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Kommentare und Leserbriefe zu erschienenen PTJ-Artikeln<br />

nicht allein betroffen. Und es wäre wichtig,<br />

bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen<br />

und Verbindungen zu gleich gelagerten aktuellen<br />

Konflikten zu suchen.<br />

Sicherlich ist das Kräfteverhältnis der Antipoden<br />

derzeit noch so einseitig kapitalistisch,<br />

wie Sie sie es beschrieben haben.<br />

Solange z. B. Klinikkonzerne die Forderungen<br />

ihrer durch profitdiktierte Arbeitsverdichtung<br />

völlig überforderten Mitarbeiter(innen)<br />

nach einer tariflich festgeschriebenen<br />

Mindestbesetzung der Stationen als<br />

„unzulässigen Eingriff in die unternehmerische<br />

Freiheit“ ablehnen, wie es die Leitung<br />

der Charité in Berlin gegen entsprechende<br />

Forderungen ihrer Beschäftigten in dem<br />

aktuell laufenden Arbeitskampf dort gerade<br />

tut, befinden wir uns weiterhin nur im<br />

Abwehrkampf gegen den Trend, „Krankheit“<br />

zur Ware zu machen. Und da ich selber<br />

in einem (psychiatrischen) Krankenhaus<br />

arbeite, weiß ich, dass manche Kollegin<br />

und mancher Kollege auch schon kapituliert<br />

hat, so wie Sie das auch für die niedergelassenen<br />

Kolleg(inn)en beschreiben<br />

bzw. befürchten.<br />

Doch Artikel wie Ihrer machen Mut. Und<br />

Streiks wie der an der Berliner Charité, wo<br />

es nicht mehr nur primär um mehr Geld<br />

geht, sondern um die Bedingungen, unter<br />

denen wir arbeiten müssen, tun das auch.<br />

Sind sie doch – wie ehedem in den Siebzigern<br />

– der erste Schritt hin zu Ihrer Conklusio,<br />

also zu einer Infragestellung der allgemeinen<br />

gesellschaftlichen Bedingungen,<br />

unter denen wir arbeiten. Ich stimme Ihnen<br />

also zu, dass Gesellschaftskritik von<br />

einem psychotherapeutischen Standpunkt<br />

aus zu unserem Beruf gehört. Genauso<br />

wünsche ich mir aber, dass wir uns in Solidarität<br />

mit jenen darin verbünden, die an<br />

denselben Widersprüchen leiden und dagegen<br />

ankämpfen.<br />

In diesem Sinne nicht nur mit kollegialen,<br />

sondern auch mit solidarischen Grüßen<br />

Heiko Boumann,<br />

Bad-Laasphe<br />

Zu U. Stangier, A.-K. Risch, T. Heidenreich & M. Hautzinger: „Rezidivierende<br />

Depressionen – Lassen sich Rückfälle verhindern und psychische Gesundheit<br />

erhalten? Eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Perspektive.“<br />

Psychotherapeutenjournal 2/<strong>2014</strong>, S. 164-169.<br />

Psychotherapie in der medizinischen Sezierwerkstatt?<br />

Es ist schon immer wieder gut und wichtig,<br />

gegen das schreckliche Leiden der Depression<br />

anzukämpfen. Zumal die Erkrankung<br />

– wie die Autoren in ihrem Artikel<br />

dankenswerterweise und im Widerspruch<br />

zur oftmals behaupteten guten Behandelbarkeit<br />

von Depressionen berichten – von<br />

einer massiven Rückfallgefährdung betroffen<br />

zu sein scheint. „Ein rezidivierender<br />

Verlauf ist somit der Normalfall“ heißt es ja<br />

schon ganz am Anfang. Die Absicht, in der<br />

psychotherapeutischen Versorgung „eine<br />

stärkere Berücksichtigung der Rückfallprävention“<br />

einzuführen, ist daher aller Ehren<br />

wert!<br />

Das Ergebnis der eigenen Untersuchung zu<br />

einer „Rückfallprophylaxe“-Therapie ist dann<br />

allerdings ernüchternd. Vergleicht man nämlich<br />

die selbst eruierten Rückfallraten für die<br />

sog. Kognitive Erhaltungstherapie (KET), welche<br />

die Autoren mit 51% angeben, mit der<br />

eingangs des Artikels genannten Zahl von<br />

30-50% der Betroffenen, die „unbehandelt“<br />

(!) einen Rückfall erleiden (auf Seite 164 genannt),<br />

reibt man sich schon erstaunt die<br />

Augen. Dem folgenden Fazit, dass eine<br />

Rückfallprophylaxe „für den dauerhaften Erfolg<br />

einer Psychotherapie von großer Bedeutung<br />

ist“, kann man daher zwar weiter theoretisch<br />

zustimmen, allein die Frage in der<br />

Überschrift des Artikels „Lassen sich Rückfälle<br />

verhindern?“ müsste aufgrund der vorgelegten<br />

Studie dann aber wohl weitgehend<br />

negativ beantwortet werden.<br />

Ein zweiter Gedanke zu dem von gleich<br />

drei Professoren und einer promovierten<br />

Psychologischen Psychotherapeutin verfassten<br />

Artikel: Sicher, er ist aus dem Paradigma<br />

der Kognitiven Verhaltenstherapie<br />

(KVT) heraus geschrieben. Aber andererseits<br />

erscheint er im Psychotherapeutenjournal.<br />

Und was war das doch gleich wieder,<br />

Psychotherapie? Hatte nicht im vorletzten<br />

Jahrhundert ein gewisser Sigmund<br />

Freud die Grundlagen dafür gelegt und mit<br />

seiner Psychoanalyse einen Gegenentwurf<br />

zum medizinischen Verständnis von psychischer<br />

Krankheit geschaffen? Einen Entwurf,<br />

der zentral seelische Faktoren, das<br />

Unbewusste und die Kindheit betont hat<br />

sowie das subjektive Erleben eines spezifischen<br />

Individuums mit seiner einmaligeinzigartigen<br />

Lebensgeschichte? Und war<br />

das nicht eine hochgradig humane Theorie,<br />

die – so anders als die auf Krankheit<br />

bezogene Psychiatrie – den kranken Menschen<br />

in den Mittelpunkt stellte?<br />

Liest man dagegen heutige Fachartikel,<br />

wie bspw. den vorliegenden zu rezidivierenden<br />

Depressionen, hat man stets den<br />

Eindruck, aus einer medizinischen Sezierwerkstatt<br />

zu hören, wo der Mensch bestenfalls<br />

noch als Fallvignette vorkommt. So<br />

schön wissenschaftlich das dann klingen<br />

mag, verrät eine solcherart sich dem medizinischen<br />

Paradigma unterwerfende Fassung<br />

von Psychotherapie meines Erachtens<br />

nach doch die genuinen Wurzeln unserer<br />

Disziplin. Mich verwundert es im<br />

Gegensatz zu den Autoren jedenfalls nicht,<br />

wenn diese abschließend eine offenbar<br />

geringe „Bedeutung des Technikfaktors“<br />

(Seite 168) feststellen müssen. Denn: Ist<br />

Psychotherapie wirklich vor allem Technik?<br />

Oder bedarf der oftmals furchtbar an seiner<br />

Depression leidende Mensch nicht<br />

doch vornehmlich der wertschätzenden<br />

Begegnung mit dem psychologisch gebildeten<br />

Fachmann (bzw. der Fachfrau), um<br />

u. a. zu einer „Annahme seiner selbst“ zu<br />

kommen, wie es der Medizinethiker Giovanni<br />

Maio von der Uni Freiburg ausdrückt?<br />

Ich jedenfalls sehe die schleichend-latente<br />

Transformation der Psychotherapie hin zu<br />

einer quasi objektiven und angeblichen effizienten<br />

Spezialdisziplin innerhalb der Medizin<br />

mit großer Skepsis und Sorge!<br />

Jürgen Karres,<br />

Landsberg am Lech<br />

286 Psychotherapeutenjournal 3/<strong>2014</strong>

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