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Steirisches Jahrbuch für Politik 2004 - Steirische Volkspartei

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lichen Unabhängigkeit zu verhindern. Der Richter und seine Sprache sind ein permanen-<br />

tes Problem. Mit René Descartes soll „clair et distinct“ ohne wohlfeile Rhetorik in einer<br />

kristallenen Sprache vorgegangen werden, was übrigens auch Plädoyer <strong>für</strong> die ein ver-<br />

nünftiges Argumentieren fördernden Korollarfächer (Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte,<br />

Allgemeine Staatslehre und <strong>Politik</strong>wissenschaft) im Curriculum der Juristenfakultäten ist.<br />

Richterliche Praxis ist nicht nur Wille und Wunsch, sondern muss in Wirklichkeit münden,<br />

die stets Professionalität erfordert.<br />

106<br />

Bei aller Rationalisierung und Prozeduralisierung der Rechtsprechung kann niemals<br />

auf die Person des Richters verzichtet werden, der ein maßvolles Selbstbewusstsein ohne<br />

ruinöse Hybris braucht. Gerade die Berufe des Universitätsprofessors, des Diplomaten<br />

und des Richters sind bisweilen von Selbstüberschätzung bedroht. Es bleibt stets die<br />

geradezu quälende Frage offen, wie weit der Richter die geschwächte Funktionsleistung<br />

des Rechtes kompensieren kann. Er darf dies keineswegs in einer nicht legitimierbaren<br />

holistischen Freiheit der Rechtsprechung tun. Er muss sich jedoch um Verfahrensgerech-<br />

tigkeit de lege lata bemühen. Dieser rechtsmoralische Appell birgt schon viel in sich: Fair-<br />

ness, Takt ohne rechthaberische Attitüde, Sach- und Rechtskunde, Präzision und falladä-<br />

quates Tempo der Erledigung sowie Sparsamkeit.<br />

Es ist stets Aufgabe des Richters bei der Rechtsfindung und Rechtsdurchsetzung im<br />

Einzelfall mit allem Gewicht seines Berufes sichtbar zu sein, der Richter muss Klarheit und<br />

Ausgewogenheit nicht nur verkörpern, sondern auch der Öffentlichkeit zeigen. So wird er<br />

selbst berufliche Erfüllung finden und dem Recht zu Plausibilität und Akzeptanz verhel-<br />

fen, d.h. auch den Menschen helfen.<br />

Die Zuversicht, dass die Richter, ja das gesamte Personal, des Oberlandesgerichtes<br />

Graz und des ganzen Sprengels, den Herausforderungen und Aufgaben der Zeit gewach-<br />

sen sind, stattet jede Gratulation zum 150. „Geburtstag“ mit ruhigem und berechtigtem<br />

Optimismus aus.<br />

* Erweiterte Druckfassung eines Vortrages anlässlich des Festaktes „150 Jahre Sprengel des Oberlandesgerichtes Graz“,<br />

OLG Graz, Marburger Kai 49, I. Stock, Graz, Donnerstag, 1. Juli <strong>2004</strong>, 11.00 Uhr, über Einladung des Präsidenten<br />

Heinz Wietrzyk. „Auffrischung“ und Vertiefung meiner Kenntnisse verdanke ich bezüglich der Rechtsgeschichte Ger-<br />

not Kocher/Universität Graz und bezüglich der Gerichtsorganisation in Theorie und Praxis Gottfried Musger/OLG<br />

Graz.<br />

1 Enzyklopädischer Einstieg: Oskar Katholnigg: Gerichtsbarkeit, Gerichtsverfassung. In: Staatslexikon, 7.A., 2. Bd. Frei-<br />

burg/Breisgau-Basel-Wien 1986, Sp. 906-913. – Dieter Lorenz: Rechtsprechung. In: Staatslexikon, 7.A., 4. Bd. Frei-<br />

burg/Breisgau-Basel-Wien 1988, Sp. 726-731.<br />

2 Der Optimismus des Aufbruchs in neue Lebensformen und Strukturen, freilich auch schon gedämpft durch das Auf-<br />

flammen erster Konflikte in posttotalitären Systemen, ist abgebildet bei Wolfgang Mantl (Hg.): Die neue Architektur<br />

Europas. Reflexionen in einer bedrohten Welt. Wien-Köln-Graz 1991.<br />

3 Gefahren, Herausforderungen und Chancen der Jahrtausendwende spiegeln sich in folgendem Sammelband, der<br />

ebenso wie der in Anm. 2 zitierte Werk besonderes Augenmerk der mitteleuropäischen Entwicklung zuwendet: Franz<br />

Kreuzer/Wolfgang Mantl/Maria Schaumayer (Hg.): Gigatrends. Erkundungen der Zukunft unserer Lebenswelt. Wien-<br />

Köln-Graz 2003.

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