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<strong>Erwählt</strong> <strong>vor</strong> <strong>Grundlegung</strong> <strong>der</strong> <strong>Welt</strong><br />
Welches Unrecht könnte daraus her<strong>vor</strong>gehen? Ich wi<strong>der</strong>stehe<br />
den Einwänden <strong>der</strong> listigsten moralistischen Gegner, indem<br />
ich dagegen halte, dass Gott dem Menschen ein neues Herz<br />
und einen neuen Geist gibt, wie es ihm gefällt.<br />
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Im Altertum träumten die Nationen davon, Kriminalität ließe<br />
sich durch Strenge ausrotten. Deshalb vertrauten sie auf harte<br />
Strafen. Doch die Erfahrung belehrte sie eines Besseren. Unsere<br />
Vorväter fürchteten die Straftat <strong>der</strong> Urkundenfälschung,<br />
die ein lästiges Verbrechen ist und das zwischenmenschliche<br />
Vertrauen zerstört. Um Urkundenfälschung zu unterbinden,<br />
stellten sie sie unter Todesstrafe. Wehe um die vielen Morde,<br />
die durch dieses Gesetz vollzogen wurden! Obwohl viele<br />
Fälscher am Galgen endeten, konnte dieses Verbrechen nicht<br />
ausgerottet werden. Durch die Bestrafung, die das Vergehen<br />
eigentlich unterdrücken sollte, wurden es nur vermehrt. Einige<br />
Straftaten haben nahezu aufgehört, als die dafür <strong>vor</strong>gesehene<br />
Strafe gelockert wurde.<br />
Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass sich <strong>der</strong> Mensch<br />
geradezu danach sehnt, etwas zu tun, wenn es verboten ist,<br />
obwohl er sonst nicht einmal auf die Idee käme, es zu tun. Das<br />
Gesetz for<strong>der</strong>t Gehorsam, för<strong>der</strong>t ihn aber nicht. Häufig führt<br />
es zu Ungehorsam, und eine überharte Strafe provoziert bekanntlich<br />
erst recht Verbrechen. Das Gesetz scheitert, aber die<br />
Liebe siegt.<br />
Liebe macht Sünde stets um so nie<strong>der</strong>trächtiger. Wenn einer den<br />
an<strong>der</strong>en beraubt, ist das schon schlimm genug, aber wenn<br />
jemand seinen Freund bestiehlt, <strong>der</strong> ihm oft in Notlagen geholfen<br />
hat, würde das je<strong>der</strong> als beson<strong>der</strong>s verwerfliches Vergehen<br />
bezeichnen. Liebe prägt die Sünde mit einem glühenden<br />
Brenneisen auf <strong>der</strong> Stirn ein. Wenn jemand seinen Feind töten,<br />
ist das es eine schwere Straftat, aber wenn er seinen Vater erschlägt,<br />
dem er sein Leben verdankt, o<strong>der</strong> seine Mutter, die ihn<br />
als Baby stillte, würden sich alle gegen diese Bestie erheben.<br />
Angesichts von Liebe erscheint Sünde außerordentlich schwerwiegend.