ptj_2014-3
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Buchrezensionen<br />
source in Psychotherapie und Psychiatrie<br />
ein.<br />
Neben grundlegenden Ausführungen zur<br />
Bedeutung existenzieller Krisen und Sinnfragen<br />
in der Psychotherapie, zu Begriffsbestimmungen<br />
und -abgrenzungen informiert<br />
das Buch über die Auffassung von<br />
Spiritualität in den verschiedenen Therapieschulen.<br />
Dort zeige sich jedoch bislang<br />
meist großes Unbehagen oder vollkommene<br />
Tabuisierung von spirituellen Interventionen.<br />
Zu begrüßen sei daher die positivere<br />
Auffassung von Religion in der Psychotherapie<br />
durch den (US-amerikanischen)<br />
„spiritual turn“ (S. 71). Daran<br />
anschließend erörtern die Autoren Stellenwert<br />
und Phänomenologie von Spiritualität<br />
bei Krankheitsentstehung und -aufrechterhaltung,<br />
zeigen Berührungspunkte zwischen<br />
Psychotherapie und Spiritualität auf<br />
und erörtern die psychotherapeutische<br />
Bedeutung von religiösen Phänomenen,<br />
darunter Verbitterung und Gebet.<br />
Den Autoren liegt daran zu zeigen, dass<br />
existenzielle Fragen nach dem Wozu, Warum<br />
und Wohin nicht durch den „blinden<br />
Fortschrittsoptimismus der wissenschaftsgläubigen<br />
und technikbesessenen Moderne“<br />
(S. 15) beantwortet werden können,<br />
sondern vielmehr durch sinngebende Spiritualität.<br />
Insbesondere in Lebenskrisen<br />
komme ihr ein besonderer Stellenwert zu,<br />
der auch jüngst empirisch in der autoreneigenen<br />
Metaanalyse zu untermauern versucht<br />
wurde (Bonelli & König, 2013).<br />
Viele Beiträge sind aufgrund der umfassenden<br />
Modell-Darstellungen zu psychologischen<br />
Themen mit Bezug zur Spiritualität<br />
und den fundierten Ausführungen über<br />
den Einfluss von Religiosität auf Erleben<br />
und Verhalten, sowie Ätiologie und Aufrechterhaltung<br />
psychischer Störungen lesenswert.<br />
Auch scheuen die Autoren nicht,<br />
das eine oder andere Gegenargument,<br />
wie etwa die Problematik der fehlenden<br />
weltanschaulichen Passung von Therapeut<br />
und Patient oder die Forderung nach therapeutischer<br />
Wertneutralität und objektiv<br />
wirksamen Bewältigungshilfen, anzusprechen.<br />
Insofern ist die Argumentation der<br />
Autoren von reflektierter Mäßigkeit (außer<br />
in manch schwachem Moment, in dem<br />
beispielsweise die Debatte um Beschneidungen<br />
Minderjähriger in einem Atemzug<br />
mit „irrationaler Aggressivität [gegen Religionen]“<br />
(S. 48) genannt wird).<br />
Problematisch ist allerdings, den positiven<br />
Zusammenhang von Spiritualität und Wohlbefinden<br />
als Rechtfertigung spiritueller Interventionen<br />
in der Psychotherapie anzuführen.<br />
Auch die immer wieder zitierten<br />
Nachweise der Wirksamkeit von spirituellen<br />
Interventionen (bei denen sich, nebenbei<br />
bemerkt, in manchen Studien allenfalls eine<br />
Gleichwertigkeit zu säkularen Interventionsformen<br />
zeigte (Wade, Worthington &<br />
Vogel, 2007), täuschen über die eigentliche<br />
Problematik hinweg: Die Autoren ermutigen<br />
dazu, die fachlichen Grenzen der<br />
Psychotherapie zu überschreiten, ohne die<br />
dadurch drohende Rollenkonfusion kritisch<br />
zu reflektieren. So sinnvoll die von den Autoren<br />
geforderte Enttabuisierung spiritueller<br />
Themen im therapeutischen Kontext<br />
erscheinen mag, in dem Sinne, dass der<br />
Patient sich auch in diesem Gebiet dem<br />
Therapeuten öffnen können sollte und ein<br />
radikaler Ausschluss des Glaubens als persönliche<br />
Ressource nicht angebracht erscheint,<br />
ist eine darüber hinausgehende<br />
vom Therapeuten geleitete spirituelle Intervention<br />
als Antwort auf die Religiosität seines<br />
Patienten jedoch als kritisch zu bewerten.<br />
Wiewohl der Besonderheit ausgewählter<br />
psychischer Störungen Rechnung getragen<br />
wird, bleiben gerade Ausführungen<br />
darüber vage, welche konkret praktischtherapeutischen<br />
Maßnahmen angewandt<br />
werden sollen. Handlungsempfehlungen<br />
wie die Einbeziehung von Gebeten, biblischen<br />
Vergleichen oder die Förderung eines<br />
spirituellen Urvertrauens können wohl<br />
kaum als Hilfsmittel für den professionellen<br />
Umgang mit psychischen Störungen angesehen<br />
werden.<br />
stud. psych. Sarah Schneider,<br />
Würzburg<br />
290 Psychotherapeutenjournal 3/<strong>2014</strong>