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Philosophischer Kopfzeile Essay<br />
Gott in der Falle der Hirnforscher? 1<br />
Gedanken über die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung (Teil 2)<br />
gleichnamigen Buch vermutet, oder ein „Gottes-Modul“<br />
im Gehirn, ein Begriff, den der amerikanische Neuropsychologe<br />
Vilaynur Ramachandran geprägt hat?<br />
Wie entsteht<br />
Glaube in<br />
unserem Gehirn?<br />
Sie erinnern sich? Im letzten durchblick (1/<strong>2007</strong>) bin<br />
ich in meinem Beitrag der beachtenswerten Frage nachgegangen,<br />
sind das ICH und der freie Wille des Menschen,<br />
wie von Naturwissenschaftlern aufgrund der Erkenntnisse<br />
der modernen Hirnforschung behauptet wird, nur eine<br />
Illusion?<br />
Heute nun möchte ich mich, wie angekündigt, der noch<br />
offenen und nicht weniger bedenkenswerten zweiten Frage<br />
zuwenden, die ebenfalls durch die Hirnforschung neu aufgeworfen<br />
wird: Ist Gott nur ein Hirngespinst in den Köpfen<br />
der Menschen? Bevor ich diesem Gedanken jedoch etwas<br />
nachgehe, erscheint es mir sinnvoll zu sein, zunächst einmal<br />
die Frage selbst ein wenig zu betrachten, denn mit ihr<br />
schwingt eine zusätzliche spannende Frage mit: Warum<br />
eigentlich ist der Mensch religiös? Bietet religiöser Glaube<br />
der Spezies Mensch Lebensvorteile und wenn ja, welche<br />
sind das? Immerhin bezeichnen sich über 90 % aller<br />
Menschen auf unserer Erde, und das sind in der Minute,<br />
in der ich diese Zeilen schreibe und einen Blick auf die<br />
Weltbevölkerungsuhr im Internet werfe, insgesamt stattliche<br />
6.607.284.700 menschliche Wesen, die in irgendeiner<br />
Form religiös sind. Dafür muss es Gründe geben. Aber was<br />
sind die Ursachen und wo liegen die Wurzeln für die Religiosität<br />
des Menschen? Tiere kennen (und brauchen) keine<br />
Religion. Gibt es im Menschen eine biologische Veranlagung<br />
für Religion? So etwas wie ein „Gottes-Gen“, wie der<br />
amerikanische Molekularbiologe Dean Hamer in seinem<br />
Warum ist der Mensch religiös?<br />
(ein völlig unprofessioneller Erklärungsversuch)<br />
Der Mensch ist ein „Mängelwesen, ein Begriff, den der<br />
Philosoph und Soziologe Arnold Gehlen (1904–1976) im<br />
organischen Vergleich mit den Tieren geprägt hat. Sein<br />
Überleben verdankt er nicht seiner biologischen Organund<br />
Instinktausstattung, da sind ihm die Tiere in vielen Belangen<br />
haushoch überlegen, sondern in erster Linie seinen<br />
geistigen Fähigkeiten. Zu ihnen zählen neben der Sprachfähigkeit<br />
u. a. die Befähigung, abstrakt und in Begriffen denken<br />
zu können, eine Leistung, die es ihm ermöglicht, sich<br />
an veränderte Lebensbedingungen anzupassen. Darüber<br />
hinaus ist er in der Lage, Selbstbewusstsein zu entwickeln<br />
und mit ihm das Potenzial zur Selbstreflexion. Zu diesem<br />
geistigen Vermögen, das sich im Evolutionsprozess über<br />
Jahrtausende hinweg entwickelt hat, sind, nach heutigem<br />
Wissen, nur der Mensch und in schwächerer Form höher<br />
entwickelte Primaten fähig. Aber genau diese besondere<br />
„Begabung“ zur Selbstreflexion, im Zusammenspiel mit<br />
seinem „Talent“, abstrakte Gedanken zu entfalten, könnte<br />
der Auslöser für die Entwicklung religiöser Gedanken gewesen<br />
sein. Warum? Weil diese „Sonderausstattung“ im<br />
Menschen „geistige Nebenwirkungen“ hervorriefen.<br />
Durch diese neue Fähigkeit, sich selbst und seine Existenz<br />
zum Gegenstand seiner Gedanken machen zu können,<br />
sah und erfuhr sich der Mensch plötzlich als ein unvollkommenes<br />
und in seiner Existenz bedrohtes, endliches Wesen.<br />
Dieses Selbstbildnis seiner körperlichen Bedürftigkeit und<br />
geistigen Verlorenheit löste in ihm tiefe Unruhe und existenzielle<br />
Ängste aus und ließ ihn nach dem „Warum“ seiner<br />
persönlichen Existenz fragen. Eine sehr treffende, symbolische<br />
Aussage über diese erkannte eigene Zerbrechlichkeit<br />
finden wir im Alten Testament in Gen. 3, 7 wo es heißt:<br />
„... da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten, dass<br />
sie nackt waren ...“. Unabhängig von jeglicher theologischer<br />
Interpretation dieses Textes, diese gespürte, psychologische<br />
Nacktheit, diese bewusst gewordene archaische Todesangst<br />
war es, die den Menschen Ausschau halten ließ nach einer<br />
Lösung, das Bewusstsein seiner vergänglichen Existenz<br />
überhaupt ertragen zu können. Er suchte nach einer wärmenden<br />
Kraftquelle für seine erkrankte, nackte Seele, um<br />
durch sie gespeist, seinem mühseligen Dasein einen<br />
Allgemeine Bilderläuterung<br />
Die Fragen nach Glaube und Religion werden von uns Menschen unmittelbar hinter der Stirn gestellt.<br />
Dort im Stirnhirn (Präfrontale Cortex) befinden sich die sogenannten „Neuronen der Moral“. Ist das der<br />
Grund, warum wir in den fünf großen Weltreligionen symbolische Zeichen auf der Stirn finden?<br />
36 durchblick 2/<strong>2007</strong>