2007-02

Ein Rasierpinsel als „Corpus delicti“ im Zivilprozess
vor dem Landgericht, das hat schon Seltenheitswert.
Der Pinsel, als Weihnachtsgeschenk für ihren Onkel von
einer jungen Dame in einer Siegener Drogerie gekauft, war
nach Überzeugung seines Besitzers nicht in der Lage, Seife
in den Schaum umzuwandeln, der
zum Einseifen männlicher Gesichtshälften
unentbehrlich ist. Ein weiterer
Defekt wurde dem Dachshaarprodukt
angelastet: „Der Pinsel spritzte und fiel
immer wieder um,“ meinte der Kläger.
Er habe ihn - aufgrund des mangelnden
Stehvermögens - mit magnetischer
Hilfe an der Wand befestigt. Ein halbes
Jahr habe er noch gehofft, die Schaumschlägerei
in den Griff zu kriegen, umsonst.
Dann brachte er den Pinsel schließlich
dem Drogisten zurück, der ihn umgehend
der Lieferfirma einschickte, die
makellose Qualität und Schäumungsfähigkeit
bescheinigte. Der Pinselbesitzer
beließ es nicht dabei und klagte.
Unterhaltung Kopfzeile
Ein Pinsel vor Gericht
Corpus Delicti
Der beklagte Drogist hatte den Vorschlag gemacht, einen
Barbier mit Seifenschälchen, Seife und Handtuch ins Verfahren
einzubeziehen, der den Kläger im wahrsten Sinn
des Wortes perfekt einseifen sollte. Darauf ging dieser aber
nicht ein und erschien nicht zum Termin.
Das Proberasieren am Kläger wäre
sicher im Bereich der Justiz eine Weltpremiere
geworden. Der Richter erklärte
schließlich kurz und knapp, dass die
Klage zurückgewiesen wird. Für den
Pinselkauf wäre als Käuferin am Ende
die bartlose Dame zuständig gewesen,
die für eine Proberasur nicht die nötigen
Voraussetzungen mitbringen konnte. Und
somit lasse sich nichts mehr beweisen.
Den Pinsel des Anstoßes nahm der Drogist
- mit einem ganzen Körbchen voller
Vergleichsexemplare - wieder mit. Dem
Kläger blieb überlassen, sich nun doch für
das ihm zustehende Dachshaarprodukt,
für andere Pinsel oder für einen Bart zu
entscheiden.
Maria Anspach
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46 durchblick 2/2007