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Buchrezensionen<br />

source in Psychotherapie und Psychiatrie<br />

ein.<br />

Neben grundlegenden Ausführungen zur<br />

Bedeutung existenzieller Krisen und Sinnfragen<br />

in der Psychotherapie, zu Begriffsbestimmungen<br />

und -abgrenzungen informiert<br />

das Buch über die Auffassung von<br />

Spiritualität in den verschiedenen Therapieschulen.<br />

Dort zeige sich jedoch bislang<br />

meist großes Unbehagen oder vollkommene<br />

Tabuisierung von spirituellen Interventionen.<br />

Zu begrüßen sei daher die positivere<br />

Auffassung von Religion in der Psychotherapie<br />

durch den (US-amerikanischen)<br />

„spiritual turn“ (S. 71). Daran<br />

anschließend erörtern die Autoren Stellenwert<br />

und Phänomenologie von Spiritualität<br />

bei Krankheitsentstehung und -aufrechterhaltung,<br />

zeigen Berührungspunkte zwischen<br />

Psychotherapie und Spiritualität auf<br />

und erörtern die psychotherapeutische<br />

Bedeutung von religiösen Phänomenen,<br />

darunter Verbitterung und Gebet.<br />

Den Autoren liegt daran zu zeigen, dass<br />

existenzielle Fragen nach dem Wozu, Warum<br />

und Wohin nicht durch den „blinden<br />

Fortschrittsoptimismus der wissenschaftsgläubigen<br />

und technikbesessenen Moderne“<br />

(S. 15) beantwortet werden können,<br />

sondern vielmehr durch sinngebende Spiritualität.<br />

Insbesondere in Lebenskrisen<br />

komme ihr ein besonderer Stellenwert zu,<br />

der auch jüngst empirisch in der autoreneigenen<br />

Metaanalyse zu untermauern versucht<br />

wurde (Bonelli & König, 2013).<br />

Viele Beiträge sind aufgrund der umfassenden<br />

Modell-Darstellungen zu psychologischen<br />

Themen mit Bezug zur Spiritualität<br />

und den fundierten Ausführungen über<br />

den Einfluss von Religiosität auf Erleben<br />

und Verhalten, sowie Ätiologie und Aufrechterhaltung<br />

psychischer Störungen lesenswert.<br />

Auch scheuen die Autoren nicht,<br />

das eine oder andere Gegenargument,<br />

wie etwa die Problematik der fehlenden<br />

weltanschaulichen Passung von Therapeut<br />

und Patient oder die Forderung nach therapeutischer<br />

Wertneutralität und objektiv<br />

wirksamen Bewältigungshilfen, anzusprechen.<br />

Insofern ist die Argumentation der<br />

Autoren von reflektierter Mäßigkeit (außer<br />

in manch schwachem Moment, in dem<br />

beispielsweise die Debatte um Beschneidungen<br />

Minderjähriger in einem Atemzug<br />

mit „irrationaler Aggressivität [gegen Religionen]“<br />

(S. 48) genannt wird).<br />

Problematisch ist allerdings, den positiven<br />

Zusammenhang von Spiritualität und Wohlbefinden<br />

als Rechtfertigung spiritueller Interventionen<br />

in der Psychotherapie anzuführen.<br />

Auch die immer wieder zitierten<br />

Nachweise der Wirksamkeit von spirituellen<br />

Interventionen (bei denen sich, nebenbei<br />

bemerkt, in manchen Studien allenfalls eine<br />

Gleichwertigkeit zu säkularen Interventionsformen<br />

zeigte (Wade, Worthington &<br />

Vogel, 2007), täuschen über die eigentliche<br />

Problematik hinweg: Die Autoren ermutigen<br />

dazu, die fachlichen Grenzen der<br />

Psychotherapie zu überschreiten, ohne die<br />

dadurch drohende Rollenkonfusion kritisch<br />

zu reflektieren. So sinnvoll die von den Autoren<br />

geforderte Enttabuisierung spiritueller<br />

Themen im therapeutischen Kontext<br />

erscheinen mag, in dem Sinne, dass der<br />

Patient sich auch in diesem Gebiet dem<br />

Therapeuten öffnen können sollte und ein<br />

radikaler Ausschluss des Glaubens als persönliche<br />

Ressource nicht angebracht erscheint,<br />

ist eine darüber hinausgehende<br />

vom Therapeuten geleitete spirituelle Intervention<br />

als Antwort auf die Religiosität seines<br />

Patienten jedoch als kritisch zu bewerten.<br />

Wiewohl der Besonderheit ausgewählter<br />

psychischer Störungen Rechnung getragen<br />

wird, bleiben gerade Ausführungen<br />

darüber vage, welche konkret praktischtherapeutischen<br />

Maßnahmen angewandt<br />

werden sollen. Handlungsempfehlungen<br />

wie die Einbeziehung von Gebeten, biblischen<br />

Vergleichen oder die Förderung eines<br />

spirituellen Urvertrauens können wohl<br />

kaum als Hilfsmittel für den professionellen<br />

Umgang mit psychischen Störungen angesehen<br />

werden.<br />

stud. psych. Sarah Schneider,<br />

Würzburg<br />

290 Psychotherapeutenjournal 3/<strong>2014</strong>

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