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NEUE MOBILITÄT 13

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Forschung & Entwicklung - Legal Corner<br />

Forschung & Entwicklung - Legal COrner<br />

Stolperstein Anreizeffekt<br />

Vermeidung von Risiken infolge eines förderschädlichen vorzeitigen<br />

Beginns von F&E-Vorhaben<br />

»Aus Unternehmenssicht gilt es, unbedingt einen vorzeitigen<br />

Projektstart zu vermeiden; soll die in Aussicht gestellte<br />

Förderung nicht insgesamt gefährdet werden.«<br />

Forschung und Entwicklung sind in aller Munde: Die Entwicklung<br />

innovativer Produkte ist der Schlüsselfaktor für<br />

die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft im<br />

globalen Wettbewerb mit amerikanischen, chinesischen, japanischen<br />

und zunehmend auch brasilianischen sowie südkoreanischen<br />

Unternehmen. Vor diesem Hintergrund investiert<br />

der Bund jedes Jahr Milliardenbeträge in die Innovationsforschung<br />

- bei weiter steigender Tendenz. Während er<br />

einerseits institutionell z.B. die Einrichtungen der außeruniversitären<br />

Forschung finanziert, wird ein Großteil direkt<br />

an Unternehmen ausgekehrt - vor allem im Rahmen der<br />

sog. Verbundforschung, d.h. der gemeinsamen Forschung<br />

mehrerer Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen.<br />

Daneben bestehen F&E-Förderprogramme der Bundesländer<br />

sowie vor allem auch der EU, die alleine zwischen 2007 -<br />

20<strong>13</strong> Euro 53 Milliarden in die Verbundforschung investiert<br />

hat; für die neue EU-Förderperiode Horizon2020 ist ein noch<br />

höherer Betrag (Euro 76 Milliarden) angesetzt.<br />

Für die eMobilität hat der Bund ebenfalls umfangreiche Förderprogramme<br />

aufgelegt, um die Industrie bei der Umsetzung<br />

der ehrgeizigen Zielstellung der Politik - langfristig eine<br />

weitgehende Dekarbonisierung des öffentlichen Straßenpersonenverkehrs<br />

- zu unterstützen (1 Million Elektrofahrzeuge<br />

bis 2020). Wie die Bundesregierung in ihrer kürzlich vorgelegten<br />

Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie schreibt, soll dies<br />

durch den Einsatz der Batterie- und Brennstoffzellentechnologie<br />

und durch die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen<br />

erreicht werden.<br />

Neben der politischen Entscheidung, in welchen Bereichen<br />

welche Aktivitäten gefördert werden sollen, sind die durch<br />

das EU-Beihilfenrecht gesetzten rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

sowohl aus mitgliedstaatlicher wie auch aus Unternehmenssicht<br />

zu beachten. Hierzu gehört vor allem, dass<br />

staatliche Beihilfen einen sog. Anreizeffekt im Hinblick auf das<br />

geförderte Vorhaben haben müssen - ohne Anreizeffekt steht<br />

eine Förderung mit dem EU-Beihilfenrecht nicht im Einklang.<br />

Was ist unter dem Anreizeffekt einer Beihilfe zu verstehen?<br />

Staatliche Beihilfen verfälschen den Wettbewerb zwischen<br />

Unternehmen. Dies trifft insbesondere auf Beihilfen zu, die<br />

nicht erforderlich sind, weil der Beihilfenempfänger das geförderte<br />

Vorhaben auch ohne Beihilfen durchgeführt hätte.<br />

Um zulässig zu sein, müssen staatliche Beihilfen deshalb<br />

einen Anreizeffekt aufweisen. Der Anreizeffekt zielt auf eine<br />

Verhaltensänderung des geförderten Unternehmens, indem<br />

die Beihilfen das Unternehmen dazu bewegen, seine F&E-<br />

Tätigkeit zu intensivieren und Vorhaben durchzuführen, die<br />

andernfalls überhaupt nicht, in geringerem Umfang oder in<br />

anderer Weise durchgeführt würden.<br />

Förderrisiko Anreizeffekt<br />

Hat das geförderte Unternehmen allerdings mit dem F&E-<br />

Vorhaben begonnen, bevor ein Förderantrag gestellt wurde<br />

(sog. vorzeitiger Maßnahmebeginn), ist ein Anreizeffekt<br />

nicht mehr gegeben - in diesem Fall hat das Unternehmen aus<br />

Sicht der EU-Kommission durch den vorzeitigen Maßnahmebeginn<br />

quasi selbst demonstriert, dass es gewillt ist, das Projekt<br />

auch ohne Beihilfen durchzuführen. Vor diesem Hintergrund<br />

gilt es aus Unternehmenssicht, unbedingt einen vorzeitigen<br />

Projektstart zu vermeiden, soll die in Aussicht gestellte<br />

Förderung nicht insgesamt gefährdet werden.<br />

Für KMU genügt zum Nachweis des Anreizeffektes in der Regel<br />

die vor Projektbeginn erfolgte Antragstellung (bis zu<br />

einem Förderumfang von max. Euro 7,5 Mio.). Großunternehmen<br />

müssen hingegen den Anreizeffekt der Förderung nachweisen,<br />

indem sie anhand einer sog. kontrafaktischen Analyse<br />

(Vergleich eines Szenarios mit Beihilfen mit einem Szenario<br />

ohne Beihilfen im Hinblick auf die Durchführung eines<br />

neuen Vorhabens oder die Änderung der Reichweite, des<br />

Umfangs oder der Durchführungszeit des betreffenden Vorhabens)<br />

konkret zeigen, dass die beabsichtigte Förderung<br />

z.B. zu erhöhten Forschungsaufwendungen führt. Sofern vor<br />

Vorhabensbeginn noch keine - ggf. unter dem Vorbehalt einer<br />

Beihilfengenehmigung durch die EU-Kommission stehende -<br />

Entscheidung über die Beihilfengewährung durch den je-<br />

weiligen Fördergeber ergangen ist, sollten die Behörden<br />

zumindest schriftlich die grundsätzliche Förderfähigkeit des<br />

Vorhabens vorbehaltlich einer detaillierten Prüfung und einer<br />

etwaig erforderlichen Beihilfengenehmigung durch die EU-<br />

Kommission bestätigen. Die bloße Prüfung der Durchführbarkeit<br />

eines Vorhabens, welche die Voraussetzungen und<br />

Bedingungen einschließlich des Kostenrahmens des beabsichtigten<br />

F&E-Vorhabens ermitteln und bewerten soll, gilt<br />

nicht als Beginn des Vorhabens, sofern diese Kosten nicht<br />

gefördert werden.<br />

Was sich zunächst nach einem einfach zu handhabenden Kriterium<br />

anhört, stellt Unternehmen und insbesondere deren<br />

F&E-Abteilungen in der Praxis allerdings nicht selten vor<br />

erhebliche Schwierigkeiten. Diese hängen nicht nur mit<br />

der Abgrenzung von Durchführbarkeitsstudien und vorbereitenden<br />

Tätigkeiten von einem konkreten Projektstart<br />

ab, sondern haben häufig mit produkt- oder produktionsbezogenen<br />

Notwendigkeiten zu tun, wie auch das Beispiel<br />

eMobilität zeigt: Nachdem die Politik vor einiger Zeit die Unternehmen<br />

zu verstärkten Aktivitäten im Bereich eMobilität<br />

aufgefordert und entsprechende Forschungsgelder in Aussicht<br />

gestellt hat, haben viele Automobilhersteller und ihre<br />

Zulieferer unverzüglich mit der Umsetzung entsprechender<br />

F&E-Vorhaben begonnen - im Einzelfall auch, um die Termine für<br />

die lange im Voraus geplanten Produkteinführungen neuer<br />

Typen einhalten zu können. Im Hinblick auf die Antragsstellung<br />

innerhalb der erst später aufgelegten Förderprogramme<br />

sehen sich Unternehmen nun der Frage ausgesetzt, ob diese<br />

Aktivitäten bereits förderrechtlich als sog. vorzeitiger Maßnahmebeginn<br />

zu werten und damit förderschädlich sind.<br />

Lösungsansätze und Praxistipps<br />

Um Förderrisiken möglichst zu minimieren, geht unsere erste<br />

Empfehlung dahin, die unternehmensinterne Kommunikation<br />

zu optimieren: So ist sicherzustellen, dass neben den<br />

Produkt- & Vorhabensverantwortlichen aus dem F&E-Bereich<br />

auch die Rechtsabteilung frühzeitig einbezogen wird. Förderrelevante<br />

Tätigkeitsschritte sollten erst nach Freigabe ihrer<br />

rechtlichen Unbedenklichkeit erfolgen - ein vorzeitiger Vorhabensbeginn<br />

»aus Versehen« ist zu vermeiden.<br />

Unsere zweite Empfehlung zielt auf eine möglichst enge Abstimmung<br />

mit der Politik und insbesondere den zuständigen<br />

Behörden. Mit diesen sollte - bei Zweifelsfällen auch unter<br />

Einbeziehung der EU-Kommission - in jedem Fall vor Tätigkeitsbeginn<br />

ein konkretes Einvernehmen hinsichtlich der Förderunschädlichkeit<br />

bestehen bzw. eine entsprechende »Unbedenklichkeitsbescheinigung«<br />

erteilt worden sein.<br />

Sollte schließlich ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn hinsichtlich<br />

bestimmter Tätigkeiten im Raum stehen, bleiben als Ausweg<br />

meist nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder lässt sich<br />

zeigen, dass die konkrete Tätigkeit noch vorbereitender Art<br />

war und lediglich die Machbarkeit des Vorhabens untersucht<br />

hat. Oder es kann nachgewiesen werden, dass es sich nicht<br />

um ein Vorhaben, sondern um verschiedene F&E-Projekte<br />

handelt, für die dann jeweils unterschiedliche Zeitpunkte für<br />

einen Maßnahmebeginn gelten.<br />

Helge Heinrich // Prof. Dr. Sebastian Wündisch<br />

Rechtsanwälte Noerr LLP<br />

helge.heinrich@noerr.com<br />

sebastian.wuendisch@noerr.com<br />

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