Steirisches Jahrbuch für Politik 2004 - Steirische Volkspartei
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schulwesens eine Vorstellung davon besteht, was „Wissenschaft“ überhaupt ist. 29<br />
Besonders simple Geister verkünden öffentlich, dass es nicht Aufgabe der Fachhoch-<br />
schulen sei, Wissenschaft zu treiben, sondern Lehre anzubieten; und sie schmälern damit<br />
die Chancen des Sektors in einer „Wissensgesellschaft“ in gewaltigem Ausmaß. Die Idee,<br />
dass Fachhochschulen Forschung, wenn auch angewandte, zu treiben hätten, verwerfen<br />
sie, weil sie beim Wort „Wissenschaft“ nichts anderes als Praxisferne und Unbrauch-<br />
barkeit assoziieren. Für die Abnehmer aus der Wirtschaft zählen natürlich in der Tat<br />
schnell einsetzbare Absolventen, die jung und willig – und vor allem auch billiger –<br />
sein sollen. Auch die handsame Übernahme diverser Managementpraktiken trägt zur<br />
Schädigung des Sektors bei. Wer etwa glaubt, Benchmarking machen zu müssen, sollte<br />
sich im Klaren sein, was er vergleicht. Wer Evaluierungen vornimmt, sollte eine Vorstellung<br />
davon haben, was die Kriterien im Evaluierungspaket tatsächlich bedeuten. Und wer<br />
glaubt, Innovationen durch den Einsatz von Balanced Scorecards auslösen zu können, ist<br />
ohnehin ein hoffnungsloser Fall. (Alle diese Entwicklungen zeichnen sich natürlich mitt-<br />
lerweile auch bei den Universitäten ab, doch setzen sie sich dort mit einiger Verspätung<br />
durch).<br />
242<br />
Der bildungspolitische Obskurantismus wird übertüncht von einem aktuell gern<br />
gesehenen Bildungsbluff, demzufolge in den Fachhochschulen personelle Inkarnationen<br />
von Praxistüchtigkeit und Führungspotenzial erzeugt werden. Der robuste Alltagspragma-<br />
tismus sieht eher den Wert einer konkreten Projekterledigung als jenen von Umwegsren-<br />
tabilitäten: Kurzsichtigkeit statt Visionsfreude; Abarbeiten statt Vordenken. Innovation<br />
kommt solchen Vorstellungen zufolge nicht aus einem breiten Horizont, sondern aus<br />
einem Seminar über Kreativitätstechniken. Beim Brainstorming kommt aber nichts her-<br />
aus, wenn es dem Brain an Material mangelt. In der wirklichen Welt wird „tacit knowledge“<br />
wichtiger, in den Institutionen sind es „loud voices“. 30 Propaganda tritt an die Stelle von<br />
Wahrheit: ein Weg, der auch den Universitäten <strong>für</strong> die Zukunft dringlich anempfohlen<br />
wird. Erfolgsindikatoren sind konkrete und verkaufbare Produkte, auch dickere und pro-<br />
fessionellere Projektberichte, in denen nichts Interessantes steht. Die Wissenschaftlichkeit<br />
soll nach dem neuen Entwicklungsplan durch weitere Förderungsprogramme angehoben<br />
werden. 31 Dass dies – wie der Plan verkündet – eine Chance bedeutet, regionale For-<br />
schungszentren abseits der herkömmlichen Hochschulstandorte aufzubauen, ist wohl nur<br />
als Geste an ehrgeizige Bürgermeister zu verstehen, es ist aber bei einem Blick auf die<br />
internationale Forschungsszene wohl illusorisch.<br />
Auch das Erfordernis der Internationalität wird in diesem Entwicklungsplan einge-<br />
mahnt. Die Fachhochschulen sind neue Spieler auf der Bildungsszene, sie sind deshalb<br />
<strong>für</strong> ausländische Kooperationspartner oder incoming-Studierende kaum attraktiv. Aber sie<br />
sollen, ebenso wie die Universitäten, „internationaler“ werden, insbesondere soll der Stu-<br />
dierendenaustausch forciert werden. Das verbindet sich zwar mit keinen greifbaren Zielen,<br />
aber jeder Auslandsaufenthalt ist bereichernd. 32