Horizonte - Kantonsschule Enge
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Von der Handeli in die DEZA<br />
Ich erinnere mich noch genau an den sonntäglichen Spaziergang mit den Eltern durch das <strong>Enge</strong>quartier, rund um die<br />
«Handeli», kurz bevor dort meine Mittelschulzeit begann. Eigentlich hätte ich lieber die Kunstgewerbeschule besucht.<br />
Meine Interessen galten dem Malen, Zeichnen<br />
und grafischen Gestalten. Die Eltern waren<br />
aber der Auffassung, dass ich zuerst etwas Solides<br />
erlernen sollte. Und so kam ich ab Frühjahr<br />
1971 zu einer Ausbildung, an die ich noch heute<br />
gerne zurückdenke und für die ich dankbar bin.<br />
Den Lehrerinnen und Lehrern im Freudenberg<br />
gelang eine gute Verbindung zwischen humanistischen<br />
Bildungsinhalten und solidem kaufmännischem<br />
Wissen, was gut zum Geist der<br />
Zwinglistadt Zürich passt. Das Interesse an Kultur<br />
und zugleich an wirtschaftlichen Zusammenhängen<br />
hat mich zeitlebens begleitet, und<br />
glücklicherweise gelang es mir auch immer,<br />
beides unter einen Hut zu bringen.<br />
Ohne Plan ins Berufsleben<br />
Mein weiterer Lebensweg war nicht vorgezeichnet.<br />
Ich habe nie zu den Menschen gehört, die<br />
für sich Lebens- oder Karrierepläne entwerfen.<br />
Solche Unterfangen sind Anleitungen zum Unglücklichsein.<br />
Nach der Mittelschule studierte<br />
ich Betriebswirtschaft an der Universität Zürich<br />
– wiederum etwas Solides. Gleichzeitig war ich<br />
während Jahre freier Mitarbeiter für den Kulturteil<br />
des Tages-Anzeigers, für den ich Buchbesprechungen<br />
verfasste. Ich befasste mich mit<br />
Verlagsprojekten, etwa der Herausgabe der Reihe<br />
Zeitspuren (deutsprachige Schweizer Literatur<br />
der Nachkriegszeit) für den ExLibris-Verlag,<br />
daneben arbeitete ich im Ausbildungszentrum<br />
der Schweizerischen Kreditanstalt. Trotz Universitätsabschluss<br />
in Betriebswirtschaft wurde ich<br />
Assistent an der Schweizerischen Forschungsstelle<br />
für Wirtschafts- und Sozialgeschichte und machte<br />
eine Doktorarbeit, die unter dem Titel Das<br />
Schweizerbuch im Zeitalter von Nationalsozialismus<br />
und Geistiger Landesverteidigung kulturelle<br />
Themen zum Gegenstand hatte. Mit derart<br />
weit gefassten Interessen war es nicht einfach,<br />
eine längerfristige Berufsperspektive zu finden.<br />
Freunde empfahlen mir, mich für die Diplomatenlaufbahn<br />
zu bewerben. Obwohl ich mich<br />
keinesfalls als Cocktailtrinker im Nadelstreifgebiet<br />
sah, erkundigte ich mich und meldete mich<br />
schliesslich zur Aufnahmeprüfung in den diplo-<br />
matischen Dienst. Ich bereitete nichts vor und<br />
bestand schliesslich die aufwändige Prüfung zu<br />
meinem eigenen Erstaunen. Noch im gleichen<br />
Jahr – 1987 – begann ich mein Stage zusammen<br />
mit Kollegen wie dem heutigen EDA-Staatssekretär<br />
Peter Maurer und dem Auffälligsten unseres<br />
Jahrgangs, Thomas Borer.<br />
Als Diplomat unterwegs<br />
Mein erster Einsatz führte mich zur schweize -<br />
rischen Delegation beim GATT (heute Welthandelsorganisation<br />
WTO). Danach verbrachte ich<br />
ein weiteres Ausbildungsjahr auf der schweizerischen<br />
Botschaft in Paris, wo meine Französischkenntnisse<br />
Fortschritte machten und wo ich<br />
am Quai d’Orsay auch die Welt der klassischen<br />
Diplomatie kennenlernte. Diplomatie – das<br />
lernte ich in Paris und später immer wieder –<br />
ist im Kern eine Kunstform, die darauf abzielt,<br />
mit Sprache Veränderungen zu bewirken. Nach<br />
dem Jahr in Paris stand der erste «richtige»<br />
Einsatz bevor. Über ihre Versetzungswünsche<br />
wurden die Mitarbeitenden damals nicht lange<br />
befragt. Als ich mein Versetzungsschreiben<br />
öffnete, fuhr es mir kalt über den Rücken: Ich<br />
war als Stellvertreter des Botschafters in Nigeria<br />
vorgesehen. «Wir können immerhin ihren<br />
Wunsch nach einem englischsprachigen Einsatzort<br />
erfüllen», sagte der Personalchef mit einem<br />
Humor, für den ich nichts übrig hatte.<br />
Personen<br />
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