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68 VENEDIG|Dezember2016 Rezensionen<br />
Venedig<br />
Mit Cityplan Venedig.<br />
Ostfildern: DuMont, 2015<br />
120 Seiten<br />
ISBN: 9-783-770-196-142<br />
AuserLesen<br />
25 J. Weigel Litersturstip.:<br />
B. Neuwirth/HG<br />
St. Pölten: Literaturedition<br />
NÖ, 2016, 288 S.<br />
ISBN 978-3-902717-35-1<br />
Judith Gruber-Rizy:<br />
Der Mann im Goldrahmen<br />
Roman<br />
Verlag Wortreich, Wien<br />
2016, 288 Seiten<br />
ISBN 978-3-903091-06-1<br />
Venedig- Zentum jüdischer Literatur und jüdischen<br />
Buchdrucks blickt heuer auf eine 500jähige<br />
Geschichte zurück. Am 15.März 1516 beschloss der<br />
Senat der Seerepublik, dass Juden in einem separaten<br />
Stadtteil leben sollten. „Geto“ wurde dieses Viertel genannt<br />
und seine Bewohner lebten auf engstem Raum.<br />
Erst mit Ende der Seerepublik fand auch das Ghetto sein<br />
Ende. Erst danach begann die Zeit, in der Juden anderen<br />
Bewohnern Venedigs rechtlich gleichgestellt waren.<br />
(Tagesspiegel, 29.03.2016).<br />
Der vorliegende Reiseführer von DuMont widmet mit<br />
„Juden in Venedig - im Ghetto“ der damaligen Zeit ein<br />
eigenes Kapitel und erinnert somit an die 500 Jahre alte<br />
Geschichte und den Beginn des Ghettos 1516. Wir erfahren,<br />
dass heute zirka 600 Juden in Venedig wohnen, allerdings<br />
nicht auf das ehemalige Viertel begrenzt, sondern<br />
in der gesamten Stadt verteilt. An die Zeit damals<br />
erinnern die Synagogen, von denen die Levantinische<br />
und die Spanische Synagoge wohl am eindrucksvollsten<br />
erscheinen, im Gegensatz zur schlicht anmutenden<br />
Deutschen, Italienischen Synagoge und Sinagoga Canton,<br />
die man jeweils auf einem geführten Rundgang in<br />
englischer oder italienischer Sprache besichtigen kann.<br />
Kultgegenstände wie Pessah- und Purimteller sowie<br />
einen Hochzeitsvertrag aus dem 18. Jahrhundert kann<br />
der Besucher im Museo d´Arte Ebraica bewundern.<br />
Moderne Kunst gibt es am Canal Grande, die Collezione<br />
Guggenheim-Museum, ist für Kunstliebhaber ein Muss.<br />
Am Ende des Tages belohnt der schönste Blick auf die<br />
Stadt - San Giogio Maggiore. Ihn sollte man nicht verpassen,<br />
bevor Venedig endgültig versinkt (bei gleichzeitig<br />
ansteigendem Meeresspiegel), denn schließlich<br />
gehörte die prachtvolle Stadt, wie im Wiener Kongress<br />
1815 beschlossen wurde, einst dem Habsburgerreich.<br />
Venedig ist eine Reise wert!<br />
Den Überblick dabei behält man am besten beim Mitführen<br />
des inliegenden Cityplanes.<br />
Cornelia Stahl<br />
Literaten bedürfen der Förderung! Die Kulturabteilung<br />
des Landes NÖ hat dies immer schon gewusst und<br />
seit 25 J. dient der Hans Weigel Literaturpreis dazu, meist<br />
junge AutorInnen zu betreuen und mit einem Stipendium<br />
zu stützen. Aus allen drei Gattungen – Lyrik, Dramatik<br />
und Prosa – werden Talente von einer unabhängigen Jury<br />
bewertet. Diese setzen ihren Weg, ihr Schaffen auch meist<br />
sehr erfolgreich fort. Z.B. Georg Bydlinsky, Erwin Riess<br />
oder Paulus Hochgatterer. Diese Vertreter der ersten Jahre<br />
fanden Eingang in den ersten Sammelband „Am Weg<br />
…“ 2004. In dieser Anthologie sind ebenfalls klingende<br />
Namen wie Hahn, Hirth, Unterrader, Travnicek, Widhalm,<br />
Seisenbacher, Becker, Woitzuck, Klemm, Wurmitzer, Feimer,<br />
Schuberth, Tiwald, Bayer, Eisenkirchner, Hilber oder<br />
Hülmbauer aus dem Lyrik / Prosabereich, sowie Lind und<br />
Prinz aus der Sparte Film oder Lale Rodgarkia-Dara , Niklas<br />
oder Dürr aus der Sparte interdisziplinärer Medien<br />
(Hörstücke, Tonfragmente, Performative Lesung …).<br />
Da das Werk „AuserLesen“ betitelt ist, habe ich als Beispiel<br />
Gertraud Klemm (Autorin von „Aberland“, 2015 bei<br />
Droschl; „Muttergehäuse“, 2016 bei Kremayr & Scheriau):<br />
Ballgefühl auserlesen: Es ist ein Romanauszug, der tiefen<br />
Einblick in die kalkulierende Gedankenwelt einer äußerst<br />
jugendlichen Freundin eines eher pensionsreifen Autors,<br />
der aufs Land gezogen ist, bietet. So richtig offen und<br />
ehrlich werden die lakonischen und opportunistischen<br />
Verhaltensstrategien der jungen Dame dargelegt. Einfach<br />
köstlich zu lesen!<br />
Dank Gabriele Ecker hat der Leser ein qualitativ hochwertiges<br />
Buch vor sich, in dem es stets interessant ist,<br />
zu erkunden, was diese Literaturschaffenden Niederösterreichs,<br />
die fast alle bereits in Rezensionen im „<strong>etcetera</strong>“<br />
beleuchtet worden sind, diesmal an Exempeln der<br />
Veröffentlichung anvertrauten. Stöbern sie in dem Band,<br />
der durch die angehängten Autorenportraits informativ<br />
aufbereitet wurde! Die Texte sind wirklich faszinierend,<br />
abwechslungsreich und spannend!<br />
Eva Riebler-Übleis<br />
Fotos zum Nachdenken. »Jeden Tag um halb 10 mache<br />
ich mein Foto.« Einstieg in einen neuen Tag, in ein<br />
neues Kapitel, der Satz in stets abgewandelter Form. Die<br />
Ich-Erzählerin hat sich in ein Bergdorf zurückgezogen,<br />
und aus dem Fenster sieht sie einen Kirschbaum, den sie<br />
jeden Tag mit Fotoapparat und Stativ knipst. Das Foto<br />
ist ein Angelpunkt in ihrem Aufenthalt, den sie für ein<br />
Jahr angelegt hat.<br />
Das wiederkehrende Ritual der Fotografie setzt eine<br />
Struktur fest, in der sich auch weitere wiederkehrende<br />
Aktivitäten befinden, die allerdings als Basis zur Selbstreflexion<br />
dient. Ebenfalls täglich sind die Telefonate mit<br />
dem Sohn David. Für ihn war sie immer da, ihre Identität<br />
teilen sich die Künstlerin und die Mutter.<br />
Im Zentrum des Romans steht eine Beziehung zu einem<br />
um zwanzig Jahre jüngeren Mann, Stephan. Diese Liebschaft<br />
dauerte nur vier Wochen, jene Zeit, die ihr Sohn<br />
auf einer Sprachreise zubrachte. Kurz vor Davids Rückkehr<br />
brach sie die Beziehung zu Stephan ab.<br />
David wird im Laufe des Romans als Grund für die Beendigung<br />
der Beziehung mit Stephan genannt – allerdings<br />
scheint er von dieser Liebschaft überhaupt nichts<br />
zu wissen. Als Stephan ein einziges Mal Davids Zimmer<br />
besichtigte, empfand die Erzählerin dies fast als Verrat.<br />
In keiner Weise ließ sie die beiden zusammenkommen.<br />
Natürlich zweifelt die Ich-Erzählerin an ihrer Entscheidung,<br />
mit Stephan vor Jahren gebrochen zu haben. Mit<br />
der Zeit stellt sich das Gefühl ein, sie könnte noch länger<br />
in den Bergen bleiben, vielleicht sogar für immer. Doch<br />
ein Bekenntnis dazu öffnete auch den Weg für einen<br />
Neubeginn mit Stephan.<br />
Der Mann im Goldrahmen ist ein sehr stilles und doch<br />
beredtes Buch. Die Gedanken der Fotografin schreiten<br />
ruhig voran, und der Anhaltspunkt des täglichen Fotos<br />
gibt in gewisser Weise einen sicheren Pfad vor. Den die<br />
Erzählerin, wie die letzten Seiten des Buches enthüllen,<br />
auch braucht.<br />
Klaus Ebner