Horizonte - Kantonsschule Enge
Horizonte - Kantonsschule Enge
Horizonte - Kantonsschule Enge
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
zu sagen. Und als die Matura näher rückte und<br />
meine Eltern mich fragten: «Ja, wie geht’s jetzt<br />
weiter, was machst du nach der Matura – ist<br />
ein Studium angesagt oder ein Praktikum?»,<br />
da zuckte ich nur mit den Schultern. Ich wusste<br />
es nicht – eigentlich hatte ich wenig Lust auf<br />
ein Studium, wenig Lust irgendwo ins Büro<br />
zu gehen, wenig Bock auf ein Praktikum, und<br />
handwerklich war ich total unbegabt – nein, ich<br />
wollte eigentlich nur eines: zum Radio. Das aber<br />
wiederum getraute ich nicht zu sagen. «Ich mache<br />
mich nur lächerlich», dachte ich. Die Chance,<br />
dass ich zum Radio kommen würde, schätzte<br />
ich etwa so hoch ein wie einen Lottogewinn.<br />
Aus zunehmendem Frust über meine Gleichgültigkeit<br />
meiner Zukunft gegenüber schickten<br />
mich meine Eltern ein Jahr vor der Matura zur<br />
Berufsberatung. Sollten doch die sich mit mir<br />
abmühen. Die nette Dame machte dann die obligaten<br />
Tests mit mir, befragte mich, schlug Studien<br />
und Praktiken vor. Doch so richtig gelang<br />
es auch ihr nicht, mich für etwas zu begeistern.<br />
Nach einem halben Tag auf der Berufsberatung<br />
sagte die Dame in ihrer sichtlichen Verzweiflung<br />
über meine Indifferenz: «Ja, gibt es denn<br />
nichts, was dich interessiert aus dem ganzen<br />
Angebot? Gibt es denn etwas, was du sofort tun<br />
möchtest – komm, rück es raus? Sei spontan! «<br />
Und da kam es wie aus der Pistole geschossen:<br />
«Ich will Radio machen!»<br />
Da war es raus – erstmals hatte ich mich dazu<br />
bekannt. «Kein Problem», sagte die Berufsberaterin<br />
und kramte in der Schublade. «Ich habe<br />
hier ein Blatt, wie man zum Radio kommt, eines<br />
aber ist schon mal klar, fürs Schweizer Radio<br />
braucht’s ein Studium, sonst hast du keine<br />
Chance!»<br />
Okay – also doch ein Studium. Aber welches?<br />
Jus? Wirtschaft oder vielleicht doch Germanistik?<br />
Oder doch eher Romanistik – das hät-<br />
te mich auch interessiert – in Englisch war ich<br />
wie im Deutsch richtig gut. Physik, Mathematik<br />
oder auch Chemie – standen ausser Frage. Physik<br />
war für mich ein nicht zu entzifferndes Geheimnis<br />
und in Chemie konnte ich mir nicht die<br />
einfachste Formel merken.<br />
Ja, welches Studium jetzt?<br />
Einer meiner wenigen guten Schulkameraden<br />
hatte ein durchschlagendes Argument: «Studier<br />
doch Wirtschaft wie ich!», sagte er. «Wenn’s<br />
dann mit dem Radio nicht klappt, dann gehst<br />
du einfach zu einer Zeitung, die haben doch bekanntlich<br />
einen Wirtschaftsteil. Da kannst du<br />
dann dein Wirtschaftsstudium richtig gebrauchen.»<br />
Dem konnte nicht mal ich etwas entgegenhalten,<br />
das war so logisch – also in dem Fall Wirtschaft.<br />
Nicht etwa, weil ich den Wirtschaftsunterricht<br />
hier so wahnsinnig spannend fand – er<br />
hatte sogar im Vergleich etwa zu Deutsch oder<br />
Englisch eklatante Schwächen, aber das ist<br />
heute sicher anders –, sondern einfach, weil ich<br />
mit diesem Studium am schnellsten zum Radio<br />
kommen wollte.<br />
Also man sieht, die Schule selbst hatte mit meiner<br />
Entscheidung denkbar wenig zu tun.<br />
Vor der Uni wollte ich aber dringend noch ein<br />
Zwischenjahr einlegen und während dieser Zeit<br />
hatte ich das zweite Schlüsselerlebnis, das mich<br />
vermutlich für Jahrzehnte prägte. Ich arbeitete<br />
vier Monate direkt nach der Matura auf einer<br />
Bank – man darf sie ruhig nennen, die Bank<br />
gibt’s heute in dieser Form nicht mehr – es war<br />
der damalige Bankverein, der ja später in der<br />
UBS aufging. Die Arbeit stellte sich als dermassen<br />
katastrophal langweilig heraus, dass mir<br />
spätestens nach dem Mittagessen jeweils regelmässig<br />
die Augen zufielen. Ich konnte mich nur<br />
mit der aller-aller-grössten Mühe noch knapp<br />
auf dem Stuhl halten.<br />
Die Erfahrungen dieses Praktikums waren<br />
traumatisch – und prägten sich deshalb wohl so<br />
stark im mein Gedächtnis ein.<br />
Nach vier Monaten Bank-Langeweile, Unterforderung<br />
und schlechtem Büroklima war eines<br />
sonnenklar: Nie wollte ich mich in meinem Leben<br />
nochmals so langweilen wie in diesen vier<br />
Monaten, mit einem Chef, der die Dossiers nicht<br />
an uns Mitarbeiter weitergab, sondern sie bei<br />
sich behielt, um seinem Oberchef – wenn der<br />
wöchentlich einmal auftauchte – unter die Nase<br />
zu halten, wie viel Arbeit seine Abteilung habe.<br />
Während wir Mitarbeiter so wenig zu tun hatten,<br />
dass wir am Nachmittag vom Stuhl fielen.<br />
Nein, so etwas wollte ich nicht noch einmal<br />
erleben. Selbst auf die Gefahr hin, wenig zu<br />
verdienen – jetzt war mir klar: Ich hatte einen<br />
Traumjob im Kopf, und um den zu kriegen, würde<br />
ich etwas auf mich nehmen.<br />
Ich wollte einen Job, der mich begeisterte,<br />
der mich interessierte, der meinen Interessen<br />
entgegenkam, der mich forderte und der kein<br />
8-bis-5-Job war. Ich wusste zwar damals noch<br />
nicht, wie ich zum Radio kommen sollte. Ich<br />
wusste nicht, ob ich mich dazu eignete, ich<br />
wusste nicht, ob ich meinen Traum jemals verwirklichen<br />
würde – aber ich hatte plötzlich ein<br />
Ziel, eine Richtung, eine Motivation. Und diese<br />
Motivation rettete mich auch über wenig spannende<br />
Vorlesungen, schwierige Semesterarbeiten<br />
und harte Prüfungen an der Uni hinweg.<br />
Und tatsächlich, nur drei Jahre später und noch<br />
während des Studiums sass ich beim kleinen<br />
Lokal-Radio Z in der Nachrichtenredaktion und<br />
durfte schon am Tag meines Job-Antritts die<br />
Nachrichten verlesen. Es hatte geklappt.<br />
Gut, es war auch Glück dabei, aber die Motivation,<br />
das zu tun, was mir gefiel, war wohl so<br />
stark, dass ich das Glück auch etwas erzwingen<br />
konnte.<br />
Feiern<br />
31