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Die ganz normale Masslosigkeit - VCS Verkehrs-Club der Schweiz

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ANSICHTENInterviewDer Geschäftsleiter des Reiseanbieters Globetrotter Travel Serviceüber Erlebnisreisen und ökologisches Bewusstsein.Dany Gehrig«Fliegen ist eindeutig zu billig»<strong>VCS</strong>-Magazin: In Ihrem Magazin sind Reiseberichtewie «im Reich <strong>der</strong> Maya»,«Reise zu Chinas buddhistischem Erbe»o<strong>der</strong> «Weltensammeln in Ostafrika»zu finden. Welche Trends verzeichnen Siemomentan bei Globetrotter?Dany Gehrig: <strong>Die</strong> Schwerpunkte sind Asien,Nordamerika, Ozeanien und Australien/Neuseeland.In letzter Zeit bucht unsereKundschaft vermehrt auch Reisen nachSüdafrika. Zwischen fünf und zehn Prozentunseres Umsatzes machen wir in Europa,mehrheitlich in Skandinavien.Natürlich ist unserer Kundschaftfreigestellt, ob sie die CO 2 -Emissionenihres Fluges kompensieren will.Laut Ihrem Leitbild setzen Sie sich füreinen verantwortungsvollen und naturnahen,sozial- und umweltverträglichenTourismus ein. Ist es verantwortungsvoll,praktisch nur Flugreisen zu verkaufen?Fliegen ist per se nicht umweltfreundlich.Doch unsere Kundinnen und Kunden bleibenin <strong>der</strong> Regel zwei bis drei Wochen ineinem Land und jetten nicht bloss für einWochenende nach Singapur. Wir versuchen,sie mit guter Beratung zu leiten, zumBeispiel, wenn sie für einen dreitägigen Abstecherquer durch Australien fliegen wollen.Der Faktor Zeit ist enorm wichtig, damitman sich auf ein Land und seine Menscheneinlassen kann. Unsere Kundschaft hat diesbezüglichein gutes Bewusstsein.Was macht Globetrotter für die Umwelt?Wir haben ein eigenes Myclimate-Projekt. Bisvor kurzem war dies ein Projekt zur Herstellungvon Briketts aus Biomasse in Nordindien– wir finanzierten zum Projektstart dieerste Brikettmaschine. Neu unterstützen wirdie lokale Produktion von umweltfreundlichenBiomasse-Kochern in Chandigarh,Indien. Natürlich ist unserer Kundschaft freigestellt,ob sie die CO 2 -Emissionen ihres Flugeskompensieren will. Des weiteren habenwir eine Partnerschaft mit Helvetas für sauberesTrinkwasser, unterstützen drei lokaleInitiativen und sponsern jährlich zwei Jungfotografenfür unser Projekt «World photo».Das macht das Reisen vielleicht nicht besser,aber wir versuchen, etwas zurückzugeben.Ist Myclimate nicht bloss ein Ablasshandel,damit wir ohne schlechtes Gewissendie Umwelt schädigen können?Der Grundmechanismus von jedem sozialenWerk ist <strong>der</strong> Handel mit dem schlechten Gewissen.Aber ich sehe es positiv: Statt in <strong>der</strong><strong>Schweiz</strong> den dreissigsten Abgasfilter in einerKehrichtverbrennungsanlage zu installieren,investieren wir den Franken dort, wo er hun<strong>der</strong>tMal mehr Wert hat.Vom Baby bis zum Greis ist 2010 je<strong>der</strong><strong>Schweiz</strong>er, jede <strong>Schweiz</strong>erin 5240Kilometer geflogen. Wenn das weltweitalle machen, wird die Klimaerwärmungmassiv zunehmen.Da sind aber die Businessflügeinbegriffen.Ja. Doch diese machen nicht einmal20 Prozent des gesamtenFlugvolumens aus.Bei seiner Gründung 1976 verkaufte Globetrottervor allem sogenannte «Graumarkttickets»,also Flugtickets unter dem <strong>normale</strong>nTarif. <strong>Die</strong> Flugpreise waren damals gesetzlichgebunden. Heute bieten wir Rundumpaketean, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> «Nur-Flüge» hatabgenommen. Zudem unterstützen wir aktivkeine Billigairlines.Ist Fliegen Ihrer Meinung nach zu billig?Fliegen ist eindeutig zu billig! Ich weiss garnicht, wie die Fluggesellschaften mit diesenPreisen überleben können. Wir setzen unsdafür ein, dass die Flugpreise erhöht werden.Doch die Entwicklung ist nicht zu stoppen,solange es Überkapazitäten gibt. Nichts ist soteuer wie ein Flieger, <strong>der</strong> am Boden steht. Undwenn man bedenkt, wie viele neue Flugzeugevon den Airlines in letzter Zeit bestellt undzum Teil noch nicht mal ausgeliefert wurden,fragt man sich, wer all diese Sitze füllen soll.<strong>Die</strong> Flugkilometer von Herrn und Frau<strong>Schweiz</strong>er haben sich in nur zehn Jahrenverdoppelt: von 2630 Kilometer im Jahr2000 auf 5240 Kilometer im 2010. EineZeitbombe, wie <strong>der</strong> Klimaexperte Peterde Haan sagt.Wir <strong>Schweiz</strong>erinnen und <strong>Schweiz</strong>er habenimmer mehr Freizeit und immer mehr Geld.Wenn die Preise erhöht werden und die Leutein den Tourismuslän<strong>der</strong>n dadurch faire Einkommenerhalten, wird sich das Wachstumeinpendeln.Eigentlich ist das Geschäftsmodell vonGlobetrotter ein Auslaufmodell. Im Zusammenhangmit dem Klimawandel kannman es doch kaum mehr verantworten?Ich sehe das nicht so. Wir können den Fortgang<strong>der</strong> Welt nicht beeinflussen. Zudem istes nicht unsere Aufgabe, den Leuten Vorschriftenzu machen. Je<strong>der</strong> tut das, was er fürrichtig hält.Gemäss dem europäischen DachverbandTransport and Environment wächst dieSparte Flugverkehr am schnellsten. <strong>Die</strong>klimaschädlichen Treibhausgasemissionenhaben sich in den letzten zwanzigJahren mehr als verdoppelt.Deshalb finde ich das Emissionshandelssystemfür die Luftfahrt gut. Es bewirkt, dass dieAirlines emissionsarme Flugzeuge kaufen,denn <strong>der</strong> Treibstoff ist einer <strong>der</strong> wichtigstenKostenfaktoren.40 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2013

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