HUMOUR RESOURCES – Schräges und Skurriles aus der Welt der Personalabteilungen
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Dazu muss man sagen, dass es sich dabei nicht um eine klassische Einzelhandelsposition handelte, bei<br />
<strong>der</strong> man nur an <strong>der</strong> Kassa sitzt, son<strong>der</strong>n um aktiven Verkauf, Beratung, K<strong>und</strong>enbetreuung <strong>und</strong> natürlich<br />
auch um Reklamations- <strong>und</strong> Beschwerdemanagement.<br />
Bereits <strong>der</strong> erste Bewerber war mir über<strong>aus</strong> sympathisch, <strong>und</strong> ich war davon überzeugt, den Richtigen für<br />
die besagte Position gef<strong>und</strong>en zu haben. Beim Telefonscreening war er sehr begeistert sowie im persönlichen<br />
Gespräch über<strong>aus</strong> bemüht <strong>und</strong> überzeugend. Er betonte mehrmals, wie gut er mit K<strong>und</strong>Innen<br />
umgehen könnte, wie kommunikativ, belastbar <strong>und</strong> stressresistent er wäre.<br />
Als ich gegen Ende des Bewerbungsgesprächs die Rahmenbedingungen wie Gehalt, Arbeitszeiten etc.<br />
mit ihm durchging, kamen wir auch zur Frage, ob es bei ihm zeitliche Einschränkungen gäbe. Die Antwort<br />
lautete: Ja, jeden Dienstag <strong>und</strong> Donnerstag müsste er spätestens um 18:00 Uhr den Shop verlassen. Mein<br />
erster Gedanke war, dass er eine Abendschule besuchte, <strong>und</strong> ich war hin <strong>und</strong> weg vor Begeisterung über<br />
so viel Ehrgeiz. Als ich genauer nachfragte, erwi<strong>der</strong>te er: „Naja, da habe ich immer meine Therapie.“<br />
Wird vermutlich eine Physiotherapie sein, dachte ich.<br />
Was dann weiter folgte, war allerdings überraschend. Mit herzerfrischen<strong>der</strong> Offenheit erzählte <strong>der</strong> Bewerber,<br />
dass ihn ein Richter dazu verdonnert hätte, zweimal in <strong>der</strong> Woche zur Aggressionsbewältigungstherapie<br />
gehen zu müssen. Er wäre zwar ein gutmütiger Mensch, schlüge jedoch gerne mal zu, wenn er zu sehr<br />
gereizt würde. Meine anfängliche Begeisterung schmolz dahin wie Schnee im Frühling.<br />
Wie konnte er sich nur um eine Stelle mit laufendem K<strong>und</strong>enkontakt bewerben? Der K<strong>und</strong>enkontakt erfor<strong>der</strong>t<br />
einerseits Geduld, an<strong>der</strong>erseits Vermittlungsgeschick <strong>und</strong> bringt mit Sicherheit genervte, her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>nde<br />
<strong>und</strong> oftmals auch anstrengende K<strong>und</strong>Innen mit sich.<br />
Mein Gegenüber jedoch hatte sichtlich nicht die geringsten Bedenken. Seelenruhig gab er von sich: „Ich<br />
bemühe mich immer, nicht auf die K<strong>und</strong>Innen loszuschlagen, das können sie mir glauben. Aber ich kann<br />
mich einfach nicht beherrschen, wenn jemand beson<strong>der</strong>s lästig ist.“<br />
Ich hatte Visionen von wilden Prügeleien im Shop, von Polizeisirenen <strong>und</strong> flüchtenden K<strong>und</strong>Innen.<br />
Fieberhaft begann ich zu überlegen, wie ich diesen Kandidaten loswerden könne, ohne ihn zu reizen.<br />
Wi<strong>der</strong> Erwarten verabschiedete er sich ohne weitere Komplikationen.<br />
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