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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 13.10.2014 (Vorschau)

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Technik&Wissen<br />

»<br />

turniere auf der Kölner Spielemesse<br />

Gamescom oder eigene Veranstaltungen<br />

wie die Pariser All-Star Challenge im Mai<br />

die Massen. Viele Unternehmen nutzen<br />

das Umfeld, um für sich zu werben. Ob Intel,<br />

AOL, Acer, Samsung – die Trikots der<br />

Teams sind übersät mit den Namen großer<br />

Konzerne.<br />

„Was die Zuschauerzahlen und unsere<br />

Reichweite betrifft, sind wir attraktiver als<br />

ein Zweitligaverein im Fußball“, versichert<br />

Müller. Eine Mannschaft wie SK Gaming<br />

zählt 500 000 Follower bei Facebook und<br />

nochmal 70 000 bei Twitter – der 1. FC Köln<br />

hat nur wenig mehr. Der deutsche Computeranbieter<br />

Medion nutzt die Popularität<br />

des Clans bereits für sich. Der Hauslieferant<br />

von Aldi und seit einiger Zeit Teil des<br />

chinesischen IT-Riesen Lenovo ist Hauptsponsor<br />

von SK Gaming. Mit den Gesichtern<br />

der Spieler versucht Medion eine junge,<br />

männliche, technikaffine Zielgruppe zu<br />

erreichen. Beim Fußball kaufen die Fans<br />

die Schuhe ihrer Stars – im E-Sports ist das<br />

mit Tastatur und Maus nicht anders.<br />

„Unsere Spieler verdienen mindestens<br />

50 000 Dollar im Jahr. Je nachdem wie erfolgreich<br />

sie sind, sind es auch 100 000 oder<br />

mehr“, erzählt Müller. Zudem zahle SK Gaming<br />

die Reisen, die Hardware, die Lebenshaltung<br />

während der drei bis sechs Jahre einer<br />

Profikarriere. In Südkorea verdienen<br />

manche Stars das Zehnfache. Zudem ist<br />

das Ansehen der Profi-Gamer im Ausland<br />

besser. Ein Grund für viele, in die USA, nach<br />

China oder Südkorea zu wechseln.<br />

JEDER VIERTE DEUTSCHE DADDELT<br />

Immerhin gehört die deutsche Spielerszene<br />

zu einer der größten weltweit. Schätzungen<br />

gehen von gut 40 000 E-Sport-<br />

Clans in Deutschland aus. Laut Bundesverband<br />

Interaktive Unterhaltungssoftware<br />

(BIU) spielen hierzulande mehr als 20 Millionen<br />

Menschen regelmäßig Computerspiele.<br />

„League of Legends und Dota 2 dominieren<br />

klar in Bezug auf die Nutzung“,<br />

sagt David Cole <strong>vom</strong> US-Marktforscher<br />

DFC Intelligence. Für 2014 erwarten die<br />

Experten einen Umsatz von 25 Milliarden<br />

Dollar auf dem Markt der PC-Spiele.<br />

Die Electronic Sports League (ESL), betrieben<br />

von der Kölner Turtle Entertainment<br />

und so etwas wie ein Pendant zum<br />

Deutschen Fußball-Bund (DFB), spricht<br />

von immerhin 1,4 Millionen aktiven LoL-<br />

Spielern hierzulande. Die wenigstens sind<br />

Profis, aber für die meisten ist das Spiel<br />

mehr als eine gelegentliche Freizeitbeschäftigung.<br />

Der DFB zählt zwar knapp sieben<br />

Millionen Mitglieder und etwa 25 000<br />

Clubs. In die Bundesliga schafft es aber<br />

auch hier nur ein Bruchteil der Aktiven.<br />

Nun ist der DFB bald 115 Jahre alt. League<br />

of Legends gibt es erst seit 2009, und<br />

die Spieler- und Zuschauerzahlen wachsen<br />

ständig weiter. „Es ist großartig, zu sehen,<br />

wie weit E-Sport in der kurzen Zeit<br />

gekommen ist“, sagt Dustin Beck, bei Riot<br />

Games verantwortlich für das Thema. Die<br />

US-Firma in chinesischem Besitz hat LoL<br />

entwickelt und bietet es kostenlos an. Umsätze<br />

macht sie mit virtuellen Zusatzinhalten,<br />

etwa besonderen Avataren für die<br />

Spieler.<br />

Längst ähneln die Gepflogenheiten im<br />

E-Sport denen im Profifußball. Hohe Ablösesummen<br />

bei Spielertransfers, mehrtägige<br />

Sperren für schlechtes Benehmen,<br />

ein ausgebildeter Trainerstab und sogar<br />

Sportpsychologen sind nicht mehr ungewöhnlich.<br />

Viele ehemalige Gamer werden<br />

zu Kommentatoren, Trainern oder Managern.<br />

Wie in der Bundesliga gibt es bei<br />

Wettbewerben eine ausführliche Vorberichterstattung<br />

auf den Videoplattformen<br />

im Netz. Die stellen Spieler vor, küren Favoriten.<br />

Einspieler und O-Töne der Profis<br />

stimmen das Publikum auf die große<br />

Show ein.<br />

Das deutsche<br />

LoL-Team ist fast<br />

so populär<br />

wie der 1. FC Köln<br />

Virtuelles real Fans von League of Legends<br />

kleiden sich gern wie die Helden des Spiels<br />

Wichtiger virtueller Treffpunkt der Fans<br />

ist Twitch Die Plattform bietet im Unterschied<br />

zu YouTube die Möglichkeit, die<br />

Spiele live zu erleben. Auch außerhalb der<br />

Profiwettbewerbe tummeln sich hier täglich<br />

gut 70 000 Zuschauer – und das nur bei<br />

LoL. Fans und Profis kommen sich hier so<br />

nah wie sonst nirgends. „80 Prozent des Inhalts<br />

bei Twitch ist reiner E-Sport, und wieder<br />

50 Prozent davon ist nur LoL“, sagt Müller.<br />

Dass Amazon zuschlage, könne er angesichts<br />

des Wachstumspotenzials verstehen,<br />

erklärt er die überraschende Übernahme<br />

durch den US-Konzern, der zunehmend<br />

ins Mediengeschäft expandiert.<br />

KOMMENTATOR IN VOLLZEIT<br />

Twitch hat auch die Selbstvermarktung der<br />

Spieler auf eine neue Stufe gehoben. Das<br />

Stichwort lautet Letsplay: Profis spielen<br />

quasi vor laufender Kamera und erklären<br />

per Videostream ihre Taktiken und Strategien.<br />

Viele haben sich so auf eigene Faust<br />

eine treue Fangemeinde aufgebaut, manche<br />

mit Millionen Mitgliedern. Bei Twitch<br />

wird aber nicht nur zugeschaut, Spieler<br />

und Fans diskutieren per Chat – manchmal<br />

dürfen ein paar Glückliche sogar mit ihren<br />

Stars zusammen spielen.<br />

Einer der bekanntesten Streamer in<br />

Deutschland ist Maxim Markow aus Berlin.<br />

Sein Kanal bei Twitch hat 50 000 Abonnenten.<br />

Er besitzt mittlerweile ein eigenes Studio,<br />

professionelle Ausrüstung, Gäste, Interviews,<br />

Analysen – er ist zum Vollzeit-<br />

Kommentator geworden, der sein Hobby<br />

zum Beruf gemacht hat. Seinen Lebensunterhalt<br />

verdient er durch Werbeverträge,<br />

Sponsoren und Spender. Von den Weltmeisterschaften<br />

in Südkorea berichtet er<br />

live zusammen mit einigen Kollegen –<br />

nicht vor Ort, sondern dank Streaming aus<br />

dem eigenen Studio.<br />

Noch ist E-Sport für Alexander Müller<br />

von SK Gaming ein Hidden Champion. So<br />

wie die vielen unbekannten Weltmarktführer<br />

aus dem heimischen Mittelstand. Die<br />

Professionalität, das Wachstumspotenzial<br />

und all die kleinen und großen Erfolgsgeschichten<br />

des Computersports sind längst<br />

vergleichbar. In der breiten Öffentlichkeit<br />

ist das bisher noch nicht angenommen.<br />

Ändern wird sich das wohl erst, wenn ein<br />

deutsches Werksteam von Siemens, Deutscher<br />

Telekom oder SAP bei den Leagueof-Legends-Weltmeisterschaften<br />

antritt –<br />

so wie es der Elektronikkonzern Samsung<br />

vormacht: Er ist mit gleich zwei eigenen<br />

Clans im Sangam-Stadion am Start. n<br />

thiemo bräutigam | technik@wiwo.de<br />

FOTO: BESTIMAGE/HUGO WINTREBERT<br />

92 Nr. 42 <strong>13.10.2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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