Das oberösterreichische Vereinshandbuch
Ratgeber für VereinsfunktionärInnen zu allen wichtigen Vereinsfragen - von Rechtlichem über Steuerfragen bis hin zu Mitgliederbindung und Veranstaltungsmanagement.
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6. Freiwilligenbindung:<br />
Gestaltung eines Bindungssystems für<br />
freiwillige MitarbeiterInnen<br />
6.1 Freiwilligenbindung im<br />
Überblick: Ausgangssituation<br />
und Verständnis<br />
Für die Großzahl an Vereinen stellen freiwillige MitarbeiterInnen<br />
1 zweifellos eine zentrale und unverzichtbare<br />
Stakeholdergruppe dar. Die Verwirklichung der<br />
Ziele und Anliegen der Vereine wäre ohne dieses freiwillige<br />
Engagement nur äußerst beschränkt bis kaum<br />
möglich. Beispielsweise haben 2006 in Österreich ehrenamtliche<br />
und freiwillige Mitarbeiter knapp 14,7<br />
Millionen Arbeitsstunden geleistet 2 . Wie in den letzten<br />
Jahr(zehnt)en zu beobachten war, ist dieses freiwillige<br />
Engagement jedoch insbesondere aufgrund<br />
von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen rückläufig<br />
3 . Traditionelle Motive wie Ehre und Solidarität<br />
bzw. Pflicht- und Akzeptanzwerte verlieren als Gewinnungs-<br />
bzw. Bindungsmechanismus an Bedeutung<br />
und werden von neuen Beweggründen und Erscheinungsformen<br />
des freiwilligen Engagements ersetzt.<br />
Wollen sich Vereine die „Ressource“ Freiwilligenarbeit<br />
auch in Zukunft sichern, wird für diese kein Weg<br />
daran vorbeiführen, sich diesen Entwicklungen bzw.<br />
Herausforderungen zu stellen. Eine professionelle im<br />
Sinne einer sys-tematischen Auseinandersetzung mit<br />
der Mobilisierung als auch der Bindung von freiwilligen<br />
MitarbeiterInnen erscheint unumgänglich. Aus<br />
diesem Grunde interessieren insbesondere die Fragen,<br />
welche organisationalen Bedingungen erfüllt bzw.<br />
welche Anreize geboten werden müssen, um freiwillige<br />
MitarbeiterInnen an die Organisation binden zu<br />
können. Welche Maßnahmen, Prozesse bzw. Aktivitäten<br />
sind es nun, die der Organisation ein (zumindest<br />
teilweises) Steuerungspotenzial hinsichtlich der<br />
Bindung von freiwilligen MitarbeiterInnen eröffnen.<br />
Eine mögliche Herangehensweise zur Lösung dieses<br />
Problems ist das freiwillige Engagement bzw. die<br />
Freiwilligen-Bindung im engeren Sinne als Austauschprozess<br />
von Anreizen und Beiträgen 4 zu betrachten.<br />
6.2 Grundlagen der Gestaltung<br />
eines Bindungssystems: Wahl<br />
der richtigen Anreize und<br />
Prozessschritte<br />
Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über<br />
den (Nicht-)Verbleib in der Organisation mittels eines<br />
kognitiven Abwägungsprozesses hinsichtlich der individuellen<br />
Passung zwischen dem/der Freiwilligen und<br />
der Freiwilligenarbeit getroffen wird. Im Zuge dessen<br />
werden vor dem Hintergrund der jeweiligen Ziel- und<br />
Werthaltungen erwartete Anreize bzw. organisationale<br />
Anforderungen den Beiträgen, die der/die MitarbeiterIn<br />
erbringen soll, gegenüber gestellt. Die Aufrechterhaltung<br />
eines freiwilligen Engagements wird demzufolge<br />
sowohl wesentlich von der Gestaltung des Tätigkeitsfelds<br />
bzw. dessen Umfeld, den persönlichen, vorhandenen<br />
„Ressourcen“ des/der Freiwilligen (Zeit, Ei-<br />
I<br />
1<br />
Unter Freiwilligenarbeit wird „ein jedes frei gewählte Engagement mit einem hohen Grad an Selbstbestimmung<br />
(inhaltlich wie zeitlich) ohne ein regelmäßiges Einkommen im Rahmen einer Organisation überwiegend<br />
in ausführender Tätigkeit, das den persönlichen Interessen entgegenkommt, aber primär die Generierung<br />
eines positiven, externen Nutzens zum Inhalt hat“ verstanden.<br />
2<br />
Vgl. BMASK 2008, S. 20.<br />
3<br />
Beispielsweise ist in Österreich die Beteiligungsquote jener Menschen, welche in der formellen Freiwilligenarbeit<br />
– d.h. unter Einbindung in eine Organisation – tätig sind, im Zeitraum 2000 bis 2006 von 29,8%<br />
auf 27,9% gesunken (vgl. BMASK 2008, S. 52).<br />
4<br />
Hinter dieser Problemsicht ist der Grundgedanke der Anreiz-Beitragstheorie zu verorten, die davon ausgeht,<br />
dass Organisationen den OrganisationsteilnehmerInnen – in dem spezifischen Falle: den freiwilligen<br />
MitarbeiterInnen – Anreize bereitstellen, und die Organisationsmitglieder dafür Beiträge (Arbeitsleistungen)<br />
leisten (siehe hierzu u.a. March, J./Simon, H. (1993): Organizations. 2. Auflage. Cambridge MA).<br />
OBERÖSTERREICHISCHES VEREINSHANDBUCH 113