Aware Broschüre 2016
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160 9. Erfindungen und Patente<br />
In Deutschland<br />
Grundlage wurde hierfür im Folgejahr 2002 durch die Abschaffung des sogenannten Hochschullehrerprivilegs<br />
geschaffen, das nachfolgend skizziert werden soll. In Deutschland waren Hochschulangehörige<br />
gemäß Arbeitnehmererfindergesetz (ArbnErfG) gegenüber sonstigen Arbeitnehmern jahrzehntelang<br />
insoweit privilegiert, als dass sie es waren, die in aller Regel frei über ihre Erfindungen verfügen konnten<br />
und nicht etwa ihre jeweilige Universität. Nur in wenigen Ausnahmefällen, wenn nämlich eine Erfindung<br />
auf der Grundlage speziell für die Forschung bereitgestellter Haushaltsmittel entstanden war, konnte<br />
die Universität die Erfindung für sich verwerten. Nicht zuletzt aus der outputorientierten Perspektive von<br />
NPM führte dieses Privileg zu suboptimalen Verwertungsergebnissen: Zum einen sahen sich die Professoren<br />
hohen Informationsbeschaffungskosten in Hinblick auf eine spätere Patentierung gegenüber,<br />
zum anderen gaben sie der wissenschaftlichen Veröffentlichung nicht selten Vorzug gegenüber einer<br />
kommerziellen Verwertung. Ein zentraler Grundsatz im Patentrecht ist aber, dass Erfindungen in diesem<br />
Falle ohne vorher veranlasste Anmeldung nicht mehr patenfähig sind, weil mit der Veröffentlichung der<br />
Neuheitscharakter verloren geht.<br />
Die daraufhin erfolgte Novellierung des ArbnErfG verfolgte ganz im Sinne von NPM primär die Zielsetzung,<br />
dass Universitäten ihre Erfindungen stärker nutzen, wobei gleichwohl versucht wurde, den<br />
Interessenslagen sowohl von Universität als auch Hochschulangehörigen Rechnung zu tragen. Zieht<br />
man den Vergleich zu anderen Arbeitgebern, wozu auch die in Kapitel V vorgestellten Forschungsgesellschaften<br />
gehören, bleiben Hochschulangehörige insoweit weiterhin privilegiert, als sie sich<br />
aufgrund ihres grundrechtlich verbrieften Rechts auf Wissenschaftsfreiheit dafür entscheiden können,<br />
ihre Erfindungen für sich zu behalten, also ihrer Hochschule nicht preiszugeben. Dementsprechend<br />
wird im Erfinderrecht von der negativen Publikationsfreiheit (§ 42 Nr. 2 ArbnErfG) an den Hochschulen<br />
gesprochen, während deren Pendant, das Recht auf selbstbestimmte Veröffentlichung, als positive<br />
Publikationsfreiheit bezeichnet wird (42 Nr. 1 ArbnErfG). Sobald im Rahmen dieser positiven Publikationsfreiheit<br />
eine (wie soeben geschilderte neuheitsschädliche) Veröffentlichung zu dem Thema rund<br />
um die Erfindung geplant ist, hat der jeweilige Hochschulangehörige gemäß § 42 Nr. 2 ArbnErfG seine<br />
Erfindung der Hochschule zu melden (sogenannte Erfindungsmeldung). Idealziel ist es dann, dass die<br />
Hochschule die Erfindung auf dem Markt verwertet.<br />
Der Weg hin zu diesem Ziel beginnt damit, dass die Hochschule darüber befindet, ob sie (vor der<br />
neuheitsschädlichen Veröffentlichung) die volle (teilweise nicht mögliche) Übertragung der Erfindung<br />
ihres Hochschulangehörigen verlangt (sogenannte Diensterfindung). Mit diesem Verwertungsrecht der<br />
Universitäten geht jedoch eine Verwertungspflicht einher, damit die neue Technologie nicht als „Schubladenpatent“<br />
ohne wirtschaftlichen Nutzen in der Sackgasse endet. Um der genannten Verwertungspflicht<br />
nachzukommen, stehen den Hochschulen die oben genannten Patentverwertungsagenturen bei<br />
Patenrecherchen, Verwertungsstrategien sowie rechtlichen Fragestellungen zur Seite. Gegenleistung<br />
für die jeweilige Patentverwertungsagentur ist in aller Regel ein Verwertungserlösanteil, der zwischen<br />
Hochschule und Patentverwertungsagent unterschiedlich hoch verhandelt werden kann. Mit dieser<br />
rechtlichen und tatsächlichen Besserstellung verfügen deutsche Hochschulen über ausreichend Freiraum,<br />
um Erfindungen nicht nur für Lehr- und (daran anschließende) Forschungsaktivitäten zu nutzen,<br />
sondern sie auch in Form von Lizenzen, Verkäufen oder zunehmend Ausgründungen zu kommerzialisieren.<br />
Ferner stellen Erfindungen und Schutzrechte als Output und damit Reputationskapital bereits einen<br />
Wert an sich dar. Insoweit schließt sich hier der Kreis zum NPM.