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2007-02

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Marias Krimi<br />

zentrum schnell erreicht und stand atemlos dem Juwelier<br />

gegenüber. Das schmale Gesicht mit den großen, ernsten<br />

Augen erinnerte sie an einen Schuljungen, den sie vor langer<br />

Zeit gekannt hatte.<br />

Ihre Worte entsprachen nicht den überlegten Sätzen,<br />

die sie unterwegs eingeübt hatte: „Ich war gerade bei dem<br />

Mann, der für Sie im Gefängnis sitzt. Meine Tante Else<br />

Bernsdorf muss gewusst haben, dass Sie Ihre Frau erschossen<br />

haben. Aber der Unschuldige will das Geld nicht. Er<br />

will sein Recht.“<br />

Für einen Moment schien Michael Brückner um Fassung<br />

zu ringen, aber dann wich der wirre Ausdruck in seinem<br />

Gesicht einem höflichen Lächeln. Sein Stimme klang<br />

ruhig und sachlich: „Sie irren sich, meine Frau ist von dem<br />

Einbrecher erschossen worden. Das wurde klar bewiesen.<br />

Warum Ihre Tante, der ich auch viel zu verdanken habe,<br />

sich um ihn gekümmert hat, begreife ich nicht. Aber bitte,<br />

es ist mir schmerzlich diese Dinge wieder aufzurollen. Wir<br />

haben uns nichts mehr zu sagen.“<br />

Abrupt wandte sich Irma zum Gehen. Für sie war der<br />

Fall klar, aber wie sollte sie jemals Beweise finden. Und<br />

warum hatte Michael Brückner seine Frau erschossen? Voller<br />

Unruhe fuhr Irma nach Hause. Der Wunsch, von dem<br />

Mann, der sie so hart abgewiesen hatte, die Wahrheit zu<br />

erfahren, trieb sie zurück ins Stadtzentrum. Seltsam, auch<br />

Doris war fortgegangen, obwohl sie nichts von solcher Absicht<br />

gesagt hatte. Pluto, der sanfte „Höllenhund“, blieb an<br />

Irmas Seite und nahm ihr etwas von ihrer Angst.<br />

Das Juweliergeschäft war jetzt geschlossen. Irma ging<br />

hinter das Haus, wo eine Treppe zu einer leicht angelehnten<br />

Tür führte. Deutlich hörte sie die Stimme Brückners und<br />

versuchte, den Sinn seiner Worte zu verstehen. „Sie war<br />

vorhin hier,“ stieß der Juwelier aufgeregt hervor. „Sie hält<br />

mich für den Mörder. Ich habe damals meine hinter der<br />

Kasse liegende Waffe verschwinden lassen und niemand<br />

gesagt, dass du<br />

geschossen hast.<br />

Dich hatte niemand<br />

gesehen,<br />

auch der Einbrecher<br />

nicht, der auf<br />

der Flucht festgenommen<br />

wurde<br />

und für die Polizei<br />

der Täter war.“<br />

Michael Brückner<br />

steigerte sich<br />

zu höchster Erregung,<br />

als er fortfuhr:<br />

„Als meine<br />

Frau damals plötzlich<br />

vor dir stand,<br />

weil sie Lärm gehört<br />

hatte, hast du<br />

die Gelegenheit<br />

genutzt und sie<br />

getötet.“ Bei den<br />

Warum vermachte Tante Else ihr<br />

Vermögen einem Strafgefangenen?<br />

folgenden Worten versagte die Männerstimme fast: „Auch<br />

meine Liebe zu dir ist tot. Ein Mann hat 15 Jahre für deine<br />

Schuld gebüßt. Du wirst dich der Polizei ...“ Die Stimme<br />

verstummte.<br />

Die vor Angst zitternde Irma hatte nur einen Gedanken.<br />

Jetzt musste sie etwas tun. Sie zog den Hund vor den Türspalt<br />

und rief: „Fass, Pluto, fass.“ Der Hund stürzte ins Zimmer.<br />

Dann hörte Irma ein lautes freudiges Winseln. Als sie<br />

Pluto folgte, sah sie, dass ihre Schwester Doris gerade eine<br />

kleine, silberne Pistole an ihre Schläfe drückte. Nun begriff<br />

sie das Geheimnis der Tante. Als die beiden Frauen zum<br />

Polizeirevier fuhren, wühlte Doris den Kopf schluchzend in<br />

das dichte Fell des treuen Bernhardiners. Maria Anspach<br />

durchblick 2/<strong>2007</strong> 21

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