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Rezensionen VENEDIG|Dezember2016<br />
69<br />
Wann Worte wichtig sind:<br />
Georg Bydlinski und sein<br />
Werk f. Kinder u. Erw.<br />
Inge Ceveka/HG<br />
St. Pölten: Literaturedition.<br />
NÖ, 2016, 340 S.<br />
978-3-902717-33-7<br />
Simone Hirth:<br />
Lied über die geeignete Stelle<br />
für eine Notunterkunft.<br />
Wien:Kremayr&Scheriau,<br />
2016, 188 S.<br />
ISBN 978-3-218-01045-0<br />
Gerald Grassl:<br />
Rebekkas Kraft.<br />
Jüdische Frauen aus Wien-<br />
Band II.<br />
Wien: edition tarantel.<br />
220 Seiten.<br />
ISBN: 978-3-9503673-6-2<br />
Worte und Werke. 2016 feierte der Kinder- und Jugendbuchautor<br />
Georg Bydlinski (geb. in Graz, in NÖ seit<br />
1967 lebend) seinen 60. Geburtstag, daher wird sein<br />
literarischer Vorlass aus dem Literaturarchiv NÖ aufgearbeitet<br />
und in der Reihe der Archiv-Autoren herausgegeben.<br />
Beiträge von Malte Blümke, Inge Cevela, Gabriele<br />
Ecker, Reinhard Ehgartner, Gerhard Falschlehner, Hubert<br />
Hladej, Eva Maria Kohl, Heidi Lexe, Silke Rabus, Arno<br />
Russegger, Gerhard Ruiss, Wilfried Satke und Christian<br />
Teissl runden Werk, Bedeutung und Aus- wie Eindruck<br />
ab. Zahlreiche Gedichte, Erzählungen, Lieder und Übersetzungen,<br />
insgesamt über 80 Bücher, die er oft selbst<br />
illustrierte, liegen vor. Er arbeitete gerne mit Kindern, las<br />
bereits in den 80er Jahren in Volksschulen und begleitete<br />
seine Lesungen (eigene Lieder, gespielt auf der Gitarre),<br />
daher liegt eine von und mit Kindern gestaltete CD dem<br />
Band bei.<br />
Im Gespräch mit Gerhard Falschlehner, das im Band zu<br />
finden ist, meinte er, dass „das Eigene respektiert wird, ist<br />
eine sehr wichtige Grundhaltung im religiösen Bereich“.<br />
Als Autor werfe er gerne Fragen auf und wies auf Wurzeln<br />
hin, indem er z. B. indianische Texte übersetzte. Es ging<br />
ihm darum, die eigene Identität anzunehmen und „nicht<br />
die eine Kultur oder Weltanschauung über die andere<br />
zu stellen“ S. 223. Bei den Indianern begeisterte ihn die<br />
Lebenseinstellung gegenüber der „Mutter Erde“. Einen<br />
indianischen Ausspruch führte er an: Niemand verletzt,<br />
was er schätzt und liebt. Schreiben ist für Bydlinski „eine<br />
unverzichtbare Lebensbegleitung.“, so S. 225.<br />
Und so ist diese Aufarbeitung seines Vorlasses mit den<br />
Werken von 1975 bis 2007 ebenfalls eine unverzichtbare<br />
Lebensbegleitung und Würdigung des Kulturschaffenden.<br />
Und da die Aufarbeitung mitsamt den handschriftlich<br />
vorhandenen Fassungen und Überarbeitungen gut<br />
aufbereitet und dokumentiert wurde, ist es ein spannender<br />
und keinesfalls trockener Band!<br />
Eva Riebler-Übleis<br />
Kleinere Räumungs- und Aufbauarbeiten.<br />
Simone Hirth, geb. 1985, studierte Deutsche Literatur<br />
in Leibzig, hat einen höchst interessanten Debütroman<br />
vorgelegt. Der Untergang ist Programm, jedoch durch<br />
persönlichen Einsatz und Raffinesse vermeidbar.<br />
Das Haus der Protagonistin wird geschliffen und sie<br />
muss ihr Kellerloch verlassen. Die triste Situation wird<br />
durch einen abwesenden oder gar nur erdachten Bruder<br />
und die Aussage „Alle Männer sind gefallen oder im<br />
Krieg“ spürbar. Die einsame junge Frau leidet bittere<br />
Not, verzehrt Meisenknödel oder kleine Igel und wird<br />
vom Trinkwasser krank. Dass sie im Kaufhaus stiehlt, ist<br />
logische Konsequenz – die Leser sind trotzdem auf ihrer<br />
Seite – denn Not macht erfinderisch. Außerdem rettet<br />
sie sich selber durch ihren Fleiß und Aufbauwillen. Mit<br />
200 Ziegeln aus ihrem Elternhaus schafft sie sich eine<br />
Notunterkunft und träumt vom Radieschenziehen in<br />
einer gefundenen alten Regenrinne, vom Tomaten- und<br />
Erbsenpflanzen in Eimer und Autoreifen. Ihre Einsamkeit<br />
ist so groß, dass sie die Ameisen um ihre Geborgenheit<br />
im Nest beneidet. „und wünsche, sie trügen auch mich,<br />
gleich ihren Kameraden, irgendwann in ihr Nest…. Wer<br />
keine Sozialversicherung mehr hat, sollte sich frühzeitig<br />
mit den Insekten anfreunden.“<br />
Die Autorin verflicht die Gedanken der Frau außerhalb<br />
der satten Gesellschaft mit den Zitaten aus einem Wirtschaftsratgeber<br />
und einem Botanikbuch, was den Kontrast<br />
zwischen realem Erleben und papierener Weisheit<br />
auf die Spitze treibt. Ebenfalls gelungen sind die Ideen,<br />
sich selber Gebote und Ratschläge aufzustellen, die<br />
eigentlich wie Tagebuchnotizen daherkommen. S. 177<br />
§2 Manchmal finde ich alte Fenster … Jedes hat einen<br />
Namen: das Baumfenster, das Hollerfenster, das Himmelfenster<br />
.. je nach dem, was davor zu sehen sein wird …<br />
Niemals wird Jammern zum Programm sondern sprühender<br />
Galgenhumor und Erfindungsgeist!<br />
Eine wunderbare Gedanken- und Erlebniswelt mit guten<br />
und skurrilen Wendungen. Einfach köstlich! E. Rie-Ü<br />
Der Name ist Programm. Parallel zur Ausstellung<br />
„Lebenswege großartiger Frauen aus der Leopoldstadt“<br />
im Bezirksmuseum Leopoldstadt des 2.Wiener<br />
Gemeindebezirks ist das Buch „Rebekkas Kraft“ von<br />
Gerald Grassl erschienen. Schon der Titel des Buches<br />
ist Programm: Rebekkas Kraft. Dahinter steckt die gebündelte<br />
Kraft von über zwanzig jüdischen Frauen der<br />
Vergangenheit, die Wiens Geschichte prägten. Bekannte<br />
Frauen wie die Pädagogin und Politikerin Stella Klein-<br />
Löw, die am privaten jüdischen Gymnasium in Wien-<br />
Leopoldstadt lehrte sowie Lisl Goldarbeiter, Fotomodell,<br />
welche 1929 als bisher einzige Österreicherin zur Miss<br />
Universum gewählt wurde. Andere Künstlerinnen wie<br />
die austroamerikanische Fotografin Trude Fleischmann,<br />
die Musikerin und Schriftstellerin Vicki Baum werden in<br />
dem umfangreichen Werk vorgestellt. Auch unbekannte<br />
Frauen wie Paula Fürth, Gründerin einer Gartenbauschule<br />
in der Zeit der Ersten Republik sowie Schauspielerin<br />
und Schriftstellerin Lili Grün werden gewürdigt.<br />
Bei der Architektur gehen nach wie vor die Meinungen<br />
auseinander, denn Ella Briggs (1880-1977), wird hier als<br />
erste österreichische Architektin vorgestellt und konkurriert<br />
mit Margarethe Schütte-Lihotzky, bekannt geworden<br />
mit ihrem Modell der „Frankfurter Küche“. Der<br />
Diskurs darüber wird im Buch nur am Rande gestreift,<br />
erzeugt Spannung, und fordert neue Überlegungen.<br />
Der Wiener Autor Gerald Grassl bietet dem Leser ein<br />
breites Spektrum bekannten und unbekannten Persönlichkeiten.<br />
Erfreulich kommen Frauen endlich ins<br />
Rampenlicht, die bisher nur in der zweiten oder dritten<br />
Reihe standen. Eine Kurzbiographie zur jeweils<br />
vorgestellten Frau wäre hilfreich gewesen, beeinflusst<br />
den Lesefluss jedoch nur am Rande. Alle Texte werden<br />
durch schwarz-weiß- Fotografien sowie Archivmaterial<br />
ergänzt. Für an Zeitgeschichte und vor allen Dingen<br />
Frauengeschichte interessierte Leser ist dieses 220<br />
Seiten umfassenden Werk unbedingt zu empfehlen!<br />
Cornelia Stahl