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2007-02

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Kultur<br />

Selbst Max Schmeling liebte Sigis Küstenlandschaften<br />

Die Bilder Reich an der Stolpes zeichnen sich durch Surrealistisches und gewaltige Farbkluften aus.<br />

Sie sprechen Gewühlswelten an.<br />

Tochter und Schwiegersohn plaudern<br />

in Wehbach über ihren berühmten Vater:<br />

Siegfried Reich an der Stolpe<br />

Das Haus liegt am Hang in Wehbach. Ein bisschen<br />

zurück. Es ist ein altes Haus. Die Ziegel haben zig Jahre<br />

auf dem Buckel. Ein schönes Haus. Mit viel Geschichte<br />

im Mauerwerk. Winklig ist das Haus. Und drinnen gibt es<br />

viel zu sehen. Beispielsweise einen Flügel, ein Keyboard<br />

und viel erlesene Kunst. Es gibt auch viel zu hören. Zum<br />

Beispiel Geschichten. Eine ganze Menge sogar. Wie jene<br />

von Sigi …<br />

Sigi ist berühmt. Da müssen Alben herbei, Fotos, teilweise<br />

zerknittert, angegilbt. Herbei müssen auch Presseberichte,<br />

Kunstkataloge, Fachgazetten. Beatrice und Klaus<br />

Schneider zeigen alles und sie erzählen dazu die Geschichte<br />

von Sigi – dem Maler.<br />

Im November 2001 legte Sigi den Pinsel für immer<br />

aus der Hand. Er trat ab von dieser Welt. Einer der großen<br />

Gegenwartskünstler. Ein Stilpräger. Ein charismatischer<br />

Künstler ist gegangen. Die Erinnerungen, die bleiben.<br />

Bei dampfendem Kaffee, der die Lebensgeister zur<br />

abendlichen Stunde weckt, wird die Geschichte vom Sigi<br />

aufgeblättert. In Wort und Bild. Nicht ganz einfach. Sigis<br />

Geschichte ist kompliziert. Und lang. Die chronologische<br />

Ordnung schält sich langsam heraus. Nun, das ist meistens<br />

so, wenn es um große Persönlichkeiten mit eng geschriebenem<br />

Lebenslauf geht.<br />

Am Ende steht dann fest: Der Sigi heißt nicht einfach<br />

Sigi, sondern hat einen langen Namen, unter dem ihn die<br />

kunstinteressierte Welt kennt: Siegfried Reich an der Stolpe.<br />

Beatrice ist eine seiner Töchter. Sie gibt Ballettunterricht.<br />

Ihr Mann Klaus ist privater Klavierlehrer.<br />

Also, der Sigi heißt eigentlich nur Reich. 1912 kommt<br />

er in einem verschlafenen Nest zur Welt. Stolp heißt es, und<br />

in Pommern liegt es. Das Nest liegt direkt an einem kleinen<br />

Flüsschen, das den Namen Stolpe trägt.<br />

An der Wiege seines künstlerischen Schaffens stehen<br />

Georg Grosz und Max Pechstein. Auch Schmitt-Rottluff<br />

beeinflusst Reich, der relativ schnell zu einem eigenen Stil<br />

findet. Klaus Schneider über seinen Schwiegervater: „Er<br />

nannte seinen Stil Emotionalismus.“<br />

Für Furore sorgt Reich an der Stolpe schnell. Kritiker<br />

erwähnen ihn in einem Atemzug mit Pechstein und eben<br />

Schmitt-Rottluff.<br />

In den 30er-Jahren kauft ihm Deutschlands berühmtester<br />

Boxer, Max Schmeling, ein Konvolut von Grafiken ab.<br />

Bevorzugte Motive: Küstenlandschaften, Meereswogen,<br />

Brandungen.<br />

Beatrice und Klaus Schneider sind sich einig: „Wichtiger<br />

und prägender als alle akademischen Ausbildungen<br />

und Studien waren für Sigi die Freundschaften mit und zu<br />

anderen Künstlern, beispielsweise zu Käthe Kollwitz.“<br />

Unter dem Hitler-Schreckensregime gelten seine Werke<br />

als entartete Kunst. Siegfried Reich an der Stolpe lebt in der<br />

brodelnden Metropole Berlin. Er führt unter dem wahnwitzigen<br />

Hitler-Regime ein Nischendasein. Wie viele Künstler<br />

in diesen „entarteten“ Zeiten.<br />

Und dann kommt einer der schwärzesten Tage im Leben<br />

des begnadeten Künstlers: Im irrsinnigen Bombenhagel<br />

geht sein Berliner Atelier zu Bruch. Fassungslos steht<br />

Reich an der Stolpe vor den Trümmern seines Domizils<br />

und seines Schaffens.<br />

Unterkriegen lässt er sich nicht. Jahre später fasst der<br />

Kriegsheimkehrer in Frankfurt Fuß. Sein Bekanntheitsgrad<br />

wächst. Seine Werke werden z. B. neben denen von<br />

16 durchblick 2/<strong>2007</strong>

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