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Kommentare und Leserbriefe zu erschienenen PTJ-Artikeln<br />

den möglichen positiven Einstieg bei der<br />

Begegnung mit Leidenden (einer Anfangseuphorie)<br />

und hält das für Behandlung.<br />

Auch aus diesem Grund sehe ich in<br />

den positiven Affirmations- und Berührungstechniken<br />

keinen Unterschied zu anderen<br />

nicht wissenschaftlich begründeten,<br />

teils esoterischen Methoden.<br />

Als Beleg für die Wirkung des „heilenden<br />

Klopfens“ wird in dem Artikel u. a. der Fall<br />

einer Referendarin geschildert, die aufgrund<br />

einer massiven Prüfungsangst im<br />

ersten Anlauf beinah gescheitert wäre. Der<br />

Therapeut hat in intensiver Form mit der<br />

Patientin Selbstakzeptanz geübt: „… auch<br />

wenn ich versagt habe, möchte ich mich<br />

liebevoll behandeln“. Er hat der Klientin<br />

geraten, konstruktiv zu denken: „... gehe<br />

mit Zuversicht in die Prüfung“, und er hat<br />

die positiven Vorstellungen mit dem Klopfen<br />

von Körperpunkten verbunden. Nach<br />

relativ kurzer Therapie hat die Referendarin<br />

eine bessere Note bei der Prüfungswiederholung<br />

geschafft.<br />

Worauf beruht dieser Erfolg? Es leuchtet<br />

ein, dass ein prüfungsängstlicher Mensch<br />

durch Zuspruch im zweiten Anlauf eine<br />

Prüfung besser bestehen kann. Wir alle<br />

kennen solche wohltuenden positiven Affirmationen.<br />

Ist das nun Psychotherapie<br />

oder ist das akzeptable Lebenshilfe?<br />

Zusammenfassend meine ich, es gibt eine<br />

zähe Geschichte der Behauptung von der<br />

Wirksamkeit positiven Denkens ergänzt<br />

durch magisch wirksame Handlungen. Mal<br />

wurde das verbunden mit rein mentaler<br />

Einstellung, mal mit formelhaften Sätzen,<br />

mal mit Berührungen (Verankerungen).<br />

Die Verfahren kommen und gehen.<br />

EP gehört meines Erachtens in diese Tradition.<br />

Auch Eschenröder spricht in der<br />

Schlussbemerkung seines Artikels von<br />

dem „Verankern positiver Gedanken“ als<br />

Werkzeug der EP-Methoden.<br />

Die sehnsüchtige Grundhaltung, man könne<br />

Menschen mit solchen Methoden helfen,<br />

erweist sich als unausrottbarer Mythos.<br />

Schon 1926 hat sich Karl Abraham<br />

kritisch über eine Methode des positiven<br />

Denkens der damaligen Zeit (Émile Coués<br />

Verfahren der „Selbstbemeisterung“) geäußert.<br />

Die Formel von Coué, die der Leidende<br />

drei Mal am Tag 20 Mal hintereinander<br />

gebetsmühlenartig aufzusagen hatte,<br />

war: „Jeden Tag geht es mir in jeder<br />

Beziehung immer besser und besser.“<br />

Abraham versuchte schon damals aufzuzeigen,<br />

dass es sich aus psychodynamischer<br />

Sicht bei so einem Ritual wohl nur<br />

um ein erlerntes leichtes Zwangsritual handelt,<br />

das ähnlich wie andere Zwangshandlungen<br />

selbstberuhigend wirken soll.<br />

Abraham war es schon sehr wichtig, psychotherapeutisches<br />

Vorgehen von solchen rein<br />

suggestiven Ansätzen zu unterscheiden, da<br />

diese suggestiven Methoden wirkliche Symptome<br />

doch nicht beeinflussen können.<br />

Immer wieder gab es in Abwandlungen<br />

die Techniken der positiven Selbstsuggestion.<br />

Neuerdings ist z. B. die sog. „Quanten-<br />

Heilung“ in Mode gekommen, bei der mit<br />

geringstem Aufwand alle körperlichen und<br />

psychischen Beschwerden – sogar aus<br />

größter Entfernung – beseitigt werden.<br />

Yes, we can! Und zwar alles – und das in<br />

kürzester Zeit, ohne Anstrengung, ohne<br />

Leiden. Ein dickes Fragezeichen sei an dieser<br />

Stelle erlaubt.<br />

Auf fruchtbaren Boden fallen diese zahlreichen<br />

und dennoch ähnlichen Angebote,<br />

weil der verständliche Wunsch nach schneller<br />

Heilung groß ist. Aber hat das wirklich die<br />

gleiche Bedeutung und Wirkung wie methodisch<br />

begründetes psychotherapeutisches<br />

Bemühen, das große Ausdauer auf beiden<br />

Seiten verlangt? Der Mensch ist vielschichtig.<br />

Er hat Emotionen, er hat eine Geschichte, er<br />

hat Lebensumstände. Und es darf nicht<br />

übersehen werden, dass es unbewusste Prägungen<br />

und Steuerungen gibt, die nicht so<br />

einfach zu beeinflussen sind. Die beschriebenen<br />

Techniken verleugnen daher aus meiner<br />

Sicht die Verursachungs- und Verantwortungsseite<br />

von Störungen.<br />

Letztlich trägt die Hoffnung auf magisch<br />

rasche Veränderung zum Anwachsen des<br />

Widerspruches zwischen subjektivem<br />

Wunsch und objektiver Wirklichkeit bei.<br />

Wenn die Kluft zwischen Traum und Realität<br />

nicht mehr zu übersehen ist, kann es<br />

doch sehr ernüchternd wirken – zum<br />

Nachteil der Patienten, die mit Gefühlen<br />

von Versagen, Selbstvorwürfen oder gar<br />

Depressionen reagieren können, wenn<br />

sich die Wirkungslosigkeit herausstellt.<br />

Literatur<br />

Abraham, K. (1969). Psychoanalytische<br />

Bemerkung zu Coués Verfahren der<br />

Selbstbemeisterung. In K. Abraham<br />

(1969): Psychoanalytische Studien II<br />

(S. 411-436). Frankfurt a. M.: Fischer.<br />

Callahan, J. (1987). Leben ohne Phobie –<br />

Wie Sie in wenigen Minuten angstfrei<br />

werden. Freiburg: VAK-Verlag.<br />

Ferenczi, S.(1985). Ohne Sympathie keine<br />

Heilung. Frankfurt a. M.: Fischer.<br />

Freud, S. (1950). Zwangshandlungen und<br />

Religionsübung. (GEW, Bd. VII). Frankfurt<br />

a. M.: Fischer.<br />

Horn, B. (1997). Therapeutische Wirkung<br />

des idealisierten Objektes – Gebrauch<br />

und Mißbrauch der Liebe. In K. Höhfeld<br />

& A.-M. Schlösser (Hrsg.), Psychoanalyse<br />

der Liebe (S. 425-441). Gießen: Psychosozialverlag.<br />

Kraft, H. (1995). Über innere Grenzen –<br />

Initiation, Schamanismus, Kunst, Religion<br />

und Psychoanalyse. Jena: Diederichs.<br />

Weitere Literatur: erhältlich über den Autor:<br />

hnf-horn@gmx.de<br />

Dr. Bernd Horn,<br />

Stockdorf<br />

Replik des Autors<br />

Dr. Bernd Horn kritisiert in seinem Kommentar<br />

zum Teil den Inhalt meines Artikels,<br />

zum Teil Ansätze der Energetischen<br />

Psychotherapie (EP), denen ich selbst<br />

auch kritisch gegenüberstehe. Mir<br />

scheint, als seien einige seiner Aussagen,<br />

auf die ich im Folgenden eingehe,<br />

durch fehlende Informationen zur EP<br />

und eine möglicherweise voreingenommene<br />

Lektüre meines Artikels bedingt<br />

und daher falsch oder zumindest missverständlich.<br />

282 Psychotherapeutenjournal 3/<strong>2014</strong>

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