HUMOUR RESOURCES – Schräges und Skurriles aus der Welt der Personalabteilungen
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Ich sah die Aufgaben schon im Internet in sämtlichen Bewerberforen<br />
kursieren <strong>–</strong> <strong>und</strong> mich als Lachnummer <strong>der</strong> gesamten Abteilung.<br />
Kandidat 007<br />
anonym, Industrie, 5.485 MitarbeiterInnen<br />
Als es galt, unser langgedientes Einzel-Assessment-Center zu optimieren, wurde mir die ehrenvolle Aufgabe<br />
zuteil, neue Rollenspiele zu entwickeln. Nun kann man ja nicht gerade behaupten, dass sich die TeilnehmerInnen<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich um Rollenspiele beson<strong>der</strong>s reißen würden. Umso höhere Ansprüche richtete ich<br />
an mich selbst: Meine Aufgabenstellungen sollten an<strong>der</strong>s sein! In akribischer Kleinarbeit erdachte ich also<br />
zwei innovative Szenarien, in die all mein Herzblut geflossen war. Gespannt wartete ich auf den Tag, als<br />
die beiden neuen Rollenspiele endlich in <strong>der</strong> Praxis Anwendung finden sollten.<br />
Als <strong>der</strong> erste Bewerber in unserem neuen Einzel-Assessment-Center auf Herz <strong>und</strong> Nieren getestet wurde<br />
<strong>und</strong> seine persönlichen wie fachlichen Kompetenzen auf dem Prüfstand standen, kamen auch meine<br />
beiden <strong>aus</strong>geklügelten Aufgaben zum Einsatz. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, wie sich <strong>der</strong> Bewerber<br />
auf die Rollenspiele vorbereitete <strong>und</strong> sie schließlich vortrug. Alles lief glatt <strong>–</strong> <strong>und</strong> wie Sie sich sicher<br />
vorstellen können, fiel mir mehr als nur ein Stein vom Herzen.<br />
Wie es Assessment-Center so an sich haben, war am Ende des Tages nicht nur <strong>der</strong> Bewerber völlig ver<strong>aus</strong>gabt,<br />
son<strong>der</strong>n auch ich. Nachdem <strong>der</strong> Anwärter das übliche Feedback zu seinen Leistungen <strong>und</strong> einige<br />
organisatorische Hinweise <strong>–</strong> wohl mehr peripher <strong>–</strong> entgegengenommen hatte, machte er sich auf den<br />
hart erkämpften <strong>und</strong> wohlverdienten Heimweg.<br />
Ich hatte nur noch den Testraum aufzuräumen, dann konnte ich es ihm gleichtun <strong>–</strong> voller Vorfreude auf<br />
die Euphorie, die sich sicherlich einstellen würde, sobald ich daheim auf <strong>der</strong> Couch den erfolgreichen Tag<br />
genüsslich Revue passieren ließ. Doch plötzlich fühlte ich mich wie vom Blitz getroffen: Die beiden neuen<br />
Aufgaben waren weg <strong>–</strong> <strong>und</strong> meine Hochstimmung selbstverständlich mit ihnen. Offenbar hatte <strong>der</strong><br />
Bewerber die Angaben zu seinen Unterlagen gesteckt. Panik stieg in mir auf. Ich sah die Aufgaben schon<br />
im Internet in sämtlichen Bewerberforen kursieren <strong>–</strong> <strong>und</strong> mich als Lachnummer <strong>der</strong> gesamten Abteilung.<br />
Sofort griff ich zum Telefon, um den Bewerber anzurufen, aber vergeblich. Er saß ja im Auto <strong>und</strong> hatte 400<br />
Kilometer Heimweg vor sich (damals waren Freisprecheinrichtungen noch nicht so alltäglich wie heute).<br />
Nach einer gefühlten Ewigkeit <strong>–</strong> tatsächlich waren es vielleicht 15 Minuten <strong>–</strong> rief er mich endlich zurück. Er<br />
hatte anhalten müssen, weil er in unserem riesigen Industriepark die Ausfahrt nicht fand.<br />
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