Affektive Störungen<strong>Psychiatrie</strong>07.<strong>12</strong>.11 – DeisenhammerAffektive Störungen:Affektive Störungen und Suizidologie- Depressive / manische Episoden (unipolar / bipolar)- Typischerweise phasenhaft, meist chronisch rezidivierend- Thymopsyche, Denken, Hirnleistung, somatisch, sozial- Lebenszeitprävalenz bis 25%, Punktprävalenz 9%- Unipolare Depression: ♀: ♂ = 2:1 / Bipolare Störung: 1:1- Phasendauer: Zwischen einigen Tagen ("RBD") und Monaten (bei Chronifizierung: Jahre)- Zykluslänge nimmt mit Dauer der Erkrankung ab∙ Zyklus: vom Beginn einer Episode bis zum Beginn der nächsten Episode∙ V.a. symptomfreie Zeit nimmt ab- Häufigkeit der Diagnose (-stellung!) nimmt zu∙Nicht sicher, ob Depressionen wirklich häufiger werden, oder ob heute einfach mehr erkannt werden(es werden aber immer noch viel zu viele Patienten nicht adäquat therapiert: viele gehen gar nicht erstzum Arzt, weil sie sich schämen, ein psychiatrisches Problem zu haben; außerdem decken viele Ärztepsychiatrische Symptome in der Untersuchung zu wenig ab)- Auch massives volkswirtschaftliches Problem (Therapiekosten, Krankenstände, Frühpensionierungen)- Für 2020 zweithöchste DALY-Rate prognostiziert- Immer noch zu wenig erkannt und als Krankheit ernst genommen, nicht adäquat behandelt∙ Manien werden eher von der Öffentlichkeit beachtet: Patienten mit Manien sind anstrengender, falleneher auf; eine Depression kann oft gut verschleiert werden- Suizidrisiko: 20-fach erhöht (höchstes Risiko aller Erkrankungen), 75% aller Suizide geschehen im Rahmenaffektiver Erkrankungen∙Bei weiteren Risikofaktoren, wie z.B. früherer Suizidversuch steigt das Risiko noch viel weiter an (bis50%)- Negativer Einfluss auf Verlauf somatischer Erkrankungen: Cardio- und cerebrovaskuläre Erkr., Carcinome,HIV/AIDS,...∙ Höheres Risiko eines Reinfarktes, höheres Risiko an einem Infarkt zu versterben∙ Nicht nur auf Antriebsmangel zurückzuführen → es scheint auch einen direkten Einfluss zu geben- Massive Auswirkungen auf Lebensgestaltung, soziale Situation, Partnerschaft, (ungeborene) Kinder∙ Depression während der Schwangerschaft kann die Entwicklungsfähigkeit des Kindes beeinflussen →daher wichtig eine Therapie individuell abzuwägenVerlaufsformen affektiver Störungen:Es gibt auch bei Gesunden keine klare Linie in derBefindlichkeit, auch Gesunde schwanken. Die Grenzezwischen normalen Schwankungen und krankhaftenAbweichungen ist fließend und nicht immer einfachzu ziehenDepressive Syndrome im "Triadischen System":A. Exogen/Körperlich begründbar:∙ Somatogene = Organisch bedingte Depression∙ Substanz-induzierte depressive SymptomeB. Endogen:∙ „Endogene“ = Phasische Depression (uni- oder bipolar;∙ alter Begriff: Manisch-depressives Kranksein - MDK)C. Psychogen:∙ Depressive Anpassungsstörung∙ Neurotische Depression = Dysthymie∙ Depressive Persönlichkeit⇒ "Jaspers'sche Schichtenregel" (1913) → zuerst medizinisch ausschließen, ob eine somatische Ursache vorliegt(bei erstmaligem Auftreten einer psychiatrischen Symptomatik)ICD-10: Affektive Störungen (F3):Aber auch außerhalb der typischen affektiven Störungen sind affektive Erkrankungen definiert:Das triadische System wirdheute nicht mehrverwendet, ist aber immernoch hilfreich, die einzelnenDepressionsursachen zubeschreiben- F06.3 Organische affektive Störungen- F1x.54/5 Psychotische Störung durch psychotrope Substanzen, vorwiegend depressive/manische Symptome- F25 Schizoaffektive StörungenSeite 83<strong>Verena</strong> <strong>Kaiser</strong>
<strong>Psychiatrie</strong>Affektive Störungen- F30 Manische Episode- F31 Bipolare affektive Störung- F32 (Bisher einmalige) Depressive Episode- F33 Rezidivierende depressive Störung- F34 Anhaltende affektive Stör. (Dysthymia, Zyklothamia)→ Relativ symptomarm- F38 Sonstige affektive Störungen- F39 Nicht näher bezeichnete affektive Störung- F43.2 Anpassungsstörung: kurze/längere depressive ReaktionDepressive Episode (F32 bzw. F33)Unterkategorien:- "Leicht" – "mittelgradig" – "schwer":∙ Anzahl, Art und Schwere der Symptome∙ Soziales und berufliches Funktionsniveau∙ Faustregel:• leicht ⇒ ambulant / Allgemeinmedizin• schwer ⇒ stationär- "Somatisches Syndrom": ≠ Somatisierung!!!,∙ "melancholisch, vital, biologisch"; Morgenpessimum,∙ Schlaf-, Appetit-, Libidostörung, Antriebshemmung- "Psychotische Symptome"Das zentrale Phänomen der "Losigkeit" in der Depression:Patienten finden für Probleme oft keine Lösung → zusammenmit der Hoffnungslosigkeit wichtiger Risikofaktor für dieSuizidalitätSymptome der Depression:- Depressiver Habitus, "arme" Mimik∙ Verlangsamung, leise Stimme, wenig Bewegung, gebückte Haltung∙ Der Mehrzahl der Patienten aber sieht man die Depression nicht an → darunter leiden die Patientenbesonders (weil von außen niemand ihre Erkrankung wahrnimmt)∙ Ausdrucksfähigkeit des Gesichtes verändert → massive Veränderung des Aussehens der Patienten- Gedrückte, traurige Stimmung∙ Nicht bei allen Patienten muss dieses Symptom vorhanden sein, bzw. manche Patienten schildern es oftnicht so- Innere Leere, "Gefühl der Gefühllosigkeit"∙ Unfähigkeit, Gefühle wahrzunehmen∙ Viele (v.a. Frauen und Mütter) leiden auch noch sekundär darunter, weil sie ihren Partner/ihr Kind nichtmehr lieben können (sind verzweifelt, dass sie diese Gefühle nicht mehr wahrnehmen) → wichtig:aufklären, dass diese Symptome typisch für die Depression sind und wieder auftreten können- "Losigkeit": Interesse, Freude, Sinn, Hoffnung,.....- Antriebsverminderung oder Agitiertheit∙ Typischerweise Reduktion des Antriebs, kann bis zur Extremform des Stupors gehen∙ Agitierte Patienten sind zum einen mehr suizidgefährdet (weil sie eher dazu bereit sind, dieSuizidgedanken umzusetzen) haben aber auch den Vorteil, dass sie eher schneller in Behandlungkommen, weil sie über ihre Symptome klagen (häufig somatisierte Symptome)- Affektstarre∙ Patienten können nicht adäquat auf eine Situation reagieren (z.B. wenn man ihnen etwas lustigeserzählt)- Selbstwert ↓, Insuffizienzgefühle∙ Patienten können Leistungen, die sie erbracht haben, nicht einsehen/erkennen- Sozialer Rückzug- Ängste, Panikattacken- Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven- Kognitive Probleme: Konzentration, Aufmerksamkeit, Gedächtnis<strong>Verena</strong> <strong>Kaiser</strong> Seite 84