MAGNIFICAT Januar 2020

347
Singt dem Herrn ein neues Lied
Dass wir uns nicht trennen
Das Lied ist in vier Strophen gegliedert. Die erste Strophe bittet
den Herrn, „uns“ zu segnen: „dass wir uns nicht trennen“.
Segen, nicht zuerst und nicht allein für mich, sondern für uns.
Segen, der bewahrt vor der Trennung, genauer, vor der Zertrennung.
Trennung von Gott? Gerade habe ich ein langes Telefongespräch
geführt. Es ging um drohende Entzweiung unter
nahen Geschwistern. „Komm, Herr, segne uns, dass wir uns
nicht trennen.“ Die Geschwister sind kluge, reflektierte Menschen
und gläubige Christen, und doch tun sich zwischen ihnen
Gräben auf. Hilflos fühlen sie sich. Und zornig. Tief verletzt
sind sie. Sich dies eingestehen, würde helfen, hilft. Bitten hilft:
„Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen“. Es ist
gut, gut hinzuschauen, nicht besserwisserisch, sondern genau.
Der lange, gewaltlose Blick hilft, zu sortieren, zu unterscheiden.
Unterscheiden, damit es nicht zur jähen und jähzornigen
Scheidung kommt.
Lachen oder Weinen wird gesegnet sein
In der ersten Strophe hat mich stets auch die Zusage angesprochen,
dass Lachen wie Weinen gesegnet seien. Es hat mich an
das Wort Teresas von Avila erinnert, das unsere liebe Stuttgarter
Nachbarin, Mutter unserer Kinder-Freunde, meiner Schwester
ins Poesiealbum schrieb, bevor wir, gerade neunjährig, mit unserer
Familie in die damalige Bundeshauptstadt umsiedelten:
„Dem Tapferen sind Glück und Unglück rechte und linke Hand;
er bediene sich beider.“ Das ist stark, das macht stark. Nicht
im Fitnessstudio. Nicht aus eigener Kraft. Schwäche annehmen,
Unglück und Kränkung und Verlust nicht weglächeln, nicht
wegdrücken, nicht weglügen. Wie stehe ich denn da, wie sieht
das denn aus? Lächerlich? „Lachen oder Weinen wird gesegnet
sein.“