

lösen.“ Er setzt darauf, dass sein neuer Ableger das<br />

Problem lösen wird: „Wir sind eine Unternehmensgruppe<br />

mit vielen kleinen Standorten, mit Zentralismus<br />

haben wir wenig zu tun.“<br />

Verpackungshersteller Schröder hat seine neue Fabrik<br />

in Peking zum „Klein-Heidenheim“ umgestaltet,<br />

wie er sagt. Dazu habe er den Maschinenpark auf Vordermann<br />

gebracht – und die Mitarbeiter mit Gummibärchen<br />

und Milka-Schokolade aufgemuntert. n<br />

victor gojdka | unternehmen@wiwo.de<br />

* Die Inhalte auf diesen Seiten wurden von der<br />

WirtschaftsWoche redaktionell unabhängig erstellt.<br />

WirtschaftsWoche <strong>13.10.2014</strong> Nr. 42 85<br />

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