de lëtzebuerger ziichter 2/2012 - Convis Herdbuch Service Elevage ...
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MILCHRINDER<br />
Einblick, Ausblick<br />
Genomics in <strong>de</strong>r Milchrin<strong>de</strong>rzucht<br />
Es ist ein lang gehegter Traum <strong>de</strong>r Tierzüchter, <strong>de</strong>n Zuchtwert eines Tieres direkt aus <strong>de</strong>n<br />
Erbinformationen ablesen zu können. Einen unmittelbaren Einblick in die genetische<br />
„Black box” gewährt die genomische Selektion. Beginnend mit <strong>de</strong>r Milchviehzucht, <strong>de</strong>ren<br />
erste offizielle genomisch verbesserten Zuchtwerte erstmals im August 2010 veröffentlicht<br />
wur<strong>de</strong>n, eröffnet die genomische Selektion vor allem in <strong>de</strong>n Rin<strong>de</strong>rzuchtprogrammen<br />
völlig neue Gestaltungswege. Diese nach Einführung <strong>de</strong>s BLUP-Tiermo<strong>de</strong>lls durch<br />
Charles Hen<strong>de</strong>rson während drei Jahrzehnten in etwa gleichbleiben<strong>de</strong> Branche erfährt<br />
<strong>de</strong>rzeit wahrlich einen Aufschwung: rasante Verbesserungen in <strong>de</strong>n Hochdurchsatzgenotypisierungsmetho<strong>de</strong>n,<br />
begleitet durch immer dichter wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Karten an über alle<br />
Chromosomenregionen gleichmäßig verteilte Marker (die sogenannten SNP’s) eröffnen<br />
die Möglichkeit einer breiten Nutzung genomischer Informationen zu immer erschwinglicheren<br />
Preisen. Tierzuchtwissenschaftler und Zuchtorganisationen diskutieren seit längerem<br />
Fragen <strong>de</strong>s Potenzials <strong>de</strong>r genomischen Selektion sowie die Folgeabschätzungen<br />
dieser Technologie.<br />
Jeanne Bormann, ASTA - <strong>Service</strong> <strong>de</strong> la<br />
Production animale<br />
■ Verkürzung <strong>de</strong>s Generationsintervalls<br />
<strong>de</strong>r aus Sicht <strong>de</strong>s Zuchtfortschritts<br />
größte Effekt entsteht durch die<br />
Verkürzung <strong>de</strong>s Generationsintervalls:<br />
in Milchviehzuchtprogrammen<br />
erlaubt genomische Selektion <strong>de</strong>m Züchter,<br />
genetisch überlegene Tiere zu einem<br />
sehr frühen Alter (bereits vor <strong>de</strong>ren Geschlechtsreife)<br />
zu erkennen. Für Tierarten<br />
mit beson<strong>de</strong>rs langem Generationsintervall<br />
sind genomische Zuchtwerte<br />
daher beson<strong>de</strong>rs wertvoll: Bullen sind in<br />
<strong>de</strong>r Regel fünf bis sieben Jahre alt, wenn<br />
<strong>de</strong>ren erste gesicherten töchtergeprüften<br />
herkömmlichen Zuchtwerte vorliegen. Mit<br />
Hilfe <strong>de</strong>r genomischen Selektion können<br />
Besamungsstationen Entscheidungen auf<br />
<strong>de</strong>r Grundlage von genomischen Informationen<br />
treffen: anstatt fünf Jahre auf <strong>de</strong>n<br />
Einsatz von töchtergeprüften Bullen zu<br />
warten, sind „genomische“ Jungbullen<br />
bereits ab Geschlechtsreife in einem Alter<br />
von einem Jahr als Besamungsbullen einsatzbereit,<br />
somit entsteht eine drastische<br />
Verkürzung <strong>de</strong>s Generationsintervalls von<br />
63 auf 21 Monate. Dies be<strong>de</strong>utet, dass<br />
Züchter, wenn die ersten Leistungsdaten<br />
<strong>de</strong>r Töchter zur Berechnung leistungsbasierter<br />
Zuchtwerte vorliegen, bereits <strong>de</strong>ren<br />
genomisch ermittelten Topelite Enkel<br />
zur Produktion <strong>de</strong>r nächsten Generation<br />
an Urenkeln und Urenkelinnen einsetzen.<br />
Diese drastische Verkürzung <strong>de</strong>s Generationsintervalls<br />
führt zur Beschleunigung<br />
<strong>de</strong>s Zuchtfortschritts – im I<strong>de</strong>alfall zur<br />
Verdopplung. Genomische Zuchtwerte<br />
erlauben somit <strong>de</strong>n Wegfall <strong>de</strong>r „unproduktiven“<br />
Wartebullenhaltung. „Genomische“<br />
Jungbullen verfügen im Vergleich<br />
zu <strong>de</strong>n töchtergeprüften Bullen zwar in<br />
<strong>de</strong>r Regel über durchschnittlich höhere<br />
Zuchtwerte, zeigen aber in Abhängigkeit<br />
<strong>de</strong>r Merkmale eine geringere, aber immer<br />
noch annehmbare Genauigkeit <strong>de</strong>r<br />
Zuchtwerte auf. Besamungsunternehmen<br />
setzen <strong>de</strong>rzeit vielfach zwecks Risikominimierung<br />
noch auf bei<strong>de</strong> Bullentypen – nur<br />
genomisch geprüfte Bullen und Bullen mit<br />
töchterbasierten Zuchtwerten. Auch auf<br />
<strong>de</strong>r weiblichen Seite bieten genomische<br />
Zuchtwerte vielfach ausreichen<strong>de</strong> Sicher-<br />
TIERGESUNDHEIT 17<br />
SNP’s (single nucleotid polymorphism)<br />
sind genetische, wenige<br />
Basenpaare lange Marker, welche<br />
reichlich im Genom verteilt sind. Sie<br />
stellen erkennbare Markierungen<br />
auf <strong>de</strong>m Genom dar. Diese helfen,<br />
Genvarianten zu beschreiben und<br />
sind somit „Netze”, um interessante<br />
Gene zu fischen. Auch wenn sich<br />
SNP’s nicht unmittelbar selbst auf<br />
<strong>de</strong>n Phänotyp auswirken, stehen<br />
diese durch ihre unmittelbare Nähe<br />
zu <strong>de</strong>n Genen in direktem Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>m Vorliegen bestimmter<br />
Genvarianten. Mittels komplexer<br />
statistischer Verfahren wird<br />
für je<strong>de</strong>n einzelnen SNP anhand einer<br />
Referenzpopulation <strong>de</strong>r Einfluss<br />
auf die gewünschten Merkmale berechnet.<br />
Die Summe <strong>de</strong>r Alleleffekte<br />
an allen SNP-Orten über das gesamte<br />
Genom ergibt dann, vergleichbar<br />
mit <strong>de</strong>r Berechnung herkömmlicher<br />
Zuchtwerte, einen genomischen<br />
Zuchtwert, welcher das genetische<br />
Potential <strong>de</strong>s Zuchttieres darstellt.<br />
<strong>de</strong> <strong>lëtzebuerger</strong> <strong>ziichter</strong> 2|<strong>2012</strong>