ptj_2014-3
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Kommentare und Leserbriefe zu erschienenen<br />
PTJ-Artikeln<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die Redaktion begrüßt es sehr, wenn sich Leserinnen und Leser in Leserbriefen und Diskussionsbeiträgen zu den Themen der Zeitschrift<br />
äußern.<br />
Die Diskussionen zu den folgenden oder auch anderen von uns aufgeworfenen Themen sollen nicht mit der vorliegenden Ausgabe<br />
des Psychotherapeutenjournals abgeschlossen werden – wir laden zur weiteren Diskussion ein und freuen uns über Ihre Leserbriefe,<br />
Kommentare und auch weiterführende Artikel!<br />
Wir möchten außerdem darauf hinweisen, dass wir uns – gerade angesichts der erfreulich zunehmenden Zahl von Zuschriften – vorbehalten<br />
müssen, eine Auswahl zu treffen oder gegebenenfalls Zuschriften auch zu kürzen.<br />
Als Leserinnen und Leser beachten Sie bitte, dass die Diskussionsbeiträge die Meinung der Absender und nicht unbedingt die der<br />
Redaktion wiedergeben.<br />
Zu C. T. Eschenröder: „Wie wirksam sind Techniken der energetischen Psychotherapie,<br />
die Exposition mit sensorischer Stimulierung verbinden?“ Psychotherapeutenjournal<br />
2/<strong>2014</strong>, S. 149-156.<br />
Leichtfertige Übergabe der Psychotherapie in Laienhand<br />
Ich möchte Ihrer Aufforderung folgen,<br />
mich mit der doch verblüffenden Darstellung<br />
neuer Techniken in der Psychotherapie<br />
zu beschäftigen:<br />
In dem Artikel wird eine Methode vorgestellt,<br />
bei der selbstakzeptierende Sätze („Ich liebe<br />
mich so, wie ich bin.“) mit organisierter Körperberührung<br />
(etwa dem Klopfen oder Reiben<br />
von „Wunden Punkten“) kombiniert<br />
werden. Verbunden mit einer durch die Vorstellungskraft<br />
des Patienten selbst dosierten<br />
Exposition mit unangenehmen oder traumatischen<br />
Erlebnissen soll ein Heilungsprozess<br />
angestoßen werden, der zu dauerhafter kognitiver<br />
Umstrukturierung und somit zu einer<br />
Linderung oder sogar einem Verschwinden<br />
der Symptome führt. Eschenröder fasst die<br />
inzwischen multiplen Varianten dieser Praktiken<br />
aus dem amerikanischen, südamerikanischen<br />
und deutschen Sprachraum unter<br />
dem Begriff „Energetische Psychotherapie“<br />
(EP) zusammen.<br />
Als Analytiker möchte ich hier Einspruch<br />
erheben – manches erscheint fragwürdig:<br />
Da ist zunächst einmal die auf den ersten<br />
Blick bestechende Einfachheit bei hoher<br />
Wirksamkeit dieser Methode. Es ist bekannt,<br />
dass solche Wirkung in vielen Fällen<br />
nicht unbedingt anhält. Man sollte sich als<br />
Psychotherapeut stets vor Augen halten,<br />
wie komplex und differenziert psychische<br />
Heilung verläuft und dass es aus gutem<br />
Grund unterschiedliche fundierte Verfahren<br />
gibt, die je nach Problematik und Persönlichkeit<br />
des Patienten angezeigt sind.<br />
Die hier vorgestellte Methode erscheint<br />
dagegen als eine Art Allround-Heilmittel:<br />
So soll sie als ergänzendes Therapiekonzept<br />
bei Ängsten, Phobien, Zwangsstörungen,<br />
PTSB, Substanzabhängigkeiten, Essstörungen<br />
usw. maßgeblich zum Erfolg<br />
beitragen. Ich halte das für einen Trugschluss.<br />
Es hat sich schon beim Konzept<br />
des positiven Denkens gezeigt, dass es für<br />
eine wirkliche mentale Veränderung mehr<br />
bedarf als einer Zauberformel der Art „ich<br />
kann, weil ich will …“. Solche Strategien<br />
wecken Erwartungen, die kaum erfüllt werden<br />
können. Die Unterscheidung zwischen<br />
Verfahren, Methode und Technik<br />
verschleiert diesen überzogenen Anspruch<br />
nur. Fundierte Psychotherapie ist oft langwieriger<br />
und komplexer. Es ist bei lebenseinschränkenden<br />
psychischen Erkrankungen<br />
meistens mit chronischen inneren<br />
Veränderungswiderständen zu rechnen,<br />
die nicht einfach durch suggestive Formeln<br />
und/oder Berührungstechniken überwunden<br />
werden können.<br />
Der Autor argumentiert zwar, dass EP nur<br />
als Zusatztherapie für andere Verfahren<br />
(auch psychodynamische) hilfreich sein<br />
soll. Aber diese Einschränkung steht im<br />
krassen Gegensatz zu den Ausführungen<br />
etwa von Roger J. Callahan, den er als Begründer<br />
dieser Technik heranzieht. Callahan<br />
und andere Verfechter der EP betonen<br />
ausdrücklich, dass diese sehr kurze Behandlung<br />
eine effektive Alternative zu den<br />
von ihnen verspotteten Langzeittherapien<br />
darstellt, bei denen man sich in unnützer<br />
und wirkungsloser Weise für die leidende<br />
Person und deren Lebensgeschichte interessiere<br />
(z. B. Callahan, 1993).<br />
280 Psychotherapeutenjournal 3/<strong>2014</strong>