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Aus der zeitlichen Distanz betrachtet, sind die baulichen Resultate dieser Ära<br />
nicht wirklich überzeugend, konnten es vielleicht auch realistischerweise trotz<br />
großem Einsatz und klingender Architektennamen nicht sein. Zu groß waren<br />
die Widerstände, zu aufreibend die strukturellen „Kämpfe“, um anspruchsvolle<br />
Projekte überhaupt umzusetzen. Die politische Strategie Voggenhubers und<br />
das glaubhafte Engagement internationaler Fachleute (in öffentlich zugänglichen<br />
Beiratssitzungen) hatten dennoch neue Perspektiven für den Umgang<br />
mit der Stadt aufgezeigt. Die Vision einer urbanen Transformation der Stadt<br />
war nicht nur theoretisch formuliert, sondern in Ansätzen greifbar geworden. In<br />
diesem Sinne wurde das Beispiel des Salzburger Gestaltungsbeirates und der<br />
Verfahrensstrategie von Linz, Lustenau, Feldkirch, Krems bzw. anderen Städten<br />
übernommen und auch über die Landesgrenzen hinaus rezipiert.<br />
Modell Steiermark<br />
Etwas früher, in den 1970er und frühen 1980er Jahren, wirkte demgegenüber<br />
die steirische Szene in Österreich am dynamischsten. 1975 wurden vom Land die<br />
Richtlinien für den Wohnbau in dem Sinne revidiert, dass die finanzielle Förderung<br />
ab einer Größe von 50 Wohneinheiten an die Durchführung eines baukünstlerischen<br />
Wettbewerbes gebunden war. Parallel dazu wurden ab 1978 von<br />
der Landesbaudirektion keine so genannten „Amtsplanungen“ mehr durchgeführt.<br />
Stattdessen entschied man sich, die öffentlichen Bauaufgaben – vom<br />
Krankenhaus und Schulbau bis zu kleinsten Umbauten – entweder über Wettbewerbe<br />
oder Direktaufträge an engagierte ArchitektInnen abzuwickeln. Für<br />
diese Reformen verantwortlich war vor allem das Engagement für zeitgenössische<br />
Architektur des damaligen steirischen Landeshauptmannes Josef Krainer<br />
und das von ihm unterstützte Wirken der Hochbauabteilung, die jahrelang von<br />
Wolfdieter Dreibholz geleitet wurde. Das Aufblühen der so genannten „Grazer<br />
Schule“ wäre ohne diese in Österreich einmaligen Strukturbedingungen, ohne<br />
die persönliche Unterstützung bzw. Legitimation „von oben“ nicht möglich<br />
gewesen. In gewissem Sinne ist diese Entwicklung mit der in Wien der 1990er<br />
Jahre vergleichbar, als der damalige Stadtrat für Stadtentwicklung und Stadtplanung,<br />
Hannes Swoboda, das so genannte „Schulbauprogramm 2000“ ins<br />
Leben rief. Von 1993 bis 2000 wurden im Rahmen dieser Initiative über 100<br />
Schulen errichtet, die entweder aufgrund von Direktvergaben oder auf Basis<br />
von Wettbewerben geplant wurden und von denen einige Gebäude maßgeblich<br />
den architektonischen Diskurs in Österreich prägten.<br />
Baukultur : Öffentlichkeit<br />
Architekturpolitik in Österreich: Historische Entwicklung – Stand der Dinge 3.1<br />
Beispiel MPREIS<br />
Als Anfang der 1970er Jahre die Cousins Hansjörg und Anton Mölk in dritter<br />
Generation das Familienunternehmen „Theresia Mölk“ übernahmen, gab es<br />
etwa 30 kleine Lebensmittelläden, die sich vor allem in Innsbruck und Umgebung<br />
befanden und auf wenig Fläche eine kleine Auswahl an Produkten<br />
anboten. Im Jahre 1974 wurde die Vertriebslinie MPREIS mit einem neuartigen<br />
Preis- und Sortimentskonzept gegründet und die bestehenden Märkte<br />
entweder ausgebaut oder neue Supermärkte errichtet. Zu dieser Zeit spielte<br />
Architektur wie bei vielen vergleichbaren Unternehmen keine wirkliche Rolle, da<br />
die Waren hauptsächlich über das reine Preisargument verkauft wurden und<br />
die Konsumenten über die Jahre des Wiederaufbaus hinweg sukzessive auf<br />
dieses Prinzip konditioniert wurden. Mitte der 1980er Jahre begann im Unternehmen<br />
MPREIS über den Umweg der Bekanntschaft von Anton Mölk mit dem<br />
Architekten Heinz Planatscher ein Umdenken. Beauftragt mit dem Bau von<br />
Märkten, wurde von ihm das Thema Lebensmittelmarkt erstmals in Tirol konzeptionell<br />
betrachtet und die herrschende funktionale Raumpragmatik des<br />
Warenverkehrs gestalterisch durchbrochen.<br />
Die zweite wichtige Zäsur leitete Wolfgang Pöschl ein, der als junger Architekt<br />
bei einer zufälligen Begegnung die beiden Unternehmer von seinen unkonventionellen<br />
Ideen überzeugte. Auf den Überlegungen von Planatscher aufbauend,<br />
entwickelte Pöschl das Thema in Richtung eines flexiblen Raumkonzeptes. Er<br />
wollte keine einheitliche Gestaltungsidee vorgeben, sondern mit spezifischen<br />
architektonischen Lösungen auf die konkreten Orte reagieren. Die Resultate<br />
dieses produktiven Dialoges mit Hansjörg und Anton Mölk wurden 1993 erstmals<br />
auch öffentlich durch die „Auszeichnung des Landes Tirol für Neues<br />
Bauen“ für den MPREIS in Lienz anerkannt. Trotz des persönlichen Erfolges sowie<br />
weiterer Aufträge trat Pöschl Mitte der 1990er Jahre ein wenig in den<br />
Hintergrund und empfahl ArchitektenkollegInnen aus Tirol für die Weiterentwicklung<br />
der Bauaufgabe. Mit diesem Schritt wurde ein offener und dynamischer<br />
Prozess zwischen den verschiedenen ArchitektInnen und BauherrInnen losgetreten,<br />
der bis dato nicht zum Stillstand gekommen ist.<br />
Betrachtet man die Situation heute, so arbeiten fast 30 unterschiedliche<br />
ArchitektInnen, vorwiegend mit Bürositz in Tirol, im direkten Dialog mit dem<br />
Familienunternehmen an der inhaltlichen Weiterentwicklung und architektonischen<br />
Optimierung des Themas „Supermarkt“. Die Dialektik von breit<br />
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