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Steirisches Jahrbuch für Politik 2004 - Steirische Volkspartei

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waltung von der Rechtsprechung ist keine glückliche Idee. Es würde ein nach dem Status<br />

quo ganz bestimmter Erfahrungsschatz, aufgebaut durch die Kombination von Justizver-<br />

waltung und Rechtsprechung, preisgegeben, wird doch überwiegend auch die monokrati-<br />

sche Justizverwaltung von tatsächlich judizierenden Richtern besorgt. Die Kenntnis aller<br />

Spannungslagen zwischen Unabhängigkeit und Weisungsgebundenheit ist von Wert,<br />

zumal auch die Bürgernähe durch die eigene judizierende Tätigkeit gestützt wird.<br />

104<br />

Es gibt ein interessantes, bisher kaum beachtetes Zusatzargument <strong>für</strong> die Beibehal-<br />

tung der vier Oberlandesgerichte in Österreich: Da ist zuerst zu erwähnen, wie ich in per-<br />

sönlichem Gespräch im Verwaltungsgerichtshof in Wien erfuhr, dass in einer Frühphase<br />

der Diskussion um die Landesverwaltungsgerichte erwogen wurde, vier Landesverwal-<br />

tungsgerichte in bewusster Analogie zu den Oberlandesgerichten in Österreich einzurich-<br />

ten. Der Gedanke wurde zwar in der allgemeinen Debatte dann fallengelassen, tauchte in<br />

der jüngsten Vergangenheit in der Stellungnahme des Bundesministeriums <strong>für</strong> Finanzen<br />

vom 30. April <strong>2004</strong> zum Bericht des erwähnten Ausschusses 9 des Österreich-Konventes<br />

jedoch wieder auf, wo im letzten Absatz knapp erwogen wird: „Als ein alternativer Lösungs-<br />

vorschlag wäre zu überlegen, ob nicht mit einer geringeren Anzahl von Verwaltungsge-<br />

richtshöfen in den Ländern (ähnlich den Sprengeln der Oberlandesgerichte Wien, Linz,<br />

Graz und Innsbruck) das Auslangen gefunden werden kann. Dies würde auch zu einer<br />

höheren Auslastung der zukünftigen Landesverwaltungsgerichte führen und einer einheit-<br />

lichen Rechtsprechung dienlich sein.“ Diese Argumentationslinie sollte nicht unbeachtet<br />

bleiben.<br />

III. Die Herausforderung des Richters<br />

Geschichte, Organisation und Aufgabenfülle des Oberlandesgerichtes Graz während<br />

der letzten 150 Jahre haben die Herausforderung des Richters 21 in aller Schärfe bewusst<br />

werden lassen. Ein idealisierender Rückgriff auf vormodernes Richtertum verbietet sich<br />

klugerweise. Richter waren entweder selbst mit der politischen Gewalt verschmolzen<br />

(„Richterkönig“) oder ihre abhängigen Diener. Justiz muss sich in der Aufklärungswelt<br />

dem Pluralismus der Werte stellen, kann sich im stets stärker werdenden Multikulturalis-<br />

mus immer seltener auf Orientierungshilfen durch Moral, Brauch, Sitte und Gewohnheit<br />

verlassen. Dem Schwund an Verhaltensselbstverständlichkeiten ist die Zunahme der Kon-<br />

flikte komplementär. Die Entscheidung des Richters ist um nichts geringer zu schätzen als<br />

die der Organwalter in der Staatsfunktion Verwaltung. Selbst die „falsche“ Entscheidung<br />

hat einen gewissen Gerechtigkeitswert.<br />

Im Alltagsleben des Rechtsanwenders sind die Menschheitsfragen nach Recht und<br />

Gerechtigkeit kein im Einzelfall tauglicher Orientierungsbehelf. Die Unabhängigkeit des<br />

Richters ist an das gesatzte Recht gebunden, dem er mit allen Tugenden der Verfahrens-

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