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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 13.10.2014 (Vorschau)

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Einblick<br />

Geschäftsberichte, Markenkommunikation und<br />

Terror als Produkt. Der „Islamische Staat“ agiert wie<br />

ein globaler Konzern. Von Miriam Meckel<br />

Kriegsökonomie<br />

FOTO: FRANK SCHEMMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

Die Geschäfte der radikalen Terrororganisation<br />

„Islamischer<br />

Staat“ („IS“) laufen blendend.<br />

Das klingt schrecklich, ist aber<br />

wahr. Der Kampf um Kobane in Nordsyrien<br />

ist nur eine weitere martialische<br />

Transaktion. Sie ist ausgerichtet auf eine<br />

geopolitische Übernahme – so steigert der<br />

„IS“ seinen Macht- und Marktanteil gegenüber<br />

der internationalen Anti-Terror-<br />

Allianz. Mit bedrückender strategischer<br />

und operativer Präzision arbeiten sich die<br />

Dschihadisten im Mittleren Osten vor. Der<br />

„IS“ ist der reichste und bestorganisierte<br />

Terrorkonzern der Welt. Sein Produkt ist<br />

der Terror, seine Währung die Angst.<br />

Seit 2011 wurde konsequente Arbeit geleistet.<br />

Der „IS“ agiert nicht nur auf<br />

schreckliche Weise kompromisslos. Er legt<br />

über sein Vorgehen in Geschäftsberichten<br />

(„al-Naba“, die Nachricht) Rechenschaft ab<br />

– in Optik und Anmutung ausgerichtet an<br />

Konzernen der Weltwirtschaft und angereichert<br />

mit professionellen Infografiken.<br />

Ihre KPIs (Key Performance Indicators)<br />

heißen: Mordanschläge, Sprengstoffattacken,<br />

Enthauptungen.<br />

Das Institute for the Study of War in Washington<br />

hat die Berichte systematisch<br />

ausgewertet. Allein für das Jahr 2013 verzeichnet<br />

das Portfolio der Terroristen 1083<br />

Morde, 607 Granatenangriffe, 4465 Sprengstoffanschläge.<br />

Der Bericht liefert die Zahlen<br />

nach Bedarf auch noch differenzierter,<br />

auf einzelne Regionen der umkämpften<br />

Gebiete heruntergebrochen.<br />

Die Geschäfte des „Islamischen Staats“<br />

laufen auch finanziell blendend. Um die<br />

425 Millionen Dollar soll die Terrormiliz allein<br />

durch die Plünderung der Zentralbank<br />

von Mossul erbeutet haben. Laufende Einnahmen<br />

stammen aus Schutzsteuern der<br />

Bevölkerung und dem Schwarzhandel mit<br />

Öl aus Quellen in den kontrollierten Gebieten.<br />

Für uns alle ist der Preis hoch: Menschen<br />

werden zu Hunderten brutal abgeschlachtet.<br />

Eine Milliarde Dollar hat der<br />

Kampf gegen den „IS“ die USA bereits gekostet.<br />

Es wird noch viel teurer werden –<br />

Kosten der Konjunktureinbrüche, Destabilisierung<br />

und des Vertrauensverlusts. In einer<br />

Ökonomie der Aufmerksamkeit ist<br />

Angst für Terroristen die härteste Währung.<br />

Uneinigkeit und Partialinteressen bei<br />

den Stakeholdern im arabischen Raum<br />

treiben die Preise hoch. Saudi-Arabien unterstützt<br />

offiziell die US-geführte Allianz im<br />

Kampf gegen den „IS“. Doch auf versteckten<br />

Wegen fließt das Geld von Großfinanziers<br />

im Land in die Kassen der Terroristen.<br />

Die Türkei dagegen, Nato-Partner, wir erinnern<br />

uns dunkel, hat für ihre Panzer an der<br />

Grenze zu Syrien Dauerparkplätze eingerichtet.<br />

Da stehen sie nun rum. Präsident<br />

Erdogan will vor allem eines nicht:die Kurden<br />

in Syrien unterstützen – und liefert ein<br />

Beispiel für politischen „moral hazard“. Die<br />

Türkei will den Nato-Bündnisfall provozieren,<br />

um dann <strong>vom</strong> politischen „Bail-out“<br />

zu profitieren. Diese Uneinigkeit der Staaten<br />

in der Region lässt sich durch den „IS“<br />

wunderbar hedgen: als Absicherung seiner<br />

Strategie geopolitischer und ideologischer<br />

Anteilsübernahme.<br />

TERRORBRANDING IM INTERNET<br />

Alles, was der „Islamische Staat“ tut, ist<br />

durch eine professionelle Kommunikation<br />

des Grauens unterlegt. Videos von Enthauptungen<br />

und Autobombenexplosionen<br />

sind überall im Internet zu finden und verbreiten<br />

sich viral. Im Umgang mit Twitter<br />

und YouTube schlägt der „IS“ manchen US-<br />

Großkonzern. Eine eigene App („Die Morgendämmerung<br />

der Freudenbotschaft“),<br />

die das Telefon der Nutzer hackt und<br />

„IS“-Botschaften am laufenden Bit sendet,<br />

wurde durch Google gestoppt. Aber: Ein<br />

Twitter-Konto wird abgeschaltet, zehn<br />

neue entstehen. Das Internet ist eine große<br />

Marketingplattform – auch für Terroristen.<br />

Die Terrormiliz hat eine starke Marke.<br />

Sie lässt sich auch für die Rekrutierung von<br />

Nachwuchskämpfern effizient nutzen:<br />

„Employer Branding“ für potenzielle<br />

Selbstmordattentäter und Söldner des<br />

grausamen Tötens. Wie weit die Zuversicht<br />

in ein gelungenes Leben und eine hoffnungsvolle<br />

Zukunft bei denen heruntergewirtschaftet<br />

sein muss, die sich davon<br />

blenden lassen, will man sich kaum vorstellen.<br />

n<br />

WirtschaftsWoche <strong>13.10.2014</strong> Nr. 42 3<br />

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