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etcetera 66

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VENEDIG|Dezember2016<br />

Hermann F. Fischl<br />

Schattenspiegel<br />

Für ihn ist Venedig ein Kraftort und zugleich ein Ort der Einsamkeit.<br />

Er misstraut der angeblichen Wahrheit des Bildes.<br />

Seine größtenteils schwarzweißen Fotografien zeigen uns<br />

Ausschnitte unserer Wirklichkeit … oder doch etwas ganz<br />

Anderes? Redakteur Thomas Fröhlich bat den Heftkünstler<br />

dieser ETCETERA-Ausgabe, den Fotografen Hermann F.<br />

Fischl, der im Oktober 2016 seinen 65. Geburtstag feierte,<br />

zum klärenden Gespräch.<br />

Da sind diese Spiegelungen im Wasser und auf dem Kopfsteinpflaster<br />

eines nächtlichen Venedig, die ein Eigenleben<br />

zu besitzen scheinen. Oder jene Stromleitungen, die über<br />

unseren Köpfen ganz St. Pölten durchziehen: schwarzweiße<br />

Momentaufnahmen, die Strukturen offenlegen, gleichsam<br />

eine neue, parallele Stadtgeografie entwickeln. Und<br />

diese jungen Schwarzafrikaner, die an einem Zaun sitzen<br />

und trotzdem grinsen … Stopp! Halt! Wieso grinsen die?<br />

Ich meine, an einem Zaun angelangt …? „Da könnte man<br />

jetzt eine Flüchtlingssituation reininterpretieren, was wahrscheinlich<br />

derzeit auch flächendeckend passieren würde,<br />

täte ich das kommentarlos ausstellen.“ Was der bildende<br />

Künstler Hermann F. Fischl aber sowieso nicht tut. „In dem<br />

Fall sind das einfach Arbeiter am Lido von Venedig, die dort<br />

einen Zaun ausbessern. Aber ohne zusätzlichen Text kann<br />

das natürlich keiner wissen.“ Er hält sowieso nicht viel von<br />

dokumentarischer Fotografie: „Ein Bild zeigt immer nur einen<br />

subjektiv gewählten Ausschnitt – das kann gar nie die<br />

‚Wahrheit‘ sein.“ Aber sagt nicht ein Bild bekanntlich mehr<br />

als 1000 Worte? „Nein“, meint Fischl resolut. Und an (Pseudo-)Realitätswidergabe<br />

sei er auch gar nicht interessiert:<br />

„André Heller sagte einmal, ‚Fotografie ist die Beschlagnahme<br />

des Ereignisses und die Übergabe an mein Assoziationsdepot‘.<br />

Schöner kann ich das auch nicht ausdrücken.“<br />

Seine Thementrigger seien auch eher Literatur, Musik, optische<br />

Reize im weitesten Sinne. „Tagesaktualitäten inspirieren<br />

mich künstlerisch so gut wie nie.“<br />

Fischls Annäherung an die Fotografie geschieht auf zweierlei<br />

Weise. „wobei das ‚Ereignis‘ eben entweder von mir<br />

Künstlerportrait<br />

gesucht oder durch vorherige Sensibilisierung einfach gefunden<br />

und persönlich ‚geblickwinkelt‘ wird – keine wie<br />

auch immer geartete Dokumentation, die ja medienimmanent<br />

unmöglich ist.“ Die Ästhetik sei wichtig, aber eben nur<br />

Oberfläche, darunter gebe es immer eine Metaebene.<br />

Fotografiert wird analog, digital - „es ist ein Werkzeug,<br />

sonst nichts.“ Von Purismus in die eine oder andere Richtung<br />

hält er nicht viel. „Ich steh‘ auch sehr auf Polaroid,<br />

weil die Bilder Unikate sind, was ja auch schön ist.“<br />

Wenn man ihn so ansieht, glaubt man ihm eins ja überhaupt<br />

nicht: dass er am 3. Oktober dieses Jahres seinen<br />

65. Geburtstag feierte. Regelmäßig durchmisst er, oft gemeinsam<br />

mit seiner Gattin, die Stadt auf einem der -zig<br />

Fahrräder, die in seinem Atelier in der Wiener Straße untergebracht<br />

sind. Dort befindet sich auch die Auslagengalerie<br />

Fischl-Friebes.

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