ptj_2014-3
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Mitteilungen der Psychotherapeutenkammer<br />
Hessen<br />
Aus nicht nur<br />
psychodynamischer<br />
Sicht wurde<br />
die Qualität<br />
psychotherapeutischer<br />
Heilkunde<br />
bisher im Wesentlichen<br />
durch<br />
eine verfahrensgebundene<br />
vertiefte<br />
Ausbildung<br />
Birgit Pechmann<br />
gewährleistet.<br />
Damit liegt dem therapeutischen Handeln<br />
eine umfassende Theorie der Entstehung<br />
und Aufrechterhaltung von Krankheiten<br />
zugrunde, aus der das klinische Vorgehen<br />
abgeleitet wird. Diese Grundannahmen<br />
und das damit verbundene Veränderungswissen<br />
bestimmen die therapeutische Haltung,<br />
die Gestaltung der therapeutischen<br />
Beziehung sowie des therapeutischen Prozesses.<br />
Sie erlauben eine systematische<br />
Reflexion des Geschehens, insbesondere<br />
wenn dieses stockt, in Krisen gerät. Die<br />
Identifikation des Psychotherapeuten mit<br />
dem von ihm angewandten Verfahren, die<br />
„Allegiance“, hat sich in der Wampold-Studie<br />
(2001) als ein wesentlicher Wirkfaktor<br />
innerhalb der Behandlung gezeigt. Demgegenüber<br />
steht eine Position in der Profession,<br />
die störungsspezifische Ansätze<br />
und eine Art verfahrens- und methodenübergreifende<br />
„integrative Psychotherapie“<br />
als Behandlungsmodell der Zukunft favorisiert.<br />
Ein Argument dafür ist, dass es keine<br />
empirischen Beweise für eine Verfahrensbindung<br />
als Voraussetzung für den Therapieerfolg<br />
gebe. Umgekehrt gibt es allerdings<br />
auch bisher keinerlei empirische Belege<br />
über die Wirksamkeit eines solchen<br />
Modells einer „allgemeinen Psychotherapie“<br />
(vgl. u. a. ausführliche Darstellung im<br />
PTJ 4-2009 u. f.). In dem aktuell erstellten<br />
Berufsbild ist der Verfahrensbezug als systematische<br />
Grundlage psychotherapeutischer<br />
Heilkunde nicht enthalten.<br />
Die an eine basale Direktausbildung anknüpfende<br />
Weiterbildung soll dem Vorbild<br />
der fachärztlichen Weiterbildung nachgebildet<br />
werden. Neben der offenen Frage<br />
der Finanzierung steht dabei ein qualitatives<br />
Moment auf dem Spiel: An Stelle der<br />
bisherigen kohärenten curricularen Psychotherapeutenausbildung<br />
könnte eine<br />
Sammlung modularer Bausteine stehen. In<br />
der Diskussion in den Kammern und auf<br />
BPtK-Ebene bzgl. der WBO/M-WBO findet<br />
eine parallele Kontroverse statt: Vertreten<br />
die Kammern weiterhin eine Trennung von<br />
Ausbildung und Weiterbildung, um z. B.<br />
eine fundierte Ausbildung in einem vertieften<br />
Verfahren zu gewährleisten? Oder geht<br />
vieles gleichzeitig via Mehrfachanerkennungen<br />
von Ausbildungsbestandteilen?<br />
Wird weiterhin eine curriculare Weiterbildung<br />
„aus einer Hand“ gefordert und damit<br />
unterstützt – oder eher eine Ansammlung<br />
von Modulen, um die Behandlungsberechtigung<br />
zu erreichen – wie in der<br />
ärztlichen Weiterbildung? In einer aktuellen<br />
Mitgliederbefragung des Marburger Bundes<br />
von <strong>2014</strong> zeigten sich über die Hälfte<br />
der befragten jungen Mediziner unzufrieden<br />
mit der Struktur und der inhaltlichen<br />
Vermittlung der fachärztlichen Weiterbildung.<br />
Die Forderung nach einer Befugniserweiterung<br />
erscheint als überfällige Beseitigung<br />
berufsrechtlicher Beschränkungen. Sie ist,<br />
wie Walz-Pawlita und Müller 2010 formulierten,<br />
auch ein „Aufgeben der Arbeit mit<br />
psychischen Mitteln durch die Ermöglichung<br />
des Einsatzes anderer Mittel“ (Psyche,<br />
64 (7), S. 596). Dabei stellen sich<br />
einige Fragen hinsichtlich der die therapeutische<br />
Behandlung schützenden Abstinenz.<br />
Befugniserweiterungen und Akut-<br />
Sprechstunden, der Psychotherapeut als<br />
„Lotse“ – analog dem Hausarzt? –, wie in<br />
neuen Versorgungsmodellen vorgeschlagen,<br />
verändern den psychotherapeutischen<br />
Behandlungsrahmen erheblich, mit<br />
Rückwirkungen auf dessen Inhalt.<br />
Die angestrebte Parallelisierung der Ausbildung<br />
zum Medizinstudium, Parallelsierungen<br />
in der Berufsausübung sind argumentativ<br />
mit der Hoffnung verbunden, als ein<br />
der Medizin gleichberechtigter akademischer<br />
Heilberuf „anerkannt“ zu werden.<br />
Demgegenüber könnte ein Plädoyer für<br />
eine „Kooperation auf Augenhöhe“ im<br />
Austausch der jeweiligen Expertise und<br />
Funktion mit ärztlichen Kollegen stehen –<br />
die die Besonderheiten psychotherapeutischer<br />
Heilkunde zum Ausgangspunkt der<br />
„Anerkennung“ nimmt.<br />
Birgit Pechmann<br />
(Vorstandsmitglied)<br />
Datenschutz in der Praxis<br />
Veranstaltung der LPPKJP Hessen<br />
am 24.05.<strong>2014</strong> mit Astrid<br />
Ackermann, Rechtsanwältin –<br />
Medien- und IT-Recht,<br />
Frankfurt/Main<br />
Mit ca. 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />
war das eine erstaunlich gut besuchte<br />
Veranstaltung zu dem Thema. Aber in<br />
Zeiten von NSA und ständig zunehmender<br />
Datensammelwut aller möglichen Internetanbieter<br />
und Hackerangriffen in großem<br />
Stil dringend notwendig für uns Psychotherapeuten.<br />
Mehr denn je müssen wir<br />
uns um die Sicherheit der uns anvertrauten<br />
Patientendaten sorgfältig kümmern.<br />
Frau Ackermann begann ihren Vortrag (Folien<br />
im Mitgliederbereich unter „Dokumente“)<br />
mit Fragen und Problemen rund um<br />
den Internetauftritt von Psychotherapeuten:<br />
Wie sprechen Therapeuten ihre (potenziellen)<br />
Patienten im Internet, auf ihrer<br />
Praxishomepage an? Immerhin sind ca.<br />
78% der Internetnutzer in den Social Media<br />
(z. B. Facebook, Google, Linked in,<br />
wer-kennt-wen.de, Xing) angemeldet und<br />
67% von ihnen dort auch aktiv. Die Vorteile<br />
der Kommunikation liegen auf der<br />
Hand: etwa der niedrigschwellige Zugang,<br />
die leichte Erreichbarkeit, die geringen<br />
Kosten. Die Gefahren können dabei leicht<br />
in den Hintergrund geraten, nämlich ganz<br />
besonders die Gefahr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen,<br />
die schwere Kontrollierbarkeit<br />
bzw. der hohe Kontrollaufwand<br />
in den Portalen und die teilweise geringe<br />
Seriosität. Es liegt nahe, dass auch Patienten-Therapeuten-Kontakte<br />
über die sozialen<br />
Medien erfolgen können. Unsere Berufsordnung<br />
gebietet uns hier jedoch äußerste<br />
Zurückhaltung, sodass von der ver-<br />
326 Psychotherapeutenjournal 3/<strong>2014</strong>