ptj_2014-3
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Kommentare und Leserbriefe zu erschienenen PTJ-Artikeln<br />
den möglichen positiven Einstieg bei der<br />
Begegnung mit Leidenden (einer Anfangseuphorie)<br />
und hält das für Behandlung.<br />
Auch aus diesem Grund sehe ich in<br />
den positiven Affirmations- und Berührungstechniken<br />
keinen Unterschied zu anderen<br />
nicht wissenschaftlich begründeten,<br />
teils esoterischen Methoden.<br />
Als Beleg für die Wirkung des „heilenden<br />
Klopfens“ wird in dem Artikel u. a. der Fall<br />
einer Referendarin geschildert, die aufgrund<br />
einer massiven Prüfungsangst im<br />
ersten Anlauf beinah gescheitert wäre. Der<br />
Therapeut hat in intensiver Form mit der<br />
Patientin Selbstakzeptanz geübt: „… auch<br />
wenn ich versagt habe, möchte ich mich<br />
liebevoll behandeln“. Er hat der Klientin<br />
geraten, konstruktiv zu denken: „... gehe<br />
mit Zuversicht in die Prüfung“, und er hat<br />
die positiven Vorstellungen mit dem Klopfen<br />
von Körperpunkten verbunden. Nach<br />
relativ kurzer Therapie hat die Referendarin<br />
eine bessere Note bei der Prüfungswiederholung<br />
geschafft.<br />
Worauf beruht dieser Erfolg? Es leuchtet<br />
ein, dass ein prüfungsängstlicher Mensch<br />
durch Zuspruch im zweiten Anlauf eine<br />
Prüfung besser bestehen kann. Wir alle<br />
kennen solche wohltuenden positiven Affirmationen.<br />
Ist das nun Psychotherapie<br />
oder ist das akzeptable Lebenshilfe?<br />
Zusammenfassend meine ich, es gibt eine<br />
zähe Geschichte der Behauptung von der<br />
Wirksamkeit positiven Denkens ergänzt<br />
durch magisch wirksame Handlungen. Mal<br />
wurde das verbunden mit rein mentaler<br />
Einstellung, mal mit formelhaften Sätzen,<br />
mal mit Berührungen (Verankerungen).<br />
Die Verfahren kommen und gehen.<br />
EP gehört meines Erachtens in diese Tradition.<br />
Auch Eschenröder spricht in der<br />
Schlussbemerkung seines Artikels von<br />
dem „Verankern positiver Gedanken“ als<br />
Werkzeug der EP-Methoden.<br />
Die sehnsüchtige Grundhaltung, man könne<br />
Menschen mit solchen Methoden helfen,<br />
erweist sich als unausrottbarer Mythos.<br />
Schon 1926 hat sich Karl Abraham<br />
kritisch über eine Methode des positiven<br />
Denkens der damaligen Zeit (Émile Coués<br />
Verfahren der „Selbstbemeisterung“) geäußert.<br />
Die Formel von Coué, die der Leidende<br />
drei Mal am Tag 20 Mal hintereinander<br />
gebetsmühlenartig aufzusagen hatte,<br />
war: „Jeden Tag geht es mir in jeder<br />
Beziehung immer besser und besser.“<br />
Abraham versuchte schon damals aufzuzeigen,<br />
dass es sich aus psychodynamischer<br />
Sicht bei so einem Ritual wohl nur<br />
um ein erlerntes leichtes Zwangsritual handelt,<br />
das ähnlich wie andere Zwangshandlungen<br />
selbstberuhigend wirken soll.<br />
Abraham war es schon sehr wichtig, psychotherapeutisches<br />
Vorgehen von solchen rein<br />
suggestiven Ansätzen zu unterscheiden, da<br />
diese suggestiven Methoden wirkliche Symptome<br />
doch nicht beeinflussen können.<br />
Immer wieder gab es in Abwandlungen<br />
die Techniken der positiven Selbstsuggestion.<br />
Neuerdings ist z. B. die sog. „Quanten-<br />
Heilung“ in Mode gekommen, bei der mit<br />
geringstem Aufwand alle körperlichen und<br />
psychischen Beschwerden – sogar aus<br />
größter Entfernung – beseitigt werden.<br />
Yes, we can! Und zwar alles – und das in<br />
kürzester Zeit, ohne Anstrengung, ohne<br />
Leiden. Ein dickes Fragezeichen sei an dieser<br />
Stelle erlaubt.<br />
Auf fruchtbaren Boden fallen diese zahlreichen<br />
und dennoch ähnlichen Angebote,<br />
weil der verständliche Wunsch nach schneller<br />
Heilung groß ist. Aber hat das wirklich die<br />
gleiche Bedeutung und Wirkung wie methodisch<br />
begründetes psychotherapeutisches<br />
Bemühen, das große Ausdauer auf beiden<br />
Seiten verlangt? Der Mensch ist vielschichtig.<br />
Er hat Emotionen, er hat eine Geschichte, er<br />
hat Lebensumstände. Und es darf nicht<br />
übersehen werden, dass es unbewusste Prägungen<br />
und Steuerungen gibt, die nicht so<br />
einfach zu beeinflussen sind. Die beschriebenen<br />
Techniken verleugnen daher aus meiner<br />
Sicht die Verursachungs- und Verantwortungsseite<br />
von Störungen.<br />
Letztlich trägt die Hoffnung auf magisch<br />
rasche Veränderung zum Anwachsen des<br />
Widerspruches zwischen subjektivem<br />
Wunsch und objektiver Wirklichkeit bei.<br />
Wenn die Kluft zwischen Traum und Realität<br />
nicht mehr zu übersehen ist, kann es<br />
doch sehr ernüchternd wirken – zum<br />
Nachteil der Patienten, die mit Gefühlen<br />
von Versagen, Selbstvorwürfen oder gar<br />
Depressionen reagieren können, wenn<br />
sich die Wirkungslosigkeit herausstellt.<br />
Literatur<br />
Abraham, K. (1969). Psychoanalytische<br />
Bemerkung zu Coués Verfahren der<br />
Selbstbemeisterung. In K. Abraham<br />
(1969): Psychoanalytische Studien II<br />
(S. 411-436). Frankfurt a. M.: Fischer.<br />
Callahan, J. (1987). Leben ohne Phobie –<br />
Wie Sie in wenigen Minuten angstfrei<br />
werden. Freiburg: VAK-Verlag.<br />
Ferenczi, S.(1985). Ohne Sympathie keine<br />
Heilung. Frankfurt a. M.: Fischer.<br />
Freud, S. (1950). Zwangshandlungen und<br />
Religionsübung. (GEW, Bd. VII). Frankfurt<br />
a. M.: Fischer.<br />
Horn, B. (1997). Therapeutische Wirkung<br />
des idealisierten Objektes – Gebrauch<br />
und Mißbrauch der Liebe. In K. Höhfeld<br />
& A.-M. Schlösser (Hrsg.), Psychoanalyse<br />
der Liebe (S. 425-441). Gießen: Psychosozialverlag.<br />
Kraft, H. (1995). Über innere Grenzen –<br />
Initiation, Schamanismus, Kunst, Religion<br />
und Psychoanalyse. Jena: Diederichs.<br />
Weitere Literatur: erhältlich über den Autor:<br />
hnf-horn@gmx.de<br />
Dr. Bernd Horn,<br />
Stockdorf<br />
Replik des Autors<br />
Dr. Bernd Horn kritisiert in seinem Kommentar<br />
zum Teil den Inhalt meines Artikels,<br />
zum Teil Ansätze der Energetischen<br />
Psychotherapie (EP), denen ich selbst<br />
auch kritisch gegenüberstehe. Mir<br />
scheint, als seien einige seiner Aussagen,<br />
auf die ich im Folgenden eingehe,<br />
durch fehlende Informationen zur EP<br />
und eine möglicherweise voreingenommene<br />
Lektüre meines Artikels bedingt<br />
und daher falsch oder zumindest missverständlich.<br />
282 Psychotherapeutenjournal 3/<strong>2014</strong>