ptj_2014-3
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Aktuelles aus der Forschung<br />
nachfolgenden, durch das sudden gain<br />
möglicherweise ausgelösten Veränderungen<br />
besteht.<br />
Kommentar: Die vorliegende Metaanalyse<br />
wurde methodisch im Rahmen der Möglichkeiten<br />
der bis dato publizierten Studien<br />
sehr gut durchgeführt und enthält einige<br />
wichtige Implikationen für die psychotherapeutische<br />
Praxis: Patienten sollten gemäß<br />
Informationspflicht des Psychotherapeuten<br />
auf mögliche Veränderungssprünge<br />
im Rahmen einer Psychotherapie aufgeklärt<br />
werden.<br />
Diskontinuierliche Verlaufsmuster wie z. B.<br />
sudden gains scheinen zudem ein sehr<br />
allgemeines Phänomen darzustellen, welches<br />
sowohl während einer Psychotherapie<br />
als auch bei einer Placebobehandlung<br />
und einer Pharmakotherapie auftritt (Vittengl<br />
et al., 2005).<br />
Diskontinuität und kognitive Veränderungen während einer expositionsbasiertenkognitiven<br />
Verhaltenstherapie bei depressiven Patienten<br />
Hayes, A. M., Feldman, G. C., Beevers, C.<br />
G., Laurenceau, J. P., Cardaciotto, L. A. &<br />
Lewis-Smith, J. (2007). Discontinuities<br />
and cognitive changes in an exposure-based<br />
cognitive therapy for depression.<br />
Journal of Consulting and Clinical<br />
Psychology, Special Section: Cognitive<br />
Processes and Psychotherapy 3, 409-21.<br />
Hayes und Kollegen haben in ihrer Studie<br />
bei 29 depressive Patienten untersucht, inwiefern<br />
ein „rapid early response“ oder ein<br />
„depressive spike“ im Rahmen von 20 Einzelsitzungen<br />
„Exposure-Based Cognitive<br />
Therapy (EBCT)“ auftrat. Die Autoren grenzen<br />
hierbei ein rapid early response von einem<br />
sudden gain gemäß Tang et al. (1999)<br />
ab. Vorliegende Studie wurde konzipiert, um<br />
einen depressive spike zu induzieren, um<br />
dann ein möglicherweise daran anschließendes<br />
rapid response (Reduktion der depressiven<br />
Symptomatik um mind. 60% in der<br />
fünften Sitzung) zu ermöglichen.<br />
Einleitend erwähnen die Autoren, dass beide<br />
Verlaufsmuster wichtige Marker für Veränderungen<br />
und gleichzeitig Prädiktoren für<br />
den Psychotherapieerfolg darstellen, weshalb<br />
zunächst ein Review des aktuellen Forschungsstandes<br />
dazu folgt. Plötzliche Verbesserungen<br />
treten in 60-80% der Fälle in<br />
der dritten Behandlungswoche auf. Mit rapid<br />
response scheint die Variable Hoffnung<br />
eng assoziiert zu sein: Eine frühe Reduktion<br />
von Hoffnungslosigkeit, wie sie in der Psychotherapie<br />
bei depressiven Patienten mitunter<br />
auftritt, kann u. a. den psychotherapieerfolg<br />
vorhersagen. Hingegen wird das<br />
Gegenteil einer plötzlichen Verbesserung,<br />
ein sog. depressive spike, als vorübergehende,<br />
psychische Systemdestabilisierung<br />
beschrieben, welche für eine Reorganisation<br />
Voraussetzung ist, sobald eine Assimilation<br />
des Individuums nicht mehr ausreicht.<br />
Der emotionale Stress, der mit einem solchen<br />
spike einhergeht, kann als notwendiger<br />
Katalysator hinsichtlich dramatischer<br />
Veränderungen im Leben eines Patienten<br />
bewertet werden.<br />
Die Autoren der Studie leiten anschließend<br />
aus der Verhaltenstherapie von Angststörungen<br />
ab, dass Exposition bei depressiven<br />
Patienten auch sinnvoll sein könnte, um<br />
Vermeidung zu reduzieren und kognitive<br />
Einsicht zu generieren. Hierfür sollten zunächst<br />
kognitive, affektive, behaviorale und<br />
somatische Komponenten des neuronalen<br />
Netzwerks der Depression des Patienten<br />
aktiviert werden, um die individuelle Toleranzschwelle<br />
und die Verarbeitung von vermiedenen<br />
Gefühle und Gedanken beim<br />
Patienten zu erhöhen. Auf Basis dieser Annahmen<br />
haben die Autoren ein integratives<br />
Psychotherapiekonzept für depressive Patienten<br />
entwickelt und in vorliegender Studie<br />
angewendet (Hayes et al., 2000): „Exposure-Based<br />
Cognitive Therapy (EBCT)“. Der<br />
spezielle, integrative psychotherapeutische<br />
Ansatz von Hayes und Kollegen beinhaltet<br />
u. a. Aktivitätenaufbau, Mindfulness-Based-<br />
Therapiebausteine, schemafokussierte und<br />
emotionsfokussierte Methoden, um „kognitiv-emotionales<br />
Prozessieren“ zu ermöglichen.<br />
Die Autoren prognostizieren für die<br />
Expositions- und Aktivierungsphase im Rahmen<br />
der beschriebenen Psychotherapieform<br />
ein depressive spike. Zudem äußern<br />
die Autoren die Hypothese, dass sowohl<br />
depressive spikes als auch ein rapid response<br />
ein positives Psychottherapieergebnis<br />
begünstigen.<br />
Insgesamt umfasste die ursprüngliche<br />
Stichprobe 33 Patienten, von denen neun<br />
Patienten Antidepressiva einnahmen, welche<br />
sie auch im Verlauf der Psychotherapie<br />
im Rahmen der Studie weiter einnahmen.<br />
Von den 33 Patienten nahmen 29 Patienten<br />
an mindestens zwölf von den vorgesehenen<br />
20 einzeltherapeutischen Sitzungen<br />
teil, wobei innerhalb dieser zwölf Sitzungen<br />
vier aktivierende Expositionssitzungen<br />
durchgeführt wurden. Als Messinstrumente<br />
hinsichtlich der Veränderung der<br />
depressiven Symptome wurden die Patienten<br />
gebeten, einmal wöchentlich vor<br />
der bevorstehenden Einzeltherapiesitzung<br />
innerhalb von 20 Minuten ihre persönlichsten<br />
Gedanken und Gefühle hinsichtlich<br />
der Depression schriftlich festzuhalten.<br />
Diese Aufzeichnungen wurden von erfahrenen<br />
psychologischen Ratern mit der<br />
„Change and Growth Experiences Scale“<br />
quantifiziert. Diese Skala beinhaltet u. a.<br />
Fragen zu „Hoffnung“ und „emotional-kognitive<br />
Prozesse“. Zusätzlich wurde die Modified<br />
Hamilton Rating Scale for Depression<br />
(MHRSD) verwendet, um Veränderungen<br />
hinsichtlich der depressiven Symptome<br />
zu detektieren. Hierarchische lineare<br />
Modelle wurden verwendet, um die Art<br />
der Veränderung zu erfassen (linear, quadratisch,<br />
kubisch). Darüber hinaus wurden<br />
Regressionen mit den Prädiktoren depressive<br />
spike und rapid response berechnet.<br />
Die prognostizierte kubische Verlaufsform<br />
der Veränderung konnte bestätigt werden<br />
(Verbesserung, gefolgt von Verschlechterung,<br />
gefolgt von Verbesserung). 41% der<br />
Patienten hatten ein rapid early response,<br />
welches durchschnittlich in der fünften Sitzung<br />
auftrat. 62% der Patienten erlebten<br />
mindestens einen depressive spike, welcher<br />
am häufigsten in der achten Sitzung<br />
auftrat. Die Patienten mit einem rapid early<br />
response hatten in allen darauffolgenden<br />
Sitzungen niedrigere Gesamtscores im<br />
MHRSD als nonrapid early responders. Beide<br />
Verlaufsmuster (early rapid response,<br />
depressive spike) konnten geringere depressive<br />
Symptome zu Psychotherapieende<br />
vorhersagen. Rapid-early-response-Patienten<br />
zeigten in Stunde vier erhöhte Hoffnung<br />
276 Psychotherapeutenjournal 3/<strong>2014</strong>